Der Warnstreik im öffentlichen Nahverkehr am Dienstag war der Auftakt einer wahren Streikwoche in Dortmund. © Oliver Schaper

Verhandlungspoker

Warum streikt Verdi in Dortmund ausgerechnet in der Corona-Krise?

Dortmund wird von einer Streikwelle durchgeschüttelt – ein zusätzlicher Stresstest für die Bürger inmitten der Corona-Krise. Wer ist daran Schuld? Darüber tobt ein Kampf um die Deutungshoheit.

Dortmund

, 29.09.2020 / Lesedauer: 3 min

Am Dienstag (29.9.) traf es den öffentliche Nahverkehr und die EDG; am Mittwoch sind die Kliniken und Seniorenheime dran; am Donnerstag folgen Kitas, Stadtverwaltung und Museen; am Freitag erwischt es die Sparkasse. Dortmund erlebt eine Woche der Warnstreiks im Öffentlichen Dienst.

Es ist die nächste Eskalationsstufe im Ringen der Gewerkschaft Verdi und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) um neue Tarife im Öffentlichen Dienst. Leidtragende sind die Bürger, die nicht zur Arbeit kommen, deren Kinderbetreuung wegfällt oder die bei der Verwaltung niemanden erreichen. Da ist der Bürger-Zorn vorprogrammiert.

Corona-Pandemie ist Brandbeschleuniger in Streik-Debatte

Der Streit um die Frage, ob denn nun die Gewerkschaft oder die Arbeitgeber Schuld an den Beeinträchtigungen sind, ist fester Bestandteil der Tarifkonflikt-Folklore. Doch dieses Mal wird er besonders hart geführt.

Der Brandbeschleuniger dieser Debatte ist die Corona-Pandemie. Wegen ihr trifft der Warnstreik dieses Mal – im Gegensatz zu den vergangenen Jahren – eine Gesellschaft in der wirtschaftlichen Krise.

Drastische Vorwürfe von Gewerkschaften an Arbeitgeber

Da reagiert mancher Bürger besonders gereizt: „Vielen Dank für das Verkehrschaos, liebe Streikenden!“, schreibt ein Dortmunder sarkastisch unter einem Beitrag zum Nahverkehrs-Streik unserer Redaktion auf Facebook. „Ihr solltet in diesen Zeiten lieber mal dankbar sein für euren Job. Es gibt sehr viele Arbeitnehmer, denen es deutlich schlechter geht!“ Er steht exemplarisch für viele.

Die Gewerkschaft Verdi, die die Warnstreiks organisiert, gibt den Schwarzen Peter umgehend weiter an die Arbeitgeber – und das mit drastischen Worten: „Perfide“ sei das Verhalten der VKA, die „eiskalt“ das Verdi-Angebot ausgeschlagen habe, die Tarifverhandlungen wegen der Pandemie zu verschieben, sagt Michael Kötzing, Bezirksgeschäftsführer von Verdi Westfalen. „Wir finden das genauso verantwortungslos wie die Bürger.“

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Um dann den Vorwurf zu platzieren, mit dem Verdi derzeit auf allen Kanälen auf die VKA schießt: Die kommunalen Arbeitgeber „sehen sich während der Pandemie in der besseren Verhandlungsposition und setzen auf öffentliches und mediales Unverständnis, welches sie auch selbst noch schüren.“

In den Gesprächen hätten sie anklingen lassen, dass sie nicht glaubten, dass die Gewerkschaften „ihre Leute auf die Straße bringen“.

Arbeitgeber: Einmalzahlung „unzumutbar“ für die Kommunen

Bei der VKA will man davon nichts wissen. Dort spielt man den Ball zurück – und verweist auf viel zu hohe finanzielle Forderungen der Gewerkschaften. Diese hätten zu Beginn der Gespräche im Juni für eine Verschiebung eine Einmalzahlung von 1500 Euro für alle 2,3 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst gefordert.

Das hätte „die ohnehin finanziell enorm belasteten Kommunen“ hochgerechnet mehr als drei Milliarden Euro gekostet, sagt VKA-Hauptgeschäftsführer Niklas Benrath. „Das ist und war mitten in der Krise unzumutbar!“

Das wiederum bringt den Gewerkschafter Kötzing in Rage: „Das war ein erster in den Saal geworfener Betrag für einen Inflationsausgleich! Die Botschaft war: Macht einen Gegenvorschlag.“ Er habe noch nie erlebt, dass ein solcher erster Vorschlag unverändert durchgegangen sei.

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Benrath schildert das anders: „Die Gewerkschaften hatten nicht den Eindruck vermittelt, dass sie an dieser Stelle flexibel wären.“

So steht nun Aussage gegen Aussage – und die vage Hoffnung, dass sich die Streitparteien in der dritten Verhandlungsrunde am 22. und 23. Oktober annähern oder gar über einen neuen Tarifvertrag einigen.

Verdi verlangt eine Gehaltserhöhung von 4,8 Prozent, mindestens um 150 Euro, bei einer Tarifvertrags-Laufzeit von 12 Monaten. Von der VKA gibt es noch kein Gegenangebot.

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