„Zutiefst sozial ungerecht“ Warum Schülertickets woanders gratis sind, in Dortmund aber nicht

Warum Schülertickets woanders gratis sind, in Dortmund aber nicht
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Das Bus- und Bahn-Unternehmen DSW21 hat die Familien in Dortmund kürzlich informiert, dass das Schoko-Ticket eingestellt wird. Abgelöst wird es durch das neue „Deutschlandticket Schule“, das für manche günstiger wird, zumindest aber für alle mehr Leistung zum gleichen Preis bringt.

Bestehen bleiben dabei zwei Preismodelle, je nach Entfernung zwischen Wohnort und Schule. Wer nah dran wohnt, muss das Ticket komplett selbst zahlen, ab sofort für 29 Euro pro Monat. Bei längerem Schulweg wird ein Teil der Kosten übernommen, sodass Familien fürs erste Kind weiterhin 14 Euro selbst zahlen, für weiteren Nachwuchs dann weniger.

„Es bleibt zutiefst sozial ungerecht“, sagt Elternvertreterin Anke Staar dazu. Die Dortmunderin war Vorsitzende der Landeselternkonferenz und ist jetzt im Inklusionsfachverband „Gemeinsam leben, gemeinsam lernen“ engagiert.

Seit Jahren setzt sie sich für ein Schülerticket ohne jeglichen Eigenbeitrag ein. „Man muss die Kinder autonom bekommen“, sagt sie und meint, dass sozial Benachteiligte genau so mobil sein sollen wie alle anderen. Wenn eine Familie wenig Geld hat, spare sie wohl an der Mobilität der Kinder. Und wer nicht mit Freunden unterwegs sein kann, werde abgehängt.

Wenige fahren in andere Städte

Von einem deutschlandweit gültigen Monatsticket hält Anke Staar dabei nicht viel. Nur ein Bruchteil der Jugendlichen habe das bis Düsseldorf gültige Schokoticket außerhalb von Dortmund genutzt - Staar spricht von nur drei Prozent. Die Familien müssten also nicht für einen Leistungsumfang zahlen, den sie gar nicht brauchen.

„Es gibt Kommunen wie Gütersloh, die es schon seit letztem Jahr viel besser machen und allen Kindern ein kostenfreies Ticket in der Region anbieten“, sagt Staar: „Das wäre gerecht und sozial und trägt dazu bei, dass mehr Bildungsangebote genutzt werden.“

Fahrgäste steigen in Dortmund in einen Bus ein.
Wer nah an der Schule wohnt, zahlt in Dortmund für die Monatskarte eines Kindes 29 Euro. © Kevin Kindel (Archiv)

In Berlin fahren Schülerinnen und Schüler bereits seit 2019 gratis. Vor der Einführung wurden laut Tagesspiegel rund 176.000 Abo-Tickets verkauft, im Sommer 2022 waren fast 400.000 Karten verteilt.

Vor zwei Jahren, als die Eigenbeiträge in Dortmund leicht gestiegen waren, hatte Anke Staar ihre Position bereits im Schulausschuss vorgebracht. SPD und Grüne hatten damals schon geäußert, kostenlose Schülertickets anzustreben. Die CDU sah die politischen Gremien des VRR in der Pflicht.

Haushaltslage der Stadt

Aber warum geht‘s in Berlin und Gütersloh, aber nicht in Dortmund? Der Rat hat bei den Haushaltsberatungen 2023 einen Antrag für kostenlose Tickets beschlossen. Aber von der SPD heißt es: „Die Finanzierung sollte aufgrund der Haushaltslage der Stadt Dortmund über das Land NRW und den Bund erfolgen.“ Sprich: Man habe selbst nicht das Geld dafür.

Das Gehalt für Bus- und Bahnpersonal sowie weitere Betriebskosten bleiben schließlich bestehen. Nur ist es in der Regel nicht so leicht umsetzbar, andere zu zwingen etwas zu bezahlen, was man selbst haben will.

Politik will weiter drängen

In Gütersloh zahlt die Stadt diese Kosten selbst. Als Pilotprojekt können alle Jugendlichen, die weiterführende Schulen besuchen, zwei Jahre lang kostenlos im „Westfalentarif“ fahren. Der Geltungsbereich erstreckt sich vom Kreis Steinfurt bis nach Siegen.

„Wenn wir damit erreichen, dass die Nutzung des ÖPNV auch für die Zukunft verinnerlicht wird, und wenn das Angebot vielleicht auch in den Familien zu einer Veränderung des Mobilitätsverhaltens beiträgt, dann ist einiges gewonnen“, sagte Henning Matthes von der Stadt Gütersloh zur Einführung.

In Dortmund wollen SPD und Grüne am Ball bleiben. „Als SPD-Fraktion werden wir uns auch weiterhin dafür einsetzen, dass Schülerinnen und Schüler den ÖPNV kostenlos nutzen können“, heißt es. Und die Grünen nennen die Vergünstigung des Tickets für Selbstzahler (jetzt 29 statt bisher 39,40 Euro) „zumindest ein Schritt in die richtige Richtung“.

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