
© Martin Klose (Montage)
Warum die Stadt Dortmund über vier Monate für eine Corona-Karte brauchte
Neue Corona-Auswertung
Erst im fünften Monat der Corona-Krise in Dortmund weiß die Stadt genau, wie sich Dortmunds Corona-Fälle auf die einzelnen Stadtbezirke verteilen. Warum dauerte das so lange?
Es ist eine der meistgestellten Fragen von Bürgern rund um die Corona-Krise in Dortmund: Wie verteilen sich die Corona-Fälle im Stadtgebiet? Über Monate hinweg richtete auch unsere Redaktion diese Frage wiederholt an die Stadt - vergebens.
Das könne man aktuell nicht leisten, bekam unsere Redaktion immer wieder als Antwort zu hören. Das Gesundheitsamt sei ganz damit ausgelastet, die Infektionsketten der aktuellen Fälle nachzuvollziehen, man habe keine Ressourcen für eine solche Auswertung.
Überraschende Wende
Doch dann, am Donnerstag (16.7.), gab es eine überraschende Wende in dieser Geschichte: Sie kam vom Leiter des Dortmunder Gesundheitsamtes, Dr. Frank Renken. Im Gespräch mit unserer Redaktion verriet der Mediziner plötzlich, dass man im Gesundheitsamt bereits seit geraumer Zeit an genau so einer Karte auf Stadtbezirksebene arbeite - und dass sie seit wenigen Tagen fertig sei.
Jetzt haben Renken und seine Mitarbeiter einen genauen Überblick darüber, in welchen Stadtbezirken die bisher rund 1100 Corona-Fälle leben - und können Aussagen wie jene treffen, dass rund 70 Prozent der aktuell an Covid-19 erkrankten Dortmunder in der Nordstadt wohnen.
Doch warum brauchte die Stadt knapp viereinhalb Monate - gezählt vom ersten Corona-Fall Anfang März - für eine Statistik, die (bei allem Respekt für die Arbeit des Gesundheitsamtes) ganz sicher nicht die aufwändigste und komplizierteste in der Geschichte der Datenauswertung ist?
„Keine Leute, keine Zeit“
Die Antwort hat viel mit einer Mischung aus mangelnden Ressourcen und mangelndem Interesse zu tun.
„Anfangs hatten wir einfach keine Leute und keine Zeit“, sagt Gesundheitsamts-Chef Renken mit Blick auf die wilden ersten Wochen der Corona-Krise im März und April.
Auch ohne genaue Statistik habe man eine Konzentration der Zahlen auf den wohlhabenderen Süden der Stadt festgestellt, besonders auf Aplerbeck. Im Rest der Stadt habe es hingegen kaum Fälle gegeben.
Das deckte sich damals komplett mit der Arbeitsthese des Gesundheitsamts, dass das Virus in diesem Zeitraum vor allem von außen nach Dortmund kam, und zwar vorwiegend durch Rückkehrer aus dem Skiurlaub. Eine Auswertung, die extra Arbeit bedeutete, nur um zu bestätigen, was man sowieso schon wisse, wäre überflüssig und unnötig gewesen, meint Renken.
Im Mai nahmen erst Zahlen der Neuinfektionen und dann die der aktiven Corona-Fälle immer stärker ab; gleichzeitig hatte Renken als Reaktion auf die Krise nun mehr Personal bekommen. Nun begann das Gesundheitsamt damit - laut Renken auch als Reaktion auf die Medienanfragen -, neben seiner normalen Arbeit eine Wohnort-Datenbank für alle bisherigen Corona-Fälle aufzubauen.
Doch auch zu diesem Zeitpunkt fand man im Gesundheitsamt die Auswertung nur mäßig spannend. Die wenigen Neuinfektionen, die es im Mai gab, verteilten sich unauffällig auf das ganze Stadtgebiet. Entsprechend geringe Priorität hatte die Wohnort-Karte.
„Die Gütersloher wussten auch nicht, dass ihnen der Laden um die Ohren fliegt“
Das änderte der Corona-Ausbruch bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück Mitte Juni grundlegend. Plötzlich fing Renken an zu zweifeln: Und was, wenn es doch einen sublokalen Ausbruch in Dortmund gibt? Was, wenn sie etwas übersehen hatten? „Unsere Kollegen in Gütersloh wussten auch nicht vorher, das ihnen der Laden eine Woche später um die Ohren fliegt.“
Als Reaktion darauf forcierte das Gesundheitsamt die Fertigstellung der Auswertung. Nun bietet sie der Stadt eine gute Grundlage für die nächsten Schritte - etwa in der Nordstadt. Dort will man dem ansteigenden Infektionsgeschehen mit zusätzlicher Aufklärung und einer eigenen Abstrichstelle für Corona-Tests begegnen.
Auch abseits der Nordstadt will Renken wachsam bleiben: „So etwas wie Gütersloh willst du bei dir nicht haben!“
1984 geboren, schreibe ich mich seit 2009 durch die verschiedenen Redaktionen von Lensing Media. Seit 2013 bin ich in der Lokalredaktion Dortmund, was meiner Vorliebe zu Schwarzgelb entgegenkommt. Daneben pflege ich meine Schwächen für Stadtgeschichte (einmal Historiker, immer Historiker), schöne Texte und Tresengespräche.
