„Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen“, erzählt Stefanie Hugot im Gespräch mit unserer Redaktion. Es ist Donnerstagabend (27.3.). Stunden zuvor hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster den Bebauungsplan (B-Plan) Nr. 92 „Im Dicken Dören“ der Stadt Waltrop für unwirksam erklärt.
Stefanie Hugot ist Sprecherin des Aktionsbündnisses gegen das Waltroper Industriegebiet „Im Dicken Dören“ an der Stadtgrenze zu Dortmund. Seit sechseinhalb Jahren wehren sich Anwohner aus Groppenbruch gegen die Bebauung unmittelbar hinter ihren Gärten an der Groppenbrucher Straße. Geklagt hatte letztendlich Heinz Aarsen – stellvertretend für alle.
„Das OVG hat dargelegt, dass der B-Plan in mindestens fünf Punkten nicht rechtsgültig ist“, berichtet Stefanie Hugot. Die studierte Raumplanerin hatte an der Verhandlung teilgenommen. Unter anderem habe die Richterin aufgeführt, dass Festsetzungen für die Gliederung des Industrie- bzw. des Gewerbegebietes, die Abstandsklassen, die Emissionskontingentierung und die Kategorisierung der Nutzungen fehlerhaft seien.
Zweiter B-Plan unwirksam
„Die vorsitzende Richterin Dahme schätzte diese Fehler als nicht heilbar ein“, erklärt Hugot. „Damit muss der Bebauungsplan aller Wahrscheinlichkeit nach neu aufgestellt werden.“ Wie die Stadt Waltrop, wartet die Bürgerinitiative zunächst noch auf das schriftliche Urteil, das voraussichtlich in zwei Wochen vorliege.
„Heilbar“ ist eine Formulierung aus dem Baugesetzbuch. Sie gestattet Korrekturen an einer fehlerhaften Bauplanung. Die Stadt Waltrop geht am Freitag (28.3.) noch davon aus, dass der B-Plan „Im Dicken Dören“ heilbar sei. Das hat Waltrops Stadtbaurätin Jeanette Sebrantke auch am Donnerstagabend im Waltroper Stadtrat erklärt.
Das OVG habe ferner den Waltroper Bebauungsplan „Im Wirringen“ als nicht geeignet eingestuft und für unwirksam erklärt, berichtet die Stefanie Hugot. Diesen B-Plan hatte die Stadt Waltrop als Ausweichplan für Industriebetriebe festgelegt, die aufgrund der Emissionskontingentierung sich nicht „Im Dicken Dören“ ansiedeln können.

Eine Revision hat das Gericht nicht zugelassen. „Damit steht die Stadt Waltrop wieder am Anfang des Verfahrens“, sagt Stefanie Hugot. Ob dann allerdings die Fördermittel des Landes in Höhe von 12,4 Millionen Euro noch in Anspruch genommen werden können, sei mehr als fraglich. Das Land NRW habe Waltrop zur Auflage gemacht, die Fördermittel innerhalb von drei Jahren zu verbauen.
Wenn die schriftliche Begründung zum Urteil vorliegt, wollen Kläger Heinz Aarsen und das Aktionsbündnis über ihre Anwaltskanzlei erwirken, die ihrer Ansicht nach illegalen Bautätigkeiten unverzüglich einstellen zu lassen. Jetzt agiere die Stadt Waltrop im Außenbereich und nicht mehr auf der Grundlage eines rechtskräftigen Bebauungsplans. Vorbereitungen von Baufeldern und Erschließungsmaßnahmen seien seit Donnerstag nicht mehr genehmigungsfähig.
Heinz Aarsen ist zufrieden. „Wir sind sehr entspannt“, erklärt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Groppenbrucher hätten sich nicht einschüchtern lassen und sich der Stadt Waltrop mutig entgegengestellt. Entsprechend selbstbewusst sieht der Kläger dem weiteren Handeln der Nachbarstadt entgegen. „Wir gehen all in.“
Die Einwohner der Groppenbrucher Straße seien glücklich, dass mit der OVG-Entscheidung am Kanal wieder Ruhe einkehre und ein Industriegebiet so nah an einem Wohngebiet voraussichtlich nicht realisiert werden könne, erklärt Stefanie Hugot. „Die Richterin hat im Verfahren festgestellt, dass die Lärmbelästigung der Anwohnerinnen und Anwohner schon jetzt sehr hoch ist.“
Die Entscheidung des OVG-Münster sei ein wichtiger Etappensieg. „Jetzt gilt es sicherzustellen, dass das Industriegebiet dauerhaft verhindert wird“, erklärt die Stadt- und Raumplanerin. „Dafür bedarf es weiterhin der Unterstützung aller Mitstreiterinnen und Mitstreiter, sowohl ideell als auch insbesondere materiell, um die bereits entstanden und noch folgenden Kosten zu decken.“

Die Kosten für Gutachten, Anwalts- und Klagekosten belaufen sich derzeit schon auf rund 24.000 Euro. Juristisch vertreten werden Heinz Aarsen und das Aktionsbündnis von Prof. Dr. Olaf Bischopink aus Münster. Der Verwaltungsrechtler ist unter anderem spezialisiert auf Öffentliches Bau- und Planungsrecht sowie auf Immissionsschutzrecht.
Stefanie Hugot kannte die Expertise des Juristen. Gepaart mit ihrem beruflichen Wissen hatte sie den Widerstand der Groppenbrucher gegen das Industriegebiet „Im Dicken Dören“ vorangetrieben. Die Raumplanerin blieb zumindest äußerlich noch gelassen, als das OVG im Juli 2024 einen Eilantrag der Anwohner ablehnte. „Ich habe die Verantwortung übernommen“, sagt sie im Gespräch. Ihre Zuversicht und Erfahrung haben sie nicht getäuscht. Trotzdem fiel ihr am Donnerstag eben jener „Stein vom Herzen“.