Nach Beschwerde über Lärm Vogelexperten machen auf Wiese in Dortmund Sensationsfund

Erich Kretzschmar über Wachtelkönig in Lütgendortmund: „Eine Sensation“
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Das ist schon eine kuriose Geschichte: Nur weil sich Dortmunder Anwohner über angeblichen Lärm beschwerten, kam es Ende Mai zu einem Sensationsfund in der Tierwelt. Auf einer Wiese in Lütgendortmund haben sich tatsächlich Wachtelkönige niedergelassen. Sie gehören zu einer sehr seltenen und bedrohten Vogelart und stehen auf der sogenannten Roten Liste. In unserer Stadt wurden sie vor 50 Jahren, also 1973, das letzte Mal gesehen.

Über Umwege gelangten die „Lärm“-Aufnahmen der Anwohner zu Dr. Erich Kretzschmar, Mitglied im Nabu-Stadtverband Dortmund und einer der bekanntesten Ornithologen der Region. Für den Vogelexperten war beim Abhören des WhatsApp-Audios sofort klar: Das ist der Ruf des Wachtelkönigs.

Weil er selbst verhindert war, habe er sofort seinen Sohn Robin, der auch ornithologisch engagiert ist, zur besagten Stelle geschickt. „Als ich später eintraf, zeigte er schon von weitem mit dem Daumen hoch. Das war schon ein gewisses Glücksgefühl.“

Zur großen Freude der beiden Dortmunder Vogelkundler hörten sie nicht nur den Ruf eines Wachtelkönigs. „Wir haben gleichzeitig drei unterschiedliche Rufe wahrgenommen.“ Es seien ausschließlich die Männchen, die entsprechend ihrem lateinischen Namen mit „Crex crex“ auf Brautschau seien. „Deshalb ist unsere Hoffnung groß, dass sich auf dieser Wiese auch Weibchen befinden und hier demnächst im besten Fall drei Paare brüten.“

Versteckt im hohen Gras

Die Wachtelkönige als Bodenbrüter könne man in dem hohen Gras nur schwer entdecken. „Sie leben heimlich, ich habe in den ganzen Jahren nur einen einzigen zu Gesicht bekommen. Das war in Bayern“, erzählt Erich Kretzschmar.

Der Wachtelkönig sei ein fast ausgestorbener Brutvogel, in Nordrhein-Westfalen lebten aktuell schätzungsweise weniger als 50 Paare, so Erich Kretzschmar, Autor des Buches „Dortmunder Vogelwelt“. Vor diesem Hintergrund sei die Entdeckung dieses schützenswerten Vogels auf der Lütgendortmunder Wiese von mehr als großer Bedeutung.

So sieht der Wachtelkönig aus, dieses Foto zeigt ein präpariertes Exemplar.
So sieht der Wachtelkönig aus, dieses Foto zeigt ein präpariertes Exemplar. © dpa

Wachtelkönig unter EU-Schutz

Der vom Aussterben bedrohte Wachtelkönig sei nicht nur in der Roten Liste, Kategorie 1, zu finden, so Dr. Kretzschmar. Er stehe sogar unter dem besonderen Rechtsschutz der Europäischen Union. Dafür sorge die sogenannte Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie.

Nach der sensationellen Entdeckung habe man sofort die zuständigen Einrichtungen informiert, berichtet der Dortmunder Vogelexperte. Dazu gehörten die Untere Naturschutzbehörde der Stadt Dortmund und die Biologische Station Kreis Unna/Dortmund. In der Ornithologen-Szene, auch über Dortmund hinaus, habe sich die Nachricht schnell herumgesprochen.

Einige Vogelkundler hätten es sich nicht nehmen lassen, eigene Aufnahmen vor Ort zu machen. „Der Wachtelkönig ruft von der Abenddämmerung bis zur Morgendämmerung“, sagt Kretzschmar. Allerdings nur bis zur Verpaarung, danach werde es deutlich ruhiger.

Als Bodenbrüter sei der Wachtelkönig besonders gefährdet, etwa durch Füchse, Marder, frei laufende Hunde und Katzen. „Diese Vögel legen acht bis zehn Eier, deshalb ist die Chance groß, dass zumindest einige Jungtiere überleben.“ Die Brutzeit betrage drei Wochen, sagt der Vogelexperte.

Brutnachweise über Mikrophon

Brutnachweise zu erbringen, sei wegen der heimlichen Lebensweise der Wachtelkönige schwierig, so Dr. Erich Kretzschmar. Man wolle deshalb versuchen, über das Anbringen von Mikrofonen mehr herauszufinden. „Vielleicht hören wir dann ja in einigen Wochen die Stimmen der Jungvögel.“

Um einen „Massen-Tourismus“ zu verhindern und die Wachtelkönige zu schützen, haben wir uns entschieden, den genauen Standort nicht zu nennen.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 10. Juni 2023.

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