
© Oliver Schaper
Von „spanischen Eröffnungen“ und „kriminellen Zügen“: Das Chess-Meeting ist eröffnet
Dortmunder Schachtage
Dortmund steht für eine Woche im Blickpunkt der Schachwelt. Beim Sparkassen-Chess-Meeting treten acht internationale Großmeister im Orchesterzentrum gegeneinander an. Wir haben zugeschaut.
Ganz ehrlich: Ich verstehe nur Bahnhof. Von „offenen Sizilianern“ und „eisernen Katalanen“ raunen die Stimmen in meinem Kopfhörer. Ich sitze im Zuschauersaal des Orchesterzentrums an der Brückstraße. Gemeinsam mit etwa 120 anderen Menschen – fast ausschließlich Männer – schaue ich gebannt auf die Bühne.
Dort sitzen acht Männer an Schachbrettern. Was sich auf den Brettern tut, ist auf der großen Leinwand über ihnen zu sehen, auf denen die Züge abgebildet werden.

Bürgermeisterin Birgit Jörder eröffnete unter fachmännischer Begleitung die Eröffnungspartie zwischen Ian Nepomniachtch und Richard Rapport. © Schaper
Ich, als weitgehender Schach-Laie, der zwar weiß, wie man die Figuren zu setzen hat, aber mit spanischen oder italienischen Varianten nichts anfangen kann, ahne nur, welche Dramen sich dabei abspielen. Die anderen Menschen um mich herum wirken durchaus fachkundiger.
Geschätzt sind 120 Zuschauer bei der Eröffnung des Chess-Meetings. Das ist durchaus üblich, erklärt Turnierorganisator Gerd Kolbe. Bis zu 200 kommen pro Tag. Das Chess-Meeting hat eine eingeschworene Fan-Gemeinde. Und das weltweit. Denn viele verfolgen die Partien auch per Internet.
Duelle der Weltmeister
1973 fanden die Dortmunder Schachtage erstmals statt. Seit den 1990er-Jahren gilt das Sparkassen-Chess-Meeting als eines der bestbesetzten Turniere der Welt. Hier duellierten sich schon die mehrfachen Weltmeister Garri Kasparow und Wladimir Kramnik. Stars der Schachszene wie Kramnik und Peter Leko erlebten in Dortmund ihren Durchbruch.
Der Name Kramnik fällt mehrfach am Eröffnungstag der 47. Chess-Meetings. Es ist das erste Turnier seit langer Zeit ohne den langjährigen Weltmeister, der das Dortmunder Turnier über 25 Jahre geprägt hat. Aber an Faszination hat es offenbar nichts eingebüßt, wie der Blick in den gut gefüllten Zuschauersaal zeigt. Immerhin kostet die Tageskarte für Erwachsene 6 Euro.

Das Zuschauerinteresse an den Schachpartien im Saal des Orchesterzentrums ist groß. Hier geben sich Teimour Radjabov und Radoslaw Wojtaszek zu Beginn die Hand. © Oliver Schaper
Die meisten Zuschauer hier, da bin ich mir sicher, werden aber wohl eine Dauerkarte für 25 Euro in der Tasche haben. Denn das Turnier wird über sieben Runden an sieben Tagen gespielt. Jeder Großmeister spielt also einmal gegen jeden.
Und das Feld ist wieder hochkarätig, wie Gerd Kolbe auch bei der Eröffnung hervorhebt. Titelverteidiger Ian Nepomniachtchi aus Russland etwa ist aktuell die Nummer 6 der Schach-Weltrangliste.
Live-Kommentare über Kopfhörer
Er bekommt es am ersten Tag mit dem Ungarn Richard Rapport zu tun, mit 23 Jahren der jüngste Teilnehmer. „Dieser Zug ist geradezu kriminell“, höre ich über Kopfhörer über eine Wendung in der Partie.
Der mehrfache deutsche Schachmeister Klaus Bischoff und Elisabeth Pähtz, Dritte bei der Damen-Europameisterschaft im Schach, kommentieren die Partien live für die Zuhörer. Die Anekdoten aus der Schachwelt, die sie dabei zum Besten geben, sind durchaus amüsant. Viele Erläuterungen zu den laufenden Partien aber weniger etwas für Laien wie mich.
Partien dauern mehrere Stunden
Der Pole Radoslaw Wojtaszek und der Aserbaidschaner Teimor Radjabov spielen „geschlossen spanisch“, erfahre ich. Und dass der Springer auf A3 eine „sehr angenehme Stellung“ ist.
Die Schachexperten harren aber geduldig aus. Und das über Stunden. Täglich (außer am Finaltag) um 15 Uhr beginnen die Partien, die dann bis zum Abend dauern können. Die Bedenkzeit für die Spieler beim Dortmunder Turnier ist vergleichsweise lang, lerne ich. Und dass etwa 80 bis 90 Prozent der Partien mit Erreichen der zweiten Zeitkontrolle nach sechs Stunden enden.
Am ersten Tag ist schon nach gut vier Stunden Schluss. Rapport gewinnt die Partie gegen den Favoriten Nepomniachtchi, Wojtaszek und Radjabov trennen sich Remis. Wer das gesamte Turnier gewinnt und sich die Dortmunder Schachkrone 2019 aufsetzen darf, steht spätestens am Sonntag (21. Juli) fest.
Schachturniere und Schachkunst
- Neben dem Großmeister-Turnier im Orchesterzentrum an der Brückstraße gibt es auch drei sogenannte „Open-Turniere“ mit etwa 250 Teilnehmern und ein Einladungsturnier um den „Sportbund.NRW-Jugendcup2019“. Sie finden zeitgleich im Fritz-Henßler-Haus an der Geschwister-Scholl-Straße statt.
- Das Großmeister-Turnier wird begleitet von einer Kunstausstellung mit Werken der Dortmunder Künstler Helga Jonschker und Peter Kröker zum Thema Schach. Ihre Werke sind im Foyer des Orchesterzentrums ausgestellt.
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
