
© Andreas Schröter
Sechs Jahre Flüchtlingsarbeit: Wenn Kinder Bilder von Bomben und Leichen malen
DRK-Flüchtlingsheim Derne
Die meisten Flüchtlingsheime der Stadt sind mittlerweile geschlossen. Nun macht ein weiteres dicht. Dessen Leiter berichtet von seinen tiefgehenden Erfahrungen mit den vielen Menschen.
Zum 1. Oktober - also in wenigen Tagen - wird das Derner DRK-Flüchtlingsheim in der ehemaligen Zweigstelle der Dietrich-Bonhoeffer-Grundschule an der Nierstefeldstraße Geschichte sein. Über sechseinhalb Jahre, seit dem 3. März 2015, hat es bestanden.
Die letzten Flüchtlinge sind mittlerweile auf andere Einrichtungen in Lütgendortmund und Brünninghausen verteilt worden - nun geht es um die Auflösung der Einrichtung: Vier riesige Container stehen vor dem Haus, ein ganzes Arsenal an Kühlschränken und Waschmaschinen wartet auf den Abtransport.
„Die Stadt hat keinen Bedarf mehr für das Heim.“
„Die Stadt hat keinen Bedarf mehr für das Heim gesehen“, sagt DRK-Sprecher Klaas Pütschneider, „also geben wir es auf.“ Einer, der bis ganz zum Schluss die Stellung hält, ist Leiter Abasse So. Auf die Frage, ob er eher erleichtert oder traurig sei, sagt er ohne zu zögern: „traurig“. Viel zu eindringlich seien die vielen Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen aus fast allen Teilen der Erde gewesen, die er in den vergangenen Jahren gemacht habe.

DRK-Sprecher Klaas Pütschneider und Leiter Abasse So (v.l.) gehören zu den wenigen, die jetzt noch die Abbauarbeiten im Flüchtlingsheim Derne überwachen. © Andreas Schröter
Es sei ihm einfach nie gelungen, ein gutes Verhältnis zwischen Distanz und Nähe hinzubekommen. Viel zu nah seien ihm die unendlich traurigen Geschichten gegangen, die ihm die Menschen erzählt haben - etwa über die Toten, die sie auf ihren Mittelmeer-Überfahrten im Schlauchboot einfach über Bord werfen mussten - oder das Bild eines kleinen Mädchens, das oben Bomben abwerfende Flugzeuge und unten blutende Menschen zeigte.

Dieses Bild malte ein Mädchen im DRK-Flüchtlingsheim Derne. © privat
So etwas wie Feierabend hat es für Abasse So nie gegeben. Wenn sein Dienst offiziell rum war, hat er einfach ehrenamtlich weitergemacht. Oft sei er mit seinen Schützlingen auf Ämter gegangen, um sie moralisch zu unterstützen, denn viele von ihnen waren nervlich völlig am Ende oder hatten bereits psychische Störungen. Geärgert habe ihn dann oft die Willkür von manchen Beamten auf den Amtsstuben.

Ein paar Hinweise, dass hier einmal (viele) Menschen gelebt haben - auch Kinder - finden sich noch auf dem Gelände. © Andreas Schröter
Bis zu 130 Flüchtlinge haben gleichzeitig in der alten Schule und den davor aufgestellten Containern gelebt. Zum Schluss waren es noch 64, vor allem Mädchen und junge Frauen aus Guinea, die Opfer von Menschenhandel geworden waren. Sie wurden von der Mitternachtsmission nach Derne gebracht.
13 Mitarbeiter beherrschten 15 Sprachen
Geholfen habe, dass die 13 Mitarbeiter der Einrichtung, die ebenfalls aus Ländern wie Iran, Marokko, Senegal, Togo oder Rumänien kamen, 15 verschiedene Sprachen gesprochen haben.
Und geholfen haben die vielen Angebote, die Abasse So den Menschen gemacht hat - wie das Projekt „Trommeln für Toleranz“, das Anlegen von Hochbeeten als Revitalisierung von Lebensräumen, Fußballturniere oder Kindermalaktionen. Es habe im Flüchtlingsheim logischerweise eine sehr internationale Küche gegeben.

Die Container vor der ehemaligen Grundschul-Zweigstelle sind mittlerweile leer. © Andreas Schröter
Klaas Pütschneider und Abasse So bedanken sich bei den Dernern und auch den Menschen aus anderen Stadtteilen für die schier unglaubliche Hilfsbereitschaft. Manchmal seien sie dem gar nicht mehr Herr geworden. „Hut ab dafür“, sagen beide. Anfeindungen, etwa von Nazis, mit denen es andere Heime wie zum Beispiel das in Eving gelegentlich zu tun hatten, habe es in Derne kaum gegeben - vieleicht am Anfang ganz kurz und in milder Form.
Abasse So bleibt seinen Schützlingen treu, hilft ihnen nun in Lütgendortmund und Brünninghausen auf ehrenamtlicher Basis weiter. Außerdem arbeitet er im Werkhof in Derne zum Beispiel im Bereich Berufsvorbereitung von Afrikanerinnen mit. Vielleicht engagiere er sich demnächst in einem Kompetenzzentrum unter der Schirmherrschaft der senegalesischen Botschaft, in dem es darum gehe, Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückzuführen.

Ein ganzes Arsenal an Waschmaschinen und Kühlschränken steht zum Abtransport bereit. © Andreas Schröter
In die ehemalige Grundschul-Zweigstelle zieht, falls der Rat grünes Licht gibt, wie berichtet der Verein Sozial Ökologisches Zentrum (SÖZ).
Ich fahre täglich durch den Dortmunder Nordosten und besuche Menschen, die etwas Interessantes zu erzählen haben. Ich bin seit 1991 bei den RN. Vorher habe ich Publizistik, Germanistik und Politik studiert. Ich bin verheiratet und habe drei Töchter.
