Die Anwohner der Grazstraße und der Hilbckstraße in Eving wissen ein Lied davon zu singen. Immer wieder mussten sie in diesem Jahr ihre Restmülltonnen wegen zugeparkter Straßen entweder selbst zu einem Sammelpunkt ziehen oder die Abfallbehälter wurden von der Entsorgung Dortmund (EDG) nicht geleert.
Diese Praxis droht künftig allen Dortmundern, die in schmalen Stichstraßen und Sackgassen ohne Wendehammer wohnen. Grund sind allerdings nicht allein zugeparkte Straßen, sondern eine seit 2016 geltende Branchenregel der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), mit der das Rückwärtsfahren von Müllwagen möglichst vermieden werden soll.
EDG: „Regelungsnotwendigkeit“
Die CDU-Fraktion im Finanzausschuss stolperte über den entsprechenden Punkt in der neuen Abfallsatzung 2023, die auf der Tagesordnung der Ratssitzung am Donnerstag, 10. November steht. Wer in oben genannten Straßen nicht selbst die Tonne zum Sammelpunkt ziehen will, soll extra zahlen.
Die EDG begründet diese „Regelungsnotwendigkeit“ mit der Vermeidung von Unfallgefahren sowie zum Schutz von Müllwerkern und Anwohnern. Betroffen seien Grundstücke, die mit den eingesetzten Sammelfahrzeugen „aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen“ nicht erreicht werden könnten.
Straßen unter 3,50 Meter
Darunter fallen insbesondere Grundstücke, deren Zuwegungen, sprich Straßen und Wege, unter 3,50 Meter breit sind „sowie Grundstücke in Sackgassen und Stichstraßen ohne ausreichende Wendemöglichkeit“, heißt es im Satzungsentwurf. Solche Stichstraßen gibt es viele in Dortmund, vor allem in Wohnsiedlungen aus den 50er-Jahren.
Die Anwohner solcher Straßen sollen „künftig dazu verpflichtet werden können, ihre Abfallbehälter für die jeweilige turnusmäßige Leerung an eine für die Sammelfahrzeuge erreichbare Stelle zu bringen“, lautet der Formulierungsvorschlag für die neue Abfallsatzung.
Extragebühren
Bislang ist eine Verpflichtung zu einem Eigentransport der Abfallbehälter auf Grundlage der Dortmunder Abfallsatzung nicht möglich, sondern nur auf Antrag von Anwohnern.
Wer in solchen Straßen nicht bereit ist, künftig selbst Hand an die Mülltonnen zu legen, und alles in den Händen der Müllwerker lassen will, zahlt mehr. Die Höhe der zusätzlichen Gebühren richtet sich nach der Entfernung zum nächstmöglichen Standplatz des Müllwagens, gestaffelt von 21,15 Euro Jahresgebühr für den Transport über 15 bis 30 Meter bis hin zu 84,63 Euro für mehr als 60 Meter.
Im Finanzausschuss am Freitag (4.10.) kam Widerspruch vom finanzpolitischen Sprecher der CDU, Sascha Mader: „Was die EDG sich wünscht, ist okay, muss man aber nicht in allen Fällen machen.“ Die Straßenverkehrsordnung sehe beides – das Vorwärts- und das Rückwärtsfahren – „ohne weiteres“ vor.
CDU fordert klare Regelung
Zudem lege die Satzung nicht konkret fest, wohin die Abfalltonnen dann gebracht werden müssten und was im Einzelfall zumutbar sei. „Wie soll das in der Praxis funktionieren? Wo sollen die Mülltonnen künftig stehen? Die Bürger müssen die Möglichkeit haben, sich rechtskonform zu verhalten“, kritisierte Mader und forderte „eine klare Regelung“.
Immer häufiger würden die Zufahrten enger, verteidigte Ralf Rüddenclau von der Stadtkämmerei das Vorgehen der EDG, und man berücksichtige damit die Vorgaben der DGUV.
Auf Anfrage dieser Redaktion erklärte EDG-Sprecher Matthias Kienitz am Montag (7.11.), eine Satzung sei nur in der Lage, allgemeingültige Tatbestände zu beschreiben: „Die Lösungen sind im Einzelfall zu vereinbaren.“ Zudem sei die Erreichbarkeit der Mülltonne vom Kunden sicherzustellen. „Das steht auch so in der Satzung.“
Immer wieder habe die EDG Haftpflichtfälle wegen beschädigter Außenspiegel und überfahrener Randstreifen in zu engen Straßen, sagte Kienitz. Und nicht nur die EDG, die bereits vier kleinere Fahrzeuge angeschafft habe, sondern auch andere kommunale Entsorgungsunternehmen setzten diese seit Jahren geltende Regelung um.
Rat muss entscheiden
Kienitz führt auch die Produktivität ins Feld, die sinke, wenn Müllwerker 100 Meter und mehr in die Straßen laufen müssten, um die Mülltonnen zu holen. Das könne man nicht auf alle Gebührenzahler umlegen.
Wie geht es nun weiter? Der Finanzausschuss reichte die Entscheidung über die Satzung ohne Empfehlung durch an den Rat – allerdings mit dem Auftrag an die Verwaltung, bis Donnerstag einen detaillierten Formulierungsvorschlag für die Satzung zu liefern. Fällt der zufriedenstellend aus, dürfte der Rat die Satzung abnicken.
Allerdings ist auch denkbar, dass der strittige Punkt vorläufig aus der Satzung herausgenommen und noch einmal diskutiert wird.

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