„Welch ein einmaliges Erlebnis“ Waltroperinnen genießen ihre Hauptrolle vor 81.365 Zuschauern

Waltroperinnen genießen ihre Hauptrolle vor 81.365 Zuschauern
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Sky-Interview, Smalltalk mit BVB-Abwehrrecke Nico Schlotterbeck, ein fröhliches „Hallo“ von Borussias Mats Hummerls, der ruft: „Da seid Ihr ja wieder!“ Die Erkenntnis, wie eng der Spielertunnel im Signal-Iduna-Park ist und wie beeindruckend die Choreo der „Süd“ war. Als die ehemaligen Fußballerinnen des VfB Waltrop nach ihrem ganz großen Auftritt am Samstag (6.4.) anlässlich des 50. Geburtstags des „Westfalenstadions“ auf der Rückfahrt waren, waren sie einfach nur geflasht.

Sieben Stunden zuvor: Die 13 Waltroperinnen, die am 2. April 1974 das allererste Spiel überhaupt im Westfalenstadion bestritten hatten, treffen sich am Marktplatz in Waltrop. Sie haben einen kleinen Bus gebucht, noch vor der Ampel an der Kreuzung Berliner Straße gibt‘s das erste Sektchen. Die Stimmung ist prächtig. Die eine gibt offen zu: „Jetzt bin ich aufgeregt.“ Die andere meint: „Ich freue mich einfach nur.“ Das Eierlikörchen an der Auffahrt zur Autobahn macht die Runde.

Die 50-Jahre-Legenden wissen, was auf sie zukommt. Sie dürfen mit den Spielern von Borussia Dortmund und VfB Stuttgart auflaufen.

Frauen sitzen in einer Kabine auf Bänken.
In einer Kabine des Stadions Rote Erde wurden die Damen eingekleidet. © Christine Horn

Kaum aus dem Bus ausgestiegen, treffen sie auf Borussenfans aus Freiburg. Jene ziehen den Hut vor den Damen, versprechen, später ganz genau hinzuschauen. Um 16.30 Uhr geht’s am Strobels durch einen Sondereingang ins Stadion, dort treffen sie auf ihren Gegner von 1974: die Spielerinnen aus Mengede. Ein großes Hallo, auch mit der damaligen Schiedsrichterin Marita Dossow. Eine Gegnerin von damals hält Ballons in der Hand. Darauf stehen die Namen der bereits verstorbenen Spielerinnen. Auch aus dem Kreis der Waltroper Spielerinnen sind zwei nicht mehr da: Barbara Gersmann und Brigitte Reisch.

Von der einstigen VfB-Truppe fehlt zudem Renate Seliger, die in Portugal lebt und nicht kommen konnte.

Im Kabinen-Bereich des Stadions Rote Erde wird‘s kribbelig. Sky-Reporter Sebastian Hellmann geht vorbei. „Der sieht in echt ja noch besser aus als im Fernsehen“, ist zu hören. Sky-Experte Lothar Matthäus wird sein Spitzname „Lodda“ hinterhergerufen. Der dreht sich lachend um und sagt: „Hallo!“ Im Kabinengang wird die Stimmung noch heiterer: An der Kabine, die für die meist End-Sechzigerinnen vorgesehen ist, steht: „Einlaufkinder“. Dort werden sie eingekleidet, bekommen schwarze Sneaker, ein T-Shirt und eine Jacke, erhalten die Akkreditierungen.

Margret Schäferhoff im Sky-Interview

In der „Rote-Erde“-Kneipe gibt’s noch einen Snack und ein Getränk. Margret Schäferhoff und Ute Meth machen große Augen, als sie erzählen, was gleich auf sie zukommt. „Ich muss zum Sky-Interview“, verrät Margret Schäferhoff, Kopf und gute Seele der Truppe. Und Ute Meth? „Zum Stadiongespräch mit Nobby Dickel.“

Dann geht’s Schlag auf Schlag. Der Zeitplan sieht vor, dass sie längst das Mannschaftsfoto von 1974 auf dem heiligen Rasen nachstellen sollen. Doch die Mannschaftsbusse des BVB und des VfB Stuttgart versperren den Weg. Um das Protokoll nicht gänzlich zu sprengen, dürfen sie dann doch passieren. Jetzt gibt‘s kein Zurück mehr.

Menschen stehen auf dem Rasen des BVB-Stadions.
Margret Schäferhoff aus Waltrop wird für das Interview mit Sky-Reporter Patrick Wasserziehr auf dem Rasen des BVB-Stadions verkabelt. © Christine Horn

Und dann stehen sie genau dort, wo sie schon vor einem halben Jahrhundert standen: auf dem Rasen des Westfalenstadions. Die Anspannung fällt ab, sie genießen das Fotoshooting. Margret Schäferhoff wird verkabelt, steht Sky-Reporter Patrick Wasserziehr Rede und Antwort. Ute Meth wird dann doch nicht von BVB-Legende Nobby Dickel interviewt. Eine Mengeder Spielerin und die Schiedsrichterin Marita Dossow reichen ihm. „Das macht gar nichts“, erscheint Ute Meth fast erleichtert, das Lampenfieber war schon groß.

Es geht zurück zur „Roten Erde“, das „Einlaufen“ mit den Spielern wird geübt.

Frauen stehen auf dem Rasen des Westfalenstadions.
Vor dem Spiel wurde das Mannschaftsfoto von 1974 nachgestellt. © Christine Horn

Ein besonderer Moment: Sie dürfen durch den Spielertunnel des Westfalenstadions gehen, ein Bereich, in den sonst fast niemand kommt. „Der war ganz schön eng“, wundern sie sich. Die Ersatzspieler, die zuerst aus den Kabinen kommen, seien locker drauf gewesen. „Und dann kam Nico Schlotterbeck, der hat uns sofort abgeklatscht.“ Dass Mats Hummels - dem waren sie am Dienstag, 2. April, beim Ballgeflüster schon begegnet - sie erkennt und sagt: „Da seid Ihr ja wieder“, geht runter wie Öl.

Letztlich geben die Waltroperinnen den Mengederinnen den Vortritt. Diese dürfen mit den BVB-Stars auf den Rasen laufen. In welchen Stuttgarter Arm sich die Waltroperinnen eingehakt haben, wissen sie nicht. Der einmalige Blick auf die Geburtstags-Choreografie - den werden sie nie wieder vergessen. „Und das Schönste war, dass beim Aufstellen noch einmal alle BVB-Spieler uns abgeklatscht haben“, ist der einhellige Tenor der tief beeindruckten Damen-Truppe aus Waltrop.

Auf einer Tribüne halten Zuschauer gelbe und schwarze Papiere in die Höhe, so dass das Wort Stadion erscheint.
Die Choreografie anlässlich des 50. Stadions-Geburtstags war imposant. © Christine Horn

Das Spiel verfolgen sie im Familienblock. „Es war ein so toller Tag, nur das Spiel war nix“, lautet das Urteil nach der 0:1-Niederlage des BVB. Als sich Margret Schäferhoff dann nach einem langen Tag in den Sitz des Busses zurücklehnt, sagt sie: „Ich war nicht aufgeregt. Ich habe das einfach nur genossen. Welch ein einmaliges Erlebnis.“ Darauf noch ein kleines Eierlikörchen.

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