
© Oliver Schaper
Verliert der Warnstreik in Dortmund seine Wirkung – oder macht er mürbe?
Streiktag im Überblick
Der Warnstreik als Ritual: Einmal mehr sind am Dienstag Busse und Bahnen in den Depots geblieben, einmal mehr waren Kitas dicht oder blieben städtische Dienstleistungen aus. War es das nun?
Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes haben am Dienstag erneut das Mittel des Warnstreiks gewählt, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Ein Ritual, das in seiner Wiederholung einmal mehr besonders Pendler und Eltern zu spüren bekommen haben: Busse und Bahnen standen am Dienstag still, 84 der 99 Fabido-Kindertagesstätten blieben geschlossen. Auch wer die Dienste der Sparkasse in Anspruch nehmen wollte, musste in vielen Dortmunder Filialen auf den Selbstbedienungsbereich ausweichen. Und auch viele Mitarbeiter der städtischen Eigenbetriebe legten ebenfalls ihre Arbeit nieder.
Streiktag in Dortmund - das bedeutet zunächst Stau im Bereich der Innenstadt. Viele wichen aufs Auto aus. Hinzu kam dieses Mal, dass die zentrale Verdi-Kundgebung auf dem Südwall stattfand. Damit die Bühne mitsamt Riesenleinwand aufgebaut werden konnte, war der Wall an dieser Stelle ab 4 Uhr morgens gesperrt.

Auch der Südwall war gesperrt. Das führte zu Staus rund um die Dortmunder Innenstadt. © Schaper
1500 Teilnehmer aus Dortmund und benachbarten Verdi-Bezirken waren zu der Kundgebung gekommen, da habe aus Infektionsschutzgründen der stadtverkehrsfreundlichere Friedensplatz nicht ausgereicht, heißt es vonseiten der Gewerkschaft.
Verdi: Mehr Teilnehmer vor Ort wären möglich gewesen
Dass noch mehr hätten kommen können, machten die Gewerkschafter mit roten Kreuzen deutlich, die sie auf die Fahrbahn malten. „Mit Abstand hat das nichts zu tun“, sagte eine Teilnehmerin auf die Frage unseres Reporters. Vielmehr seien bewusst weniger Menschen gekommen, um andere nicht zu gefährden. Die meisten Teilnehmer trugen übrigens einen Mund-Nasenschutz und hielten deutlich Abstand.
Das Ritual - ÖPNV dicht, Kitas dicht, Stadtverwaltung dicht, Arbeit in den Krankenhäusern eingeschränkt - haben die Dortmunder in den vergangenen Wochen nun in verschiedenen Varianten mehrfach erlebt. Offenbar tritt ein Gewöhnungseffekt ein, denn die ganz große Aufregung blieb aus.
Es gab weniger Staus, es strandeten weniger vor geschlossen Stadtbahn-Zugängen und selbst Beschwerden schien es weniger zu geben. Vielmehr herrscht in den Reaktionen in den sozialen Netzwerken Unverständnis ob der aktuellen Coronalage. Verbunden mit der Frage, ob ein Warnstreik in dieser Phase sein müsse.
Wegen Streiks: Kaum Kunden im Blumenstudio
Einen Selbstständigen trifft der Streik aber hart: Das Blumenstudio Evels hat an ÖPNV-Streiktagen eine besonders ungünstige Lage: Es liegt im Bahnhofstunnel Am Freistuhl/ Hauptbahnhof. „Es kommen nicht nur wenige Kunden, sondern wenn der Wall gesperrt ist, kann unser Lieferwagen die Blumen nicht an den Laden liefern“, sagt Besitzer Leo Evels. Für den Streik hat er wenig Verständnis: „Überall arbeiten Menschen in Kurzarbeit und haben teilweise Existenzangst. Aber die gehen trotzdem streiken.“

Leo Evels vom Blumenstudio Evels trifft der ÖPNV-Streik besonders hart. Kommen keine Pendler, bleiben die Kunden weitgehend aus. Sein Studio liegt im Tunnel zur Stadtbahn-Haltestelle Am Freistuhl. © Nick Kaspers
Mit ganz anderen Tücken hatte ein Kranfahrer zu kämpfen, mit dessen riesigem Fahrzeug der größte Weihnachtsbaum der Welt auf dem Hansaplatz errichtet werden soll. Da es für ihn nicht über den Südwall ging, fuhr er über den Westenhellweg. Dort wurde es jedoch recht eng für das Gefährt.
Warnstreik in Dortmund - Der Streiktag in Bildern
Fronten im Arbeitskampf verhärtet
Die Fronten im öffentlichen Dienst zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sind verhärtet. Martin Steinmetz, Gewerkschaftssekretär von Verdi Westfalen, hat im Gespräch mit unserer Redaktion das Angebot der Arbeitgeberseite entschieden zurückgewiesen. Es sei eine Frechheit. Trotzdem hoffe er, dass die Veranstaltung Wirkung gezeigt habe und sie die letzte dieser Art in diesem Arbeitskampf sei.
Ob der Streik nun seine Wirkung verliert, indem er zum Ritual wird oder es eben die Ritualisierung dieses Arbeitskampfes ist, die die Arbeitgeber mürbe macht, wird die nähere Zukunft zeigen. Es wird in Dortmund wohl noch den einen oder anderen Tag nach ähnlichem Muster geben.
Leitender Redakteur, seit 2010 in der Stadtredaktion Dortmund, seit 2007 bei den Ruhr Nachrichten.

2000 in Heinsberg geboren, seit 2020 als freier Mitarbeiter bei den Ruhr Nachrichten. Ich studiere Journalistik und Politikwissenschaft in Dortmund. Mit 16 Jahren habe ich meine ersten Erfahrungen im Lokaljournalismus gemacht - und dort fühle ich mich zuhause.
