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Neonazi-Gruppe C18 verübte 41 Straftaten in Dortmund – trotzdem gab es hier keine Razzia
Combat-18-Verbot
Die rechtsextreme C18-Gruppierung ist verboten worden. In sechs Bundesländern kam es zu Durchsuchungen. In Dortmund, seit Jahren eines der Zentren der Gruppierung, gab es keine Durchsuchung.
Die Chiffre C18 ist in Dortmund bei entsprechenden Demos oft zu sehen gewesen. Sie steht für Combat 18, was sich mit „Kampfgruppe Adolf Hitler“ übersetzen lässt.
Die ursprünglich Anfang der 1990er-Jahre in Großbritannien gegründete C18-Gruppierung gilt als bewaffneter Arm der rechtsextremistischen Vereinigung „Blood&Honour“ (Blut & Ehre). Während „Blood&Honour“ im Jahr 2000 in Deutschland verboten wurde, konnte C18 weiter agieren. Bis dann am Donnerstag (23.1.), 20 Jahre später, das Verbot folgte. Die Chiffre und das dazugehörige Logo, ein Drache, sollten in Zukunft weniger oft offen zu sehen sein.
Mindestens bis ins Jahr 2005
C18 hat eine lange Geschichte in Dortmund. Sie reicht nach Recherchen unserer Redaktion mindestens bis ins Jahr 2005 zurück. Damals, so steht es in einem „Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuften Papier, observierte der Verfassungsschutz in der Stadt.
Rechtsradikale wollten laut Quellenlage eine „Kampftruppe aus sieben Personen um G.“ ausbilden. Marko G. ist der Sänger der Band Oidoxie, sie galt und gilt als C18-Band und hat der Gruppierung eine eigene Hymne gewidmet. Weiter hat G. ein großes C18-Tattoo auf der Brust. Dennoch wehrte sich der Sänger der Band juristisch dagegen, von der Bild-Zeitung als „Schlüsselfigur von C18“ bezeichnet zu werden.
Viele Anhänger wohnen hier oder begingen hier Straftaten
Auf eine kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Verena Schäffer (Grüne) zu C18 in NRW antwortete die Landesregierung Ende September 2019, dass zu der Zeit in Dortmund mindestens vier Combat-18-Anhänger gemeldet waren. In ganz NRW wohnen vier weitere Anhänger, bundesweit gibt es insgesamt rund 20.
Es gab in der Antwort der Landesregierung noch ein weiteres Dokument, das die starken Bezüge von C18 nach Dortmund belegt. Ende 2017 hatte sich das Bundeskriminalamt dafür interessiert, welche Straftaten die C18-Mitglieder in der jüngeren Vergangenheit begangen hatten. Und auch, wie viele.
12 C18-Anhänger wohnten damals in NRW, zusammen kamen sie auf 84 teils erhebliche Straftaten, 41 davon geschahen in Dortmund.
Besuch in Castrop-Rauxel
Dennoch kam es am Donnerstagmorgen in Dortmund zu keiner Durchsuchung im Zusammenhang mit dem C18-Verbot. In NRW klingelten die Sicherheitsbehörden lediglich in Castrop-Rauxel bei Robin S..
S. trägt ein Tattoo mit C18-Bezug auf der Wade, ist einschlägig vorbestraft, unter anderem schoss er bei einem missglückten Raubüberfall in Dortmund einen Tunesier an. Aufgrund seiner Knasterfahrung - dort schrieb er sich Briefe mit Beate Zschäpe vom NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) - und seiner jahrelangen engen Bindung an die Szene gilt er heute als eine der zentralen Figuren der Gruppierung.
Kurz nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübke im Juni 2019 tauchte ein Video auf, aufgenommen in einem Waldstück. Dort bestreitet ein vermummter Mann die Verbindung von Stephan E. zu C18. E. gilt als der Tatverdächtige im Mordfall Lübke, der vermummte Sprecher in dem Video wiederum ist nicht nur für den Verfassungsschutz Robin S..
Seltene Wortmeldung
Das Video ist eine der seltenen Wortmeldungen der am Donnerstag verbotenen Gruppierung, sein Erscheinungsdatum dagegen ist wenig überraschend. Verena Schäffer von den Grünen: „Die öffentliche Diskussion nach dem Tod von Walter Lübke hat auch zu einer höheren Sensibilität bei den Sicherheitsbehörden zum Thema Rechtsextremismus geführt.“ Das muss auch den Rechtsextremen selbst schnell klar gewesen sein.
Ankündigung einer Verbotsüberprüfung
Aus mindestens drei Bundesländern waren damals Forderungen nach einem Verbotsverfahren von rechtsextremistischen Organisationen oder Vereinen laut geworden, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte an, Verbote von rechtsextremen Gruppierungen zu prüfen.
Öffentliche Diskussionen
Was ebenfalls eine Merkwürdigkeit darstellt, denn mit dieser Ankündigung gab er den Mitgliedern solcher Gruppen aureichend Zeit, sich entsprechend auf Durchsuchungen vorzubereiten. Dazu die Landtagsabgeordnete Schäffer: „Normalerweise gilt der Grundsatz: Über Verbote redet man nicht, man führt sie durch. Allerdings gab es in den letzten Jahren zu Recht eine öffentliche Diskussion zur Gefahr von C18 und zur Notwendigkeit eines Verbotes.“
Nicht das erste Verbot
Was das Verbot für Folgen hat, wird sich zeigen. Im Sommer 2012 war der sogenannte „Nationale Widerstand Dortmund“ vom damaligen NRW-Innenminister Ralf Jäger verboten worden. Viele der damaligen Mitglieder sammelten sich daraufhin in der rechtsextremen Splitterpartei „Die Rechte“, deren Bundeszentrale heute in Dortmund sitzt.
Marko G., der Mann, der sich nach dem Tod Lübkes juristisch von C18 entfernte und angab, nie Mitglied gewesen zu sein, wurde in der letzten Zeit mit einem Logo auf seinen Klamotten gesehen. „Brothers of Honour“ stand da zu lesen. Verboten ist das im Gegensatz zu „Blood&Honour“ nicht. Aber es könnte ein Hinweis sein.
Ich wurde 1973 geboren und schreibe seit über 10 Jahren als Redakteur an verschiedenen Positionen bei Lensing Media. Als problematisch sehen viele meiner Kollegen oft die Länge meiner Texte an. Aber ich schreibe am liebsten das auf, was ich selber bevorzugt lesen würde – und das darf auch gerne etwas länger sein.
