Startklar um kurz vor 22.30 Uhr, Aussteigen nach der Landung noch bis 23.30 Uhr: Diese Regelung scheint ein Auslaufmodell zu sein. Das OVG hat die Nachtflugregel des Dortmunder Flughafens für rechtswidrig erklärt, was in Unna durchaus Freude auslöst.

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2:0 gegen den Nachtflug: Unna feiert das Urteil des OVG in Münster

rnFlughafen Dortmund

Das OVG-Urteil zu den Nachtflügen am Flughafen Dortmund bringt Unna die Hoffnung auf mehr Ruhe. Erste Reaktionen feiern den Sieg vor Gericht. Dabei ist noch gar nicht sicher, wie endgültig er ist.

Unna, Dortmund

, 26.01.2022, 17:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Im Kampf gegen Fluglärm nach 22 Uhr war die Region erfolgreich, wieder einmal. Wie schon im Jahr 2015 erklärte das Oberverwaltungsgericht Münster nun auch die neue Betriebszeitengenehmigung des Dortmunder Flughafens für „rechtswidrig und nicht vollziehbar“. Gefeiert wird das Urteil heute durchaus deutlicher als damals. Dabei ist längst nicht absehbar, wann der Flugbetrieb tatsächlich beschnitten wird.

„Endlich wird die Salami-Taktik gestoppt“, jubelten der hiesige Landtagsabgeordnete Hartmut Ganzke und Unnas SPD-Chef Sebastian Laaser nach dem Urteilspruch in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Damit nehmen sie Bezug auf eine Metapher der Schutzgemeinschaft Fluglärm, nach der der Flughafen die Ausweitung der Betriebszeiten und den Ausbau der Start- und Landebahn in kleinen Abschnitten verabreichen wolle, die vielleicht leichter verdaulich erscheinen. Mit dem Urteil des höchsten Verwaltungsgerichtes in NRW würden die Ausbaupläne des Flughafens „endlich gestoppt“.

Vom „Ende der Salamitaktik“ sprechen der aus Massen stammende Landtagsabgeordnete Hartmut Ganzke (SPD, Bild) und Unnas SPD-Chef Sebastian Laaser. Die Ausbaupläne des des Dortmunder Flughafens würden nun gestoppt.

Vom „Ende der Salamitaktik“ sprechen der aus Massen stammende Landtagsabgeordnete Hartmut Ganzke (SPD, Bild) und Unnas SPD-Chef Sebastian Laaser. Die Ausbaupläne des des Dortmunder Flughafens würden nun gestoppt. © privat

Massens Ortsvorsteher Dr. Peter Kracht spricht von einem „beachtlichen Urteil“, das in einer seit vielen Jahren umstrittenen Frage Klarheit bringe. „Das ist ein großer Erfolg“, sagt er. „Jeder in Massen wird sich darüber freuen. Selbst wenn der Flughafen mit Hilfe der Behörde Rechtsmittel einlegt und eine aufschiebende Wirkung erzielt, hat das Urteil ja wohl Bestand. Die Nachtflüge sind gesetzeswidrig, und jetzt hoffen wir alle auf mehr Ruhe.“

„Jeder in Massen wird sich darüber freuen“, sagt Dr. Peter Kracht. Massens Ortsvorsteher nennt die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Münster ein „beachtliches Urteil“ und einen „großen Erfolg“.

„Jeder in Massen wird sich darüber freuen“, sagt Dr. Peter Kracht. Massens Ortsvorsteher nennt die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Münster ein „beachtliches Urteil“ und einen „großen Erfolg“. © Udo Hennes

Mario Krüger, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Fluglärm, zeigte sich nach dem Verkündungstermin am Mittwochvormittag in Münster überrascht. Der Gang der Verhandlung am Vortag habe ihn zunächst sogar pessimistisch gestimmt, was den Ausgang des Verfahrens angeht. „Jetzt bin ich aber sehr zufrieden“, sagt er nach der Urteilsverkündung. „Offen gestanden war ich mit einer anderen Erwartung dorthin gefahren. Aber das Gericht hat die Lärmschutzbelange der Bevölkerung berücksichtigt und klargestellt, dass die Bezirksregierung diese Fragen unzulässig außer Acht gelassen hat.“

Mario Krüger von Schutzgemeinschaft Fluglärm hatte nicht unbedingt an einen Erfolg vor Gericht geglaubt, war dann aber doch freudig überrascht und „sehr zufrieden“.

Mario Krüger von Schutzgemeinschaft Fluglärm hatte nicht unbedingt an einen Erfolg vor Gericht geglaubt, war dann aber doch freudig überrascht und „sehr zufrieden“. © Udo Hennes

In eine etwas undankbare Position war die Stadt Unna geraten. Denn der Erfolg vor dem OVG war allein von den fünf privaten Klägern aus der Nachbarschaft errungen worden. Die Klage der Stadt hingegen hatte das OVG als unbegründet abgewiesen, weil sie innerhalb einer gesetzten Frist „keine hinreichend substantiierten Tatsachen angegeben (habe), aus denen sich ergibt, unter welchen Gesichtspunkten die Genehmigung angegriffen wird und warum diese rechtswidrig sein soll“, so das Gericht.

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Auf Nachfrage stellte die Stadt klar, dass ihr Anwalt keinesfalls eine Frist versäumt habe. Das Gericht habe seine Eingabe allerdings nicht als gültig eingestuft, eben wegen des besagten Mangels an „substantiierten Tatsachen“. Die Stadt bewerte diese Frage anders, halte sie nun angesichts des Gesamtergebnisses aber auch für nebensächlich. Auch Bürgermeister Dirk Wigant (CDU) werte das Urteil als einen Erfolg für Unna. Ihm gehe es vorrangig um den Schutz der Bürgerinnen und Bürger, hieß es aus dem Rathaus.

Mit „Freude und auch Erleichterung“ hat Unnas Bürgermeister Dirk Wigant die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Münster aufgenommen. „Für uns steht der Schutz der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Unna an erster Stelle. Deshalb freue ich mich auch, dass das Gericht in seiner Entscheidungsfindung dem Lärmschutz der Bürgerinnen und Bürger deutlichen Vorrang eingeräumt hat“, sagte er.

Mit „Freude und auch Erleichterung“ hat Unnas Bürgermeister Dirk Wigant die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Münster aufgenommen. „Für uns steht der Schutz der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Unna an erster Stelle. Deshalb freue ich mich auch, dass das Gericht in seiner Entscheidungsfindung dem Lärmschutz der Bürgerinnen und Bürger deutlichen Vorrang eingeräumt hat“, sagte er. © Udo Hennes

Nachtflugregel behält vorerst ihre Gültigkeit

Wann dieser Schutz tatsächlich wirkt, ist dabei noch offen. Als „nicht mehr vollziehbar“ gilt die 2018er-Betriebszeitengenehmigung, wenn das Urteil aus Münster rechtsgültig wird. Dieser Zeitpunkt hängt von mehreren Einflussgrößen ab.

Zunächst müssen die Richter die Urteilsbegründung verschriftlichen. So etwas dauert erfahrungsgemäß so lange, wie es eben dauert. Nach der Zustellung haben die fünf Kläger und die Bezirksregierung Münster als Beklagte noch die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen. Dafür wird ihnen eine Frist von vier Wochen eingeräumt.

Über die Wahrscheinlichkeit eines Vetos und über dessen Erfolgsaussichten lässt sich derzeit allenfalls spekulieren. Das OVG selbst hat eine Revision ausdrücklich nicht zugelassen. Die Bezirksregierung Münster könnte zunächst Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegen, um dann den Sachverhalt an das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heranzutragen. In diesem Fall hätte das Rechtsmittel aufschiebende Wirkung und der Flugbetrieb in Dortmund könnte weiterhin bis 23.30 Uhr laufen.

Flughafen kann jederzeit neuen Anlauf unternehmen

Mario Krüger von der Schutzgemeinschaft Fluglärm hält dies für eher theoretisch. „Bislang war es immer so, dass das Urteil der hiesigen Verwaltungsrichter akzeptiert wurde“, so Krüger. Dem Flughafen stünden überdies andere Wege offen, seine Interessen zu vertreten. „Er könnte jederzeit einen neuen Antrag stellen. Dann würde das Verfahren neu anlaufen und am Ende neu beschieden werden, wie schon 2015.“ Auch diesmal stellte das OVG zum Verständnis klar, dass die aufgezeigten Mängel „heilbar“ seien und in einem ergänzenden Verfahren behoben werden könnten.

Gegen Landebahnverlängerung und Nachtfluggenehmigung sind die Menschen in der Region zu Hunderten auf die Straße gegangen. Einen Erfolg erzielten jetzt fünf betroffene Anlieger mit einer Klage am Oberverwaltungsgericht.

Gegen Landebahnverlängerung und Nachtfluggenehmigung sind die Menschen in der Region zu Hunderten auf die Straße gegangen. Einen Erfolg erzielten jetzt fünf betroffene Anlieger mit einer Klage am Oberverwaltungsgericht. © Udo Hennes

Was den erneuten Richterspruch zur Nachtflugregel von dem Urteil damals unterscheidet und nun die Hoffnung auf stärkere Wirkung nährt, ist die Klarheit in der Sache. Die Richter sprachen von einer Abwägung zwischen den Belangen des Flughafens und denen der Bevölkerung. Dabei habe die Bezirksregierung eine Waagschale gründlich gefüllt, die andere zu nachlässig. So habe die Behörde in den betroffenen Gebieten einen allgemeinen Grundpegel an Lärm angenommen, der als Bagatellgrenze außer Acht bleiben könne.

Tatsächlich aber sei es in manchen Wohngebieten zumindest zwischen den Flügen viel ruhiger, so die Richter. Und: Spitzenpegel durch den Überflug eines Flugzeuges, also die eigentlichen Wachmacher, habe die Behörde gar nicht berücksichtigt. Diesen Fehler kann sie sich auch in einem erneuten Verfahren nicht mehr gönnen.

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