Eine Jagdreise buchen, um große Wildtiere zu erlegen und Trophäen zu sammeln – der Protest dagegen gehört seit Jahren zur Begleitmusik von Europas größter Jagdmesse, der „Jagd und Hund“ in den Dortmunder Westfalenhallen. Dort boten zuletzt über 80 Aussteller Trophäenjagdreisen an, auch auf bedrohte und geschützte Arten, darunter Elefanten, Löwen, Leoparden, Nashörner und Eisbären.
Zuletzt hatten 30 Tier- und Artenschutzorganisationen Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal in einem offenen Brief aufgefordert, Stände für Trophäenjagden aus dem Messe-Angebot zu streichen. Die Stadt ist alleinige Gesellschafterin der Westfalenhallen GmbH.
Bei den Ausstellungs-Verantwortlichen verhallte der Widerspruch bislang mehr oder weniger ungehört. Immerhin: Eine neu eingerichtete Ethikkommission der Stadt, die nach der Sommerpause ihre Arbeit aufnimmt, soll über den Umgang mit Trophäenjagd-Angeboten beraten.
Schießen lernen an einem Tag
Ein verdeckt aufgenommenes Video bei der Messe im vergangenen Januar mit verstörenden Szenen könnte den Ratsmitgliedern in der Ethikkommission die Empfehlung an den Rat erleichtern und ein Umdenken bei den Dortmunder Ratsmitgliedern bewirken. Ein halbes Jahr nach dem Messetermin wurde es jetzt ins Netz gestellt.
In dem Video decken Undercover-Reporter des italienischen Newsportals Kodami auf, dass an Ständen von Trophäenjagden selbst unerfahrenen Besuchern Jagdreisen verkauft werden mit der Zusage, man werde ihnen das Jagen im Ein-Tages-Workshop beibringen. Die Waffen kann man für 30 Euro am Tag leihen.
Außerdem brüsten sich Aussteller damit, ihre fünf- oder achtjährigen Kinder an Gewehre zu lassen, um wildlebende Tiere zu töten. Im Video sind Fotos von Kindern zu sehen, die unter anderem neben einem toten Bären und einem erlegten Löwen posieren.
Familiäre Atmosphäre
Auch im Film festgehalten: Auch auf der Messe selbst hantieren Kinder an Gewehren, während im Hintergrund großflächige Videoaufnahmen von getöteten Tieren laufen. Messe und Aussteller schafften eine familiäre Atmosphäre und normalisierten so das Jagen für Kinder, so der Vorwurf der Reporter.

Die Filmaufnahmen konzentrieren sich auf den Bereich, der im Video als Pavillon 8 bezeichnet wird. Allerdings waren die Stände mit den umstrittenen Jagdreisen in diesem Jahr weitgehend in Halle 7.
„Falsche Mythen“
Tierschutzorganisationen wie „Pro Wildlife“ und „Human Society“ kritisieren die bei der Messe angebotenen Trophäenjagden, weil sie gefährdete Tiere „an den Rand der Ausrottung treiben können.“ Humane-Society-Exekutivdirektor Ruud Tombrock sieht in dem Undercover-Video aus Dortmund einen Beweis, dass Trophäenjäger „ihre Leidenschaft für das Gemetzel und ihre völlige Respektlosigkeit gegenüber Tieren nicht lange verbergen können, wenn sie sich auf Messen und Kongressen wie der Jagd & Hund versammeln.“
Der von der Jagdlobby propagierte wirtschaftliche Ertrag der Trophäenjagd für die Menschen vor Ort sei maßlos übertrieben, kritisieren die Undercover-Journalisten im Video. Mit Fotosafaris sei für die Länder mehr zu verdienen. Tombrock spricht von „falschen Mythen“, mit denen die Jagdlobby bei politischen Entscheidungsträgern und in der Öffentlichkeit hausieren gehe.
Derweil laufen die Vorbereitungen für die Jagd und Hund im Januar 2024. Zwar hatte die Messeleitung in diesem Jahr bei einzelnen Ausstellern Verstöße gegen die Messeregeln festgestellt – sie hatten die weltweit geächteten Gatterjagden auf gezüchtete Löwen angeboten –, doch grundsätzlich habe es keine Rechtsverstöße gegen das nationale und internationale Recht gegeben, lautete damals das Fazit der Ausstellungsmacher.
Rechtsnormen des Jagdlandes
Wiederholt hat die Messe Dortmund betont, dass bei angebotenen Jagdreisen die Rechtsnormen des jeweiligen Jagdlandes entscheidend seien. Auf Anfrage war am Mittwoch (11.7.) aber keine Stellungnahme der Messeleitung zu dem Undercover-Video zu bekommen.
Zum Undercover-Video erklärte Unternehmenssprecher Robin Uhlenbruch auf Anfrage, man habe in dem Video „in keinem einzigen Punkt Verstöße gegen nationale oder internationale Rechtsnormen oder Bestimmungen des Washingtoner Artenschutzabkommen“ feststellen können.

Zu den Szenen mit Kindern an Gewehren und den Berichten über Minderjährige bei der Jagd verweist Uhlenbruch darauf, dass es „in Bezug auf die Altersgrenze keine weltweit einheitlichen Vorgaben“ gebe. Die unterschiedlichen Regelungen seien „Ausdruck des kulturellen Zugangs zur Jagd“ und „das Recht souveräner Staaten.“
Jagdethische Fragen
Den Tierschützern geht es weniger um die Rechtmäßigkeit der Angebote, sondern vielmehr um Moral und Ethik. Die Messe Dortmund hält sich zugute, in jagdethischen Fragen international eine Vorreiterrolle einzunehmen. Ob sich so rechtfertigen lässt, dass die Dortmunder Westfalenhallen eine Plattform für Trophäenjagden bieten, ist eine Frage, die die Ethikkommission zu klären hat.
Auch 170 Nicht-Regierungs-Organisationen aus aller Welt fordern ein Ende der Trophäenjagd, und das Europäische Parlament hat sich ebenfalls für ein EU-weites Einfuhrverbot von Jagdtrophäen positioniert. Die Niederlande, Finnland und Belgien verbieten bereits die Einfuhr von Jagdtrophäen bestimmter Arten. In Großbritannien, Belgien, Italien, Spanien und Polen wird ebenfalls hierüber diskutiert.
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