Und dann hob das Stadion ab Meine Blitz-Meisterschaft mit Bestseller-Autor und Familie

Dann hob das Stadion ab: Blitz-Meisterschaft mit Bestseller-Autor
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Die Fotos sind alle unscharf. Aber der Tag hat sich so in mein Gedächtnis eingebrannt, dass ich eigentlich keine Fotos brauche. Ich meine den 30. April 2011. Der früheste Meister-Titel in der Geschichte von Borussia Dortmund. Als ich die Tickets – fünf an der Zahl! – Wochen vor dem Termin gekauft hatte, war es ein stinknormales Bundesliga-Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg.

Und ich wollte so viel: Meine oberbayerische Frau zum BVB bekehren. Mit meinem Kollegen Timur Vermes, mit dem ich die Journalisten-Ausbildung in Nürnberg absolviert hatte, zu einem Spiel seines Clubs mitnehmen. Mit meinen Eltern endlich mal gemeinsam ins Stadion gehen. Schulfreunde treffen, Spaß haben. Ich bekam so viel mehr: Ein meisterliches Wochenende, das sich tief in meine Seele eingebrannt hat, aus dem ich immer noch Kraft und Zuversicht ziehe.

Gut gelaunt stiegen meine Frau Melanie und ich in München, wo ich damals schon seit 13 Jahren im fußballerischen Exil lebte, in den Zug. Meine Frau, die damals eine ausgeprägte Schwäche für Marcel Schmelzer hatte, trug das erste Mal ein schwarz-gelbes Trikot. Ich hatte das Oberland-Kindl endgültig dem Moloch FC Bayern entrissen – ich war froh und stolz.

In Dortmund stießen meine Eltern und Timur Vermes dazu. Mit Timur hatte ich in Nürnberg gearbeitet. Schon als Volontär unterhielt er eine ganze Redaktion mit einer fiktiven Zeitungs-Seifenoper auf einer vorsintflutlichen Computer-Plattform. Ein Jahr später, also 2012, landete er mit der Hitler-Satire „Er ist wieder da“, einen Bestseller, der sich millionenfach verkaufte.

Wie eigentlich alle Franken, die ich kenne, liebte er auf eine sehr lakonische, weil leidgeprüfte Art seinen FCN. Er ahnte zwar, dass die Clubberer gegen den BVB, der eine „grandios Saison“ spielte, an diesem 30. April kaum eine Chance haben wird. Aber er freute sich auf das schönste Stadion der Welt.

Block 50 auf der Ost: Das Haar sitzt, die Stimmung ist gut.
Block 50 auf der Ost: Das Haar sitzt, die Stimmung ist gut. © M. Grimm

Es war ein sonniger Nachmittag. Der BVB führt schnell, damals hätte man noch gesagt: uneinholbar, mit 2:0. Wenn jetzt noch Rivale Bayer Leverkusen gegen Köln verliert, ist der BVB Meister, Plötzlich grummelt es um kurz vor 17 Uhr auf der Süd. Vereinzelte Jubelschreie, Applaus brandet auf. Dann geht das Mikro von Stadionsprecher Norbert Dickel auf: „1:0 Köln!!“ Eine Ansage, die man sich am Samstag, 27. Mai, auch wünschen würde.

Ich war vor und nach diesem Tag oft im Stadion. Aber so einen Jubel habe ich noch nie erlebt. Das Stadion bebte nicht - es fühlte sich an, als hebe es ab und krache aus 50 Zentimeter Höhe wieder aufs Fundament. Vielleicht sind auch deswegen alle Bilder unscharf. Es war epochal. Ein Kessel Glückseligkeit - überall Lachen, Kreischen, später auch Krächzen und Kieksen.

Vor dem Spiel „zu den Pferden“, nach dem Spiel in die Rote Erde. Solange die Reitanlage Richtung Fliedner-Heim noch existierte, war das das feste Programm. In meiner Erinnerung herrschte eine entspannte, glückliche Stimmung im Biergarten an der früheren Kampfbahn. Viele FCN-Fans blieben noch auf ein Bier. Ich traf Schulfreunde.

Und meine Eltern waren da. Mein Vater Johannes war froh, dass er auch die siebte Meisterschaft seiner Borussia hautnah miterleben konnte. Mit ihm war ich 1978 zum ersten Mal im Stadion, da war Otto Rehhagel noch Trainer. Ich glaube, es war das erste Mal, dass meine Mutter dabei war. Es war schön. Dieser sonnendurchflutete Meistertag ist eine bleibende Erinnerung an meinen vor zwei Jahren verstorbenen Vater.

Mit Timur habe ich am Donnerstag, 25. Mai 2023, telefoniert. Er sagte, wir sollten jetzt ja den Titel klarmachen. Sonst wären wir nicht besser als der Club. Der ist einst als amtierender Meister 1969 abgestiegen. „Der Club is a Depp“, lautet die fränkische Formulierung hierzu. Bloß nicht!

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