Die Innenstadt im Weihnachtsmarkt-Gewand, die Fenster festlich geschmückt, bei Kindern wächst die Vorfreude, der Adventstrubel nimmt zu. Die Familien, die seit April aus der Ukraine nach Dortmund gekommen sind, haben das genauso täglich vor Augen wie alle anderen in der Stadt.
„Aber in dieser Zeit spüren viele den Schmerz noch stärker“, sagt Natalya Panasyuk. Sie hilft geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern seit Beginn der russischen Angriffe im Februar. Sie ist auch jetzt da, am Weihnachten in Kriegszeiten.
„Die Papas sind an der Front“
„Bei vielen fließen Tränen, wenn sie die geschmückten Fenster oder den Weihnachtsmarkt sehen“, sagt sie. Es erinnere die Menschen daran, „dass die Papas an der Front sind oder die Großeltern nicht raus können“.
Die wenigsten, so sagt sie, hätten bei der Flucht im Frühjahr damit gerechnet, dass der Krieg im Winter noch andauern würde.
Natalya Panasyuk steht im engen Austausch mit vielen „zerrissenen“ Familien. Dazu zählt auch die von Nadila Shatalova (35), über die diese Redaktion bereits im Oktober berichtet hatte.
Allein mit zwei Söhnen
Panasyuk sagt über die Stimmung bei der jungen Frau und ihren Kindern: „Alle halten zusammen. Aber es fühlt sich nicht nach Feiertagen an.“
Mit ihren zwei Söhnen (8 Monate, 11 Jahre) hatte Nadila Shatalova im Frühjahr ihre Heimat verlassen. Baby Meron war unter Raketenbeschuss im Keller eines Krankenhauses auf die Welt gekommen.

Der Vater blieb in der Heimat und kämpft dort im Krieg. Das tägliche bange Warten auf Nachrichten hält seit Monaten an.
Pakete in die Heimat
Mittlerweile ist Shatalovas Mutter nach Dortmund gekommen und damit in Sicherheit. Im Alltagsleben kann die zerrissene Familie kleine Fortschritte vermelden. Der älteste Sohn Artur hat mittlerweile eine Schulplatz. So knüpft er erste Kontakte zu anderen Kindern.
Mit dem, was möglich ist, versuchen die meisten, den Kontakt zu ihren Verwandten zu halten. Die Spenden-Touren, zu denen Organisationen aus Dortmund nach wie vor regelmäßig aufbrechen, enthalten immer häufiger Pakete mit kleinen Geschenken an die schmerzlich vermisste Heimat.
„Wir sammeln weiter, im Augenblick hauptsächlich für ältere Menschen, die in der Süd- und Ost-Region geblieben sind“, sagt Natalya Panasyuk.
Es habe Planungen gegeben, einen Stand auf dem Weihnachtsmarkt für den Verkauf von ukrainischen Speisen zu mieten. Dies sei aber nicht umsetzbar gewesen.
Ukrainische Tradition
Die Ukraine pflegt eine „zweigeteilte“ Weihnachtstradition. Der katholische Teil der Bevölkerung feiert am 24./25./26. Dezember.
Ukrainerinnen und Ukrainer christlich-orthodoxen Glaubens (circa 60 Prozent der Bevölkerung) begehen das Fest am 6./7. Januar. Zuletzt gab es - auch vor dem Hintergrund des Krieges - eine Bewegung, sich von der russisch-orthodoxen Kirche zu lösen. Die Daten im Dezember gelten deshalb für viele Menschen aus der Ukraine als die zentralen Feiertage.
Im Land selbst ist Weihnachten und der Umgang damit in bedrohlichen Zeiten ein großes Thema. Kiews Bürgermeister Witali Klitschko hatte zuletzt in einem Interview gesagt: „Wir dürfen Putin nicht erlauben, unser Weihnachten zu stehlen.“ Deshalb sollten trotz der fortgesetzten Kriegshandlungen Tannenbäume ohne Lichtschmuck in der Hauptstadt aufgestellt werden.
Olena Selenska, die Frau des ukrainischen Präsidenten rief gegenüber der BBC zuletzt dazu auf, auch zu Weihnachten an die Lage in ihrem Land zu denken. „Wir hoffen sehr, dass Euch die Weihnachtszeit nicht unsere Tragödie vergessen lässt und ihr Euch an unser Leid gewöhnt“.
Weitere Weihnachtsgeschichten finden Sie HIER.
Weihnachtsstress vermeiden: Psychotherapeut gibt Tipps
Siebenfache Mutter: Weihnachten ist für Jeannine Vüllings kein Kinderspiel
Krankenschwester Melanie Wagner feiert ungewöhnliche Weihnachten: Dienst auf der Frühchen-Station