Wer beim Ordnungsamt der Stadt Dortmund arbeitet, muss Prellbock-Qualitäten haben; denn das Amt ist erste Anlaufadresse für Bürgerbeschwerden. Das liegt in der Natur der Sache; denn das Ordnungsamt muss oder soll eingreifen, wenn im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung etwas im Argen liegt.
Ob nächtliche Ruhestörung, Dauerlärm oder Ärger mit den Nachbarn – viele wenden sich mit solchen Problemen an die Ordnungshüter der Stadt. Rund 8500 Beschwerden gehen laut Stadtsprecher Maximilian Löchter beim Ordnungsamt im Jahr ein, per Telefon, Mail oder Brief. Damit liegt es innerhalb der Verwaltung weit vorn.
Auf Anfrage der Redaktion listete die Stadt Dortmund alle Beschwerden eines Monats (Oktober 2022) auf. Am häufigsten meldeten die Bürger Missstände im ruhenden Verkehr, vor allem das verbotene Parken auf Gehwegen. Aber auch Rettungswege, Einfahrten und private Stellplätze werden zugeparkt. Manche stellen ihr Fahrzeug direkt auf Privatparkplätzen ab. In diesem Fall muss jedoch der Eigentümer selbst tätig werden. Ansonsten wird in der Regel die Verkehrsüberwachung informiert.
Mit Anhängern blockiert
Bürger beschweren sich auch über „dreistes Freihalten“ von Parkplätzen, etwa wenn Nachbarn ihr Auto wegfahren, dann aber gleich „großzügig das Motorrad“ hinstellen. Andere blockieren wochenlang Parkplätze mit Anhängern.
Wieder andere stört der Pizzageruch im Garten vom nahegelegenen Italiener. Dabei gibt es eine Lüftung, aber die ist zu laut.
Eine Familie, die in der Nordstraße wohnt, findet dort wegen der vielen Restaurantbesucher kaum einen öffentlichen Parkplatz und fragt: „Wie ist das überhaupt möglich, dass sich so viele Restaurants auf der gleichen Straße befinden?“ Dafür ist allerdings nicht das Ordnungsamt verantwortlich.
Raucher vor Nichtraucher-Haus
Gelegentlich wird auch das Ordnungsamt selbst zur Zielscheibe von Beschwerden. Ein Bürger, der mit seinen anhaltenden Fremdanzeigen gegen Falschparker die von ihm gewünschte Intensität der Parksünder-Verfolgung vermisst, kündigt rechtliche Schritte gegen das Amt an. Und er lässt wissen: „Über das Parkverbot vor unserer Grundstücksausfahrt wird das Bundesverfassungsgericht urteilen, wo die Beschwerde über die Verwaltungsgerichte seit eineinhalb Jahren anhängig ist.“
Ärger gibt es auch in einem „reinen NICHTRAUCHER Haus“. Unten drin ist ein Kiosk. Dort sitzen jeden Tag die Raucher, manchmal bis zu zehn. Die Hausbewohner können nicht lüften, weil der Rauch in ihre Wohnungen ziehen würde. Außerdem wird die Straße von den Gästen zugeparkt und es ist laut. Wer sich beschwere, riskiere dumme Sprüche. Die Beschwerde wurde vom Ordnungsamt an das Gewerbeamt weitergeleitet.
Beschwerden gibt es auch immer wieder, weil Dortmunderinnen und Dortmunder, die die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben oder eine Aufenthaltserlaubnis beantragen wollen, keinen Termin bei der zum Ordnungsamt gehörenden Ausländerbehörde bekommen; der Ukraine-Krieg bindet dort Personal- und Terminkapazitäten, und auch die Einbürgerungsanträge von Geflüchteten, die seit 2015 als Flüchtlinge anerkannt wurden, sind deutlich gestiegen.
Jurist in spe „vorgeführt“
Manche Mail klingt wie ein dringender Hilferuf, aber es gibt auch andere Beispiele. Wie das des angehenden Volljuristen aus Italien, der sich „vorgeführt“ fühlt und nicht einsieht, „einen 15-minütigen Vortrag über die Grundrechtsordnung halten“ zu müssen. Er könne schon einen „mindestens 30-minütigen Vortrag über die Präambel halten“, teilt er mit.
Außerdem fühle er sich durch die Bezeichnung „Ausländeramt“ diskriminiert. Als italienischer Staatsbürger sei er kein Ausländer, sondern „Unionsbürger“. Er betont aber auch, dass er keinen Streit mit der Kommune wolle, sondern „lediglich einen zeitnahen Termin für die Einbürgerung“. Trotzdem muss er weiter warten, obwohl er schon ein halbes Jahr auf einen Termin gewartet hat.
Probleme mit nicht angeleinten Hunden gehören auch zum Alltagsgeschäft des Ordnungsamtes. So sorgte ein Mann mit drei frei laufenden belgischen Schäferhunden im Wohngebiet Hohenbuschei für Ärger. Ein Anwohner, der ihn auf die Leinenpflicht hingewiesen hatte, wurde nach eigenen Angaben von dem Mann als „Wichser“, „Hurensohn“ und „Missgeburt“ beschimpft. Er bat das Ordnungsamt, die Identität des aggressiven Zeitgenossen festzustellen.
Tritt in den Mops-Popo
Auch Drohungen stieß der Hundehalter aus. Deshalb bat der Beschwerdeführer das Ordnungsamt, das den Hundehalter zumindest im Oktober nicht ermitteln konnte: „Teilen Sie mir bitte mit, zu welchen Selbstverteidigungsmaßnahmen ich im Rahmen des Selbstschutzes greifen darf, um mich in solch einer Situation angemessen zu verhalten.“ Das sei aber eine Frage des Strafrechts, antwortete das Ordnungsamt.
Ein anderer Fall ist ein nicht angeleinter Mops in Sölde, der, wenn er nicht abkoten kann, einen Tritt von seinem „stinkigen“ Besitzer „in den Popo“ bekommt. So schreibt es anonym ein Bürger oder eine Bürgerin. Das Amt möge den Hund retten. Antwort: Das Steueramt werde prüfen, ob der Hund angemeldet sei, und das Veterinäramt bekomme den tierschutzrechtlichen Hinweis. Allerdings gibt es eine Einschränkung: Tierschutzanzeigen können nicht anonym erfolgen.
Feuerwehr rammt Auto auf enger Straße: „Im Zweifelsfall können wir keine Rücksicht nehmen“
Falschparker: Ein Auto soll 20 Kontrolleure ersetzen – Simone Dorka will die Technik hier einführen
Abschlepp-Ärger an der Silberstraße: „Viele sind unbelehrbar. Das ist heute so!“