Gedenken an Mehmet Kubasik
Trotz nahem Prozessende sind noch Fragen offen
Vor zwölf Jahren wurde Mehmet Kubasik ermordet – mutmaßlich von Mitgliedern des NSU. Auch wenn der Prozess gegen die Terrorzelle dem Ende entgegengeht, sind am Tag des Gedenkens noch viele Fragen offen.
Angehörige von Mehmet Kubasik führten den Gedenkzug an. © Oliver Schaper
Am 4. April 2006 wurde der Dortmunder Mehmet Kubasik in seinem Kiosk an der Mallinckrodtstraße 190 erschossen – mutmaßlich vom selbst ernannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU). Am zwölften Jahrestag dieses Verbrechens gedachten am Mittwoch (4.4.) hunderte Menschen, darunter auch Angehörige der Familie Kubasik, dem Ermordeten. Und sie forderten lückenlose Aufklärung im Fall des NSU.
Rund 400 Menschen, so schätzt die Polizei vor Ort, zogen um 18 Uhr vom ehemaligen Kiosk von Mehmet Kubasik (heute ein Reisebüro), zum Denkmal für die Opfer des NSU vor dem Gebäude der Auslandsgesellschaft. Bereits am Nachmittag hatten Angehörige am Gedenkstein für Mehmet Kubasik Blumen niedergelegt.
Zum sechsten Mal fand dieser „Tag der Solidarität“ bereits statt. Sechs Jahre des Forderns nach Antworten auf Fragen, die nicht nur die Familie Kubasik zutiefst betreffen.
Die Hintergründe
Wer Mehmet Kubasik erschossen hat, war über fünf Jahre lang ungeklärt. Erst ein Bekennervideo von Beate Zschäpe schaffte 2011 Klarheit. Zusammen mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bildete sie das sogenannte „Kerntrio“ des NSU.
Mundlos und Böhnhardt sind tot, erschossen sich vermutlich, weil sie sich nach einem Bankraub im Jahr 2011 in die Enge gedrängt sahen. Der Prozess gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Unterstützer des NSU vor dem Münchener Oberlandesgericht befindet sich nach allen Einschätzungen in den letzten Zügen. Doch das ist mit Vorsicht zu genießen, denn der Prozess gestaltete sich auch bisher zäh.
Ein Urteil allein reicht nicht
Antonia von der Behrens ist eine der Anwältinnen im NSU-Prozess und vertritt auch die Angehörigen von Mehmet Kubasik. Bei der Gedenkveranstaltung bedankte sie sich im Namen der Familie für die „Unterstützung, durchzuhalten“.
Obwohl sie „sehr sicher“ sei, dass Beate Zschäpe eine Mittäterschaft an den Morden des NSU zugeschrieben werde, solle man sich nicht mit dem Urteil und einfachen Antworten abfinden. Stattdessen müssten noch einige Fragen geklärt werden: „Welche Unterstützerstrukturen gab es? Hätte der Mord an Mehmet Kubasik verhindert werden können, wenn Informationen von den Behörden besser weitergegeben worden wären?“ Fragen, die auch die Familie Kubasik noch heute belasten dürften.
Bald kommt „Tag X“
Besser als Hass und Fremdenfeindlichkeit seien Träume und Ideen für das Zusammenleben in einer Zuwandererstadt, sagte Kulturdezernent Jörg Stüdemann während des Demonstrationszuges. Ein Drittel der Menschen in Dortmund sei ein- und zugewandert, teilweise bereits in der dritten und vierten Generation. Er sagte das wohl auch mit Blick auf die Vertreter der rechten Parteien im Stadtrat.
Der Tag des Urteils, so hieß es bei der kurzen Kundgebung vor der Steinwache, sei „Tag X“, aber kein Schlussstrich. Auch dann werde man wieder auf die Straße gehen und für eine weitere Aufklärung des Falles NSU eintreten – wohl auch in Dortmund.
Wenn auch zwölf Jahre nach einem Verbrechen noch hunderte Menschen auf die Straße gehen, um diesem zu gedenken, dann steht mehr dahinter. Manche mögen sagen, steht mehr auf dem Spiel.