Gemütlich sieht anders aus. Die Kiesfläche an der Ecke Martinstraße/Grafenhof ist vor allem zweckmäßig eingerichtet. Auf dem 350 Quadratmeter großen Grundstück gibt es hinter einem hohen Zaun mit Sichtschutz Sitzmöglichkeiten, Dixi-Klos und mit zwei offenen Containern Schutzräume vor Regen. Hier können sich Angehörige der Drogenszene in unmittelbarer Nähe des Drogenkonsumraums aufhalten - als Alternative zu Hauseingängen und diversen Ecken am oberen Westenhellweg und seiner Umgebung.

Ziel ist es, das Umfeld zu entlasten, erklärte Gesundheitsamtsleiter Holger Keßling beim Besichtigungstermin auf der Fläche. „Aber auch für die Klientel des Drogenkonsumraums ist es ja nicht gut, wenn sie im Regen stehen oder in Hauseingängen Schutz suchen müssen“, ist er überzeugt. Auf dem Eckgrundstück an der Martinstraße können sie sich ab Montag (10.2.) treffen und Wartezeiten auf dem Weg ins Café Kick im Innenhof des Gesundheitsamtes überbrücken, das häufig überlastet ist.
Zugleich soll ein Angstraum im Umfeld des Drogenkonsumraums verschwunden sein. Denn auf dem Grundstück, auf dem ein privater Investor eigentlich ein Wohnhaus bauen will, wucherte zuletzt das Grün, in dem offensichtlich auch Drogengeschäfte abgewickelt und Drogen konsumiert wurden. „Hier war das pralle Leben“, blickt Keßling zurück. „Die Fläche war uns immer ein Dorn im Auge.“
Feste Öffnungszeiten
Jetzt hat die Stadt die Fläche gemietet und gerodet. Als Aufenthaltsfläche soll sie den Drogenkonsumraum und sein Umfeld entlasten. „Wir brauchten einfach mehr Fläche“, stellt Keßling fest. Die Öffnungszeiten des Treffpunkts sind deshalb auch an die des Drogenkonsumraums angepasst. Die Tore werden eine Stunde vor Öffnung des Café Kick, also um 7 Uhr, geöffnet und schließen eine halbe Stunden nach dem Café Kick.
Der Sicherheitsdienst des Drogenkonsumraums übernimmt auch die Kontrolle des neuen Treffpunkts - allerdings nicht durchgehend. Der Sicherheitsdienst wurde aufgestockt und die Sozialarbeiter-Stellen für das Umfeldmanagement wurden auf 4,5 erhöht, erklärt der Gesundheitsamtsleiter. Mindestens viermal am Tag soll es Besuche geben, um die Regeln, die auf der Aufenthaltsfläche gelten, zu überwachen. Die sind an den Containerwänden ausgeschildert: Keine Gewalt, kein Drogenhandel und kein Drogenkonsum. „Das ist hier kein rechtsfreier Raum“, betont Holger Keßling.

Die spannende Frage ist, wie das Angebot von der Szene angenommen wird und ob es wie erhofft zur Entspannung der Lage rund um den Grafenhof und den oberen Westenhellweg beiträgt. Eingerichtet wurde der neue Treffpunkt ausdrücklich auf Probe. „Wenn es nicht funktioniert, wird es wieder geschlossen“, sagt Keßling. Der Gesundheitsamtsleiter ist aber optimistisch: „Es wird die Situation nicht komplett verändern, aber es wird Entlastung bringen“, ist er überzeugt.
Darauf hoffen nicht zuletzt die Anwohner und Geschäftsleute in der Nachbarschaft, für die es in dieser Woche einen eigenen Besichtigungstermin gab. „Die sehen das im Grundsatz positiv“, bilanziert Robert Litschke als Leiter des städtischen Sonderstabs für Sicherheit und Ordnung - auch wenn sie natürlich nach wie vor auf eine Verlagerung des Drogenkonsumraums hoffen.

Inzwischen ist es aber fraglich, ob der Drogenkonsumraum wie vom Rat im vergangenen Jahr beschlossen, tatsächlich vom Grafenhof verlegt wird. SPD und Grüne im Rat haben sich zuletzt für einen Weiterbetrieb und eine Entlastung durch einen weiteren Drogenkonsumraum und zwei Drogenkonsum-Orte in der Innenstadt ausgesprochen. Die Weichen für weitere Prüfungen und die Suche nach einem Zweitstandort soll der Rat am 13. Februar beschließen.
Was das für die Freifläche als Treffpunkt für die Drogenszene an der Martinstraße heißt, ist offen. Angemietet ist das Grundstück erst einmal für zwei Jahre, betont Roland Litschke. „Was danach passiert, muss man sehen.“
Aggressive Drogensüchtige und großer Andrang am Konsumraum: Helfer zunehmend überfordert