
Rezki Masmoudi ist am Samstagmorgen (20.8.) eigentlich früh genug aufgebrochen, damit er es rechtzeitig von Hamm zu seiner wichtigen Prüfung nach Dortmund schafft. Weil alle Züge zum Dortmunder Hauptbahnhof ausfallen, schafft er es trotzdem nicht. © Lukas Wittland
Total-Ausfall am Dortmunder Hauptbahnhof – 19-Jähriger verpasst wichtige Prüfung
Stellwerk-Schaden
Der Total-Ausfall am Dortmunder Hauptbahnhof hat viele Reisende am Samstag frustriert. Für Rezki Masmoudi könnte das jedoch tiefergreifende Folgen haben – er macht sich nun Sorgen um seine Zukunft.
Extra früh ist Rezki Masmoudi am Samstagmorgen (20.8.) aufgestanden. Seinen Zug von Hamm nach Dortmund wollte er auf keinen Fall verpassen. Schließlich muss er dort für seine Sprachprüfung sein, die er braucht, um Ende September sein Elektrotechnik-Studium anzufangen.
Aber am Samstagmorgen geht alles schief.
Starker Regen sorgt für Schäden an einem Stellwerk in Dortmund
Denn kein Zug kann den Dortmunder Hauptbahnhof anfahren. Hinter jedem angeschlagenen Zug auf der Anzeigetafel steht: „Zug fällt aus.“ Als Begründung steht rechts daneben: „Stellwerksausfall in Dortmund Hbf – keine Zugfahrten möglich bis vsl. 20 Uhr“.
Später ändert die Deutsche Bahn den Text zu „bis vsl. Betriebsschluss“. Am Abend erklärt sie, dass eine Lösung wohl erst am Sonntag gefunden werde. Der Total-Ausfall des Bahnhofs – ausgerechnet auch noch an einem Heimspieltag des BVB.

Die Anzeigetafel im Dortmunder Hauptbahnhof. Hinter jeder Verbindung steht "Zug fällt heute aus". © Lukas Wittland
Aber was ist schon Fußball gegen das Problem von Rezki Masmoudi. Als der 19-Jährige am Bahnhof steht, fallen die ersten beiden Züge nach Dortmund komplett aus, der dritte hält in Essen. In Essen wartet er zwei Stunden, um nach Dortmund zu kommen. Allerdings kommt er dort zu spät an. Seine Sprachprüfung hat er verpasst.
Wie es jetzt weitergeht, weiß er nicht. Die Prüfer hätten ihm gesagt, da könnten sie nichts machen. Der 19-Jährige hofft noch auf eine Lösung. „Sonst muss ich sechs Monate warten, bis ich mein Studium beginnen kann“, sagt er.
Londoner landet bei seiner Interrail-Tour verloren am Hauptbahnhof
Mit seinem Studium ist Jonathan aus London schon fertig. Der 22-Jährige will die freie Zeit danach nutzen und macht eine Interrail-Tour durch Europa – ein Stopp ist das Ruhrgebiet. Aber so richtig will nichts klappen bei Jonathans Dortmund Aufenthalt.
Eigentlich wollte er sich am Freitag die Petri-Kirche anschauen. Die ist aber wegen Sanierungsarbeiten geschlossen. Am Samstagvormittag steht der Londoner dann verloren vor der Anzeigetafel in der Eingangshalle des Dortmunder Hauptbahnhofs.

Der Londoner Jonathan ist bei seiner Interrailtour in Dortmund gelandet. Am Samstag kommt er nicht weiter. Mit dem Bus und der Regionalbahn will er sich weiter nach Bielefeld durchschlagen. © Lukas Wittland
Der Londoner Jonathan muss sich einen neuen Weg nach Bielefeld suchen, wo er eine Freundin trifft. Mit dem Bus will er nach Mengede, von da aus nach Hamm weiter und dann mit der Regionalbahn nach Bielefeld.
Der 22-Jährige nimmt es gelassen. Mit Regen kennt man sich in England aus: „Wir haben in Großbritannien manchmal die gleichen Probleme“, sagt er. „Das passiert.“
Aber nicht jeder reagiert am Samstag so ruhig. Vor dem Informationsschalter der Deutschen Bahn bilden sich lange Schlangen bestehend aus gestrandeten Reisenden. Annette Lange ist genervt.
Eine halbe Stunde stehe sie schon in der Schlange und noch immer stehen einige Menschen vor ihr. Bei ihren letzten beiden Bahnfahrten sei schon viel schief gelaufen und jetzt das.
Reisende müssen auf umliegende Bahnhöfe ausweichen
Eigentlich muss sie nach Hannover und von da aus weiter nach Hildesheim. Am Abend ist sie dort auf einem Konzert. Ob dass noch etwas wird, weiß sie nicht. Sie sehe nicht so gut, sagt Lange. Deshalb habe sie erst am Gleis mitbekommen, dass ihr Zug ausfalle.
„Erst als ich jemanden gebeten habe, mir die Anzeigetafel vorzulesen, habe ich mitbekommen, dass überhaupt kein Zug fährt.“ Gut informiert, fühlt sie sich nicht. Sie würde sich Megafon-Durchsagen wünschen, da die Durchsagen im Hauptbahnhof im Gerausche untergehen.

Annette Lange will am Samstagmorgen eigentlich vom Dortmunder Hauptbahnhof nach Hannover und von da aus weiter nach Hildesheim. Ob sie es noch rechtzeitig zu ihrer Veranstaltung schafft, wagt sie am Morgen noch nicht zu prognostizieren. © Lukas Wittland
In der Halle versuchen Bahnmitarbeitende die Fragen der Reisenden zu beantworten. Mit ihren neongelben Westen sind sie gut zu erkennen. Sie erklären, was das Problem ist und schicken Menschen zum Nordausgang des Hauptbahnhofs, wo für manche Linien Schienenersatzverkehr fährt.
Ansonsten müssen Reisende auf umliegende Bahnhöfe ausweichen. Am Dortmunder Hauptbahnhof kommen Züge weder an, noch fahren sie von ihm ab.
Ein Problem auch für einige der 80.000 Zuschauer die am Samstagnachmittag das Spiel des BVB gegen Werder Bremen im Westfalenstadion sehen wollen.
Viele, die sonst mit der Bahn anreisen, strandeten irgendwo in Dortmund oder stiegen aufs Auto um. Unter anderem in Hörde, am Borsigplatz und auf der B1 kam es zu Verkehrsproblemen.
Fans von Werder Bremen erleben Odyssee
Eine Viertelstunde vor Spielbeginn standen noch Fans von Borussia Dortmund und Werder Bremen an der U-Bahn-Haltestelle im Hauptbahnhof. Ihre Hoffnung, dass das Spiel eventuell später angepfiffen wird, wurde nicht erhört. Auch der Bremen-Fan Matthias Wanke hatte sich das noch einige Minuten vor dem Anpfiff gewünscht. Fünf Stunden Fahrt hat er zu dem Zeitpunkt schon hinter sich.
Weil sie wussten, dass sowohl der Dortmunder Hauptbahnhof als auch der in Bochum nicht angefahren wird, seien er uns seine Freunde bereits in Münster ausgestiegen, erzählt Wanke. Von da aus ging es weiter nach Dülmen, da hätten sie dann wegen eines Personenschadens gestanden.

Der Bremen-Fan Matthias Wanke hat eine Fünf-Stunden-Odyssee nach Dortmund hinter sich. Kurz vor Spielbeginn steht er noch an der U-Bahnhaltestelle im Hauptbahnhof. © Lukas Wittland
Deshalb fuhren sie mit einem anderen Zug nach Lünen weiter und dann zum Dortmunder Hauptbahnhof. Um 9.50 Uhr sind die Bremen-Fans gestartet. „Wir machen das beste draus und dann kommen wir dem BVB heute nah in der Tabelle“, prognostizierte Wanke vor dem Spiel und sollte damit recht behalten.
Die Werder-Mannschaft entschädigte ihren Anhang für die Strapazen der Anreise und drehte das Spiel nach einem 2:0-Rückstand kurz vor Schluss mit drei Toren in sechs Minuten.
So manchen BVB-Fan dürfte das Ergebnis nach einer frustrierenden Anfahrt hingegen nur noch gefrusteter zurückgelassen haben.
Als gebürtiger Dortmunder bin ich großer Fan der ehrlich-direkten Ruhrpott-Mentalität. Nach journalistischen Ausflügen nach München und Berlin seit 2021 Redakteur in der Dortmunder Stadtredaktion.
