Mouhamed D. ist am 8. August in der Nordstadt von einem Polizisten bei einem Einsatz erschossen worden.

Mouhamed D. ist am 8. August in der Nordstadt von einem Polizisten bei einem Einsatz erschossen worden. © Privat

Tonaufnahme der Todesschüsse: Ganzer Einsatz mit Mouhamed D. wurde aufgezeichnet

rnTödlicher Polizei-Einsatz

Die Bodycams der Polizisten waren ausgeschaltet, trotzdem gibt es eine Aufnahme des tödlichen Polizei-Einsatzes vom 8. August. Das Bundeskriminalamt beschäftigt sich jetzt damit.

Dortmund

, 02.09.2022, 11:16 Uhr / Lesedauer: 2 min

Bei den Ermittlungen zum Tod des 16-jährigen Mouhamed D. bekommen die Computer-Fachleute des Bundeskriminalamts (BKA) jetzt eine wichtige Rolle. Oberstaatsanwalt Carsten Dombert erklärt gegenüber unserer Redaktion, dass es eine Tonaufnahme des gesamten eskalierten Einsatzes gebe.

„Der Betreuer hatte die Polizei informiert und während des gesamten Vorfalls die Leitung gehalten“, sagt der Ermittler: „Wir haben eine Tonspur, die mit dem tragischen Ausgang endet.“ Im Vordergrund seien der Angestellte der Wohngruppe und die Polizei-Leitstelle zu hören. Aber: „Im Hintergrund hört man wohl Stimmen und schussartige Geräusche“, so Dombert.

„Was hat wer gesagt?“

Das BKA ist nun damit beschäftigt, diese Aufnahme zu untersuchen und einzelne Bestandteile zu extrahieren. Die Kernfrage, die zur Aufklärung des Todesfalls beitragen kann, lautet: „Was hat wer gesagt?“

Denn den bisherigen Aussagen zufolge hat die Polizei den Senegalesen nicht aufgefordert, das Messer abzulegen, das er sich selbst vor den Bauch hielt, bevor er mit Reizgas besprüht wurde.

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In einem Bericht an den Landtag vom Donnerstag (1.9.) heißt es, dass der Schusswaffeneinsatz „auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Totschlags geprüft“ werde. Dombert erklärt, dass dies nicht automatisch bedeute, dass der Polizist des Totschlags verdächtigt werde.

„Totschlag“ oder „Körperverletzung mit Todesfolge“?

Sämtliche in Betracht kommenden Möglichkeiten würden geprüft, sagt er. Beim Vorwurf „Totschlag“ habe ein Täter den Vorsatz, das Opfer zu töten. Bei „Körperverletzung mit Todesfolge“ sei der Vorsatz nur, das Gegenüber zu verletzen. Für „Mord“ müssten bestimmte fest definierte Merkmale wie etwa Heimtücke oder Habgier vorliegen.

Oberstaatsanwalt Dombert betont die Unschuldsvermutung, die bis zu einem möglichen Urteil gilt. Bislang steht nicht einmal fest, ob überhaupt Anklagen erhoben werden. Bis zu dieser Entscheidung werde es noch mehrere Wochen dauern. Aber er sagt zur Frage, ob die Polizei den bisherigen Erkenntnissen zufolge verhältnismäßig korrekt gehandelt habe: „Da hab ich erheblichen Zweifel.“

Neben dem akustischen Gutachten zur Tonaufnahme wartet die Staatsanwaltschaft aktuell noch auf ein toxikologisches Gutachten, das zeigen soll, ob Mouhamed D. unter dem Einfluss von Drogen oder Medikamenten gestanden haben könnte. Dies wäre relevant für die Wirkung des Reizgases und des Elektro-Tasers, dessen Pfeil mit Widerhaken sein Glied traf.

Polizei Recklinghausen ermittele „absolut professionell und neutral“

Dombert äußert sich auch zur Diskussion um die Neutralität der ermittelnden benachbarten Polizeibehörde im Kreis Recklinghausen, die auf Demos und auch seitens der Politik in Frage gestellt wurde: „Ich kann versichern, dass dort absolut professionell und neutral gearbeitet wurde.“

Auch von der dortigen Polizeipräsidentin selbst habe die Staatsanwaltschaft im Verfahren Unterstützung erfahren. Dombert ist besonders wichtig zu betonen, dass die gute Arbeit zigtausender Polizeikräfte nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden dürfe.