13 Menschen sind am 6. Juni 1996 bei einem Hubschrauber-Absturz in Dortmund ums Leben gekommen. Einer der insgesamt 14 Insassen hat überlebt. Der Vorfall gilt als einer der schlimmsten Unfälle der Bundeswehr, denn bei dem Vorfall handelte es sich um einen vom Bund verlosten Flug für junge Besucher der Jugendmesse „You“, die an dem Tag an den Westfallenhallen begonnen hat.
Unter den 14 Insassen waren sechs Jugendliche im Alter von 17 und 18 Jahren, die den Flug bei der Verlosung gewonnen haben. Neben ihnen waren eine Sanitäterin, ein dreiköpfiges Fernsehteam aus Essen, der Schlagzeuger und Manager des Schweizer Musikers DJ Bobo und zwei Piloten an Bord.
Der einzige Überlebende ist besagter Manager. Ersthelfer haben es geschafft, seinen Körper aus dem abgestürzten Wrack zu ziehen, bevor die Maschine explodiert ist. Er kam mit einem Rippenbruch und Hautabschürfungen davon – und mit einem schweren Schock.
Schnelle Rettung half wenig
Einer der Lebensretter war ein 25-jähriger Bochumer. Er sah den Absturz von der A45 aus. Er stoppte seinen Wagen und eilte über eine Böschung sofort zum Absturzort. Zusammen mit einem Passanten trat er die Tür des bereits brennenden Hubschraubers ein. Die beiden retteten den Manager, dann eilte der Bochumer zu seinem Auto, um einen Feuerlöscher zu holen. Doch in der Zeit kam es zur Kerosin-Verpuffung.

Wenig später traf der Seelsorger Karl-Heinz Schanzmann an der Unfallstelle ein. Er wohnte zu dem Zeitpunkt nur wenige Hundert Meter von dem Wrack entfernt. Als sich das Unglück zum 25. Mal jährte, sprach er mit der Presse über das Unglück. Er erinnerte sich an den Helfer aus Bochum. Die Feuerwehr habe ihn zunächst zu ihm geschickt.
Er habe bei Eintreffen des Seelsorgers bereits aufgelöst auf einer Leitplanke gesessen: „Sein größtes Problem war: Wie schnell hätten wir sein müssen, um noch weitere Leute aus dem Hubschrauber zu retten?“, erinnerte er sich im Gespräch mit Redakteur Kevin Kindel.
Ein Seelsorger kümmert sich
Karl-Heinz Schanzmann und seine Frau Almut haben sich nach dem Unglück berufen gefühlt, für die Angehörigen eine Stütze zu sein. Sie riefen eine Selbsthilfegruppe ins Leben – sie bestand bis 2009. Mit vielen der Angehörigen hatte das Ehepaar selbst nach über zwei Jahrzehnten noch Kontakt.

„Das Wichtige ist, wenn die Erinnerungen kommen, dass wir damit umgehen“, sagte der Seelsorger im Jahr 2021 der Redaktion. Er könne Hinterbliebenen zwar keine Lösungen bieten, aber anbieten, mit ihnen zusammen nach Lösungen zu suchen.
Eine dieser Lösungen war etwa, eine Gedenkstätte für die 13 Opfer zu errichten. Es handelt sich dabei um eine Art Grabstein in der Bittermark von Dortmund. Eine andere Möglichkeit, das ganze Unglück zu verarbeiten, war ein Besuch im Luftwaffenstützpunkt in Niedersachsen. Die Gruppe ist auf vielfachen Wunsch hin gemeinsam hingefahren.
Als sie den Hangar betraten, habe Schanzmann dann gemerkt, dass auch ein Seelsorger selbst ab und an Unterstützung benötigte. Als er einen Hubschrauber gesehen habe, sei ihm schlecht geworden. Er verließ den Hangar, doch seien zwei Väter hinter ihm her. „Das finde ich so toll. Da war ein Verhältnis, in dem einer auf den anderen achtet. Und diese Achtsamkeit ist das Wichtigste, was wir Menschen füreinander haben können. Dafür bin ich heute noch dankbar“, sagte er.
Eine zerrissene Familie
Wie schwer es für die Familien der Opfer nach dem Absturz wurde, zeigte der Fall von Familie Mett, die sich ebenfalls im Jahr 2021 gegenüber der Redaktion äußerte. Ulrich Mett war eines der Opfer am tragischen Tag im Sommer 1996. Er war einer der Journalisten des Fernsehteams, das im Helikopter mitgeflogen ist. Er wurde 32 Jahre alt.

Seine Schwester Claudia sammelt seit dem Unglück die Machwerke ihres Bruders. Briefe, Postkarten, Artikel, die er verfasst hat. Sie bezeichnete die Erinnerungsstücke als ‚ihren großen Schatz‘. Als es zum Unglück kam, war sie bei ihren Eltern in Essen gewesen.
„Ulrich hat mich gefragt, ob ich mit nach Dortmund zur Messe komme“, sagte sie unserer Redaktion. Sie lehnte ab, wisse aber nicht mehr, wieso. Sie wisse aber noch, was sie stattdessen gemacht hat: Steffi Graf im Finale der French Open zugesehen. Graf gewann. Claudia habe nicht gewusst, dass ihr Bruder mehr oder weniger zeitgleich in den Hubschrauber steigen würde.
Claudia Mett erinnert sich daran, dass Ulrichs Freundin am Nachmittag allein zum Haus der Eltern kam. Sie hatte den ersten Anruf bekommen, der besagte, dass Ulrich möglicherweise unter den Opfern des Absturzes war. Als sie das der Familie sagte, fuhren sie sofort zur Dortmunder Polizei. „Als wir den Namen nannten, war klar, dass er dabei war“, hieß es.
Schwere Folgen nach dem Unglück
Phasenweise, so sagte Claudia Mett, sei sie nach diesem Unglück zusammengebrochen. Die Eltern auch. Da Ulrich Mett zusammen mit den anderen verbrannte, mussten sie Aufgaben übernehmen, die nur schwer zu ertragen sind – wie etwa zu Ulrichs Zahnarzt zu fahren für einen Abdruck, damit er eindeutig identifiziert werden konnte.
Lange hat die Familie wohl noch gehofft, dass es sich um ein riesiges Missverständnis handeln würde. Erst als Claudia Mett etwa drei Monaten später nach Hamburg zog, habe sie realisiert, ihr Bruder kommt nicht mehr zurück.
Heute hat sie einen Mann und einen Sohn. Beide hätten den Schwager und Onkel nicht kennenlernen können. Trotzdem wirkt sein Schicksal sich auf ihren Alltag aus. „Mein Mann ist Kameramann, er hat bereits Aufträge abgesagt, für die er in Helikopter steigen sollte.“
Dabei gelten Helikopterflüge zumindest rein rational betrachtet als sicher. Eine Fahrt mit dem Auto ist statistisch deutlich riskanter. Wie konnte es also zu dem Unglück im Jahre 1996 kommen, wo die Bundeswehr doch im Nachgang immer wieder betonte, ein erfahrener Pilot hätte am Steuer gesessen?
Experten gehen in diversen Medien davon aus, dass etwa 90 Prozent der Abstürze menschliches Fehlversagen seien. Und auch in diesem Fall gab es zumindest Hinweise darauf. Der einzige Überlebende hatte im Nachgang gesagt, aufgrund des Anlasses habe der Pilot waghalsige Manöver mit dem Fluggerät ausgeführt.
Damals schloss das Verteidigungsministerium die Schuld des Piloten zunächst aus. Später bestätigte ein Untersuchungsbericht die Schilderung allerdings. Die Bundeswehr zahlte als Konsequenz die Bestattungskosten der Opfer und an die Hinterbliebenen pauschal je 40.000 Mark.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 7. Januar 2025.