Am 4. April 2006 starb Mehmet Kubaşık durch Schüsse von Rechtsterroristen in seinem Kiosk an der Mallinckrodtstraße. Mehr als 16 Jahre danach ist die Aufarbeitung des NSU-Komplexes weiterhin auf vielen Ebenen noch nicht abgeschlossen.
Das ZDF Magazin Royale und „Frag den Staat“ haben nun einen Bericht des hessischen Innenministeriums über die Erkenntnisse des Landesamts für Verfassungsschutz zum NSU öffentlich gemacht. Die Akten sollten ursprünglich bis 2044 unter Verschluss bleiben.
Zwei Tage nach dem Mord in Dortmund wurde in Kassel Halil Yozgat in einem Internetcafé getötet. In der Folge wurden unter anderem Verbindungen zu einem Verfassungsschutz-Mitarbeiter bekannt, der zur Tatzeit vor Ort war.
Rund 500 Akten galten zunächst als nicht auffindbar, mittlerweile fehlen noch mehr als 200.
Keine NSU-Bezüge in den Akten?
Die Aktenlage ergibt, dass dem hessischen Verfassungsschutz „keine Hinweise auf oder Informationen zu einem terroristischen Verhalten von Rechtsextremisten“ oder „Bezüge oder Informationen zu den Straf- und Gewalttaten des NSU“ vorgelegen hätten.
Die Schlussfolgerung irritiert insofern, als dass der Berichte sehr wohl zahlreiche Vermerke über Waffen und Sprengstoff im Besitz von Neonazis sowie potenzielle Anschlagsziele enthält. Diese sind aber offenbar überwiegend als „szenetypische Aktivitäten“ kategorisiert worden.

Zu Dortmund finden sich in den Akten zwei Einträge zu Internet-Werbung hessischer Rechtsextremer für eine Demonstration in Dortmund.
Dennoch entsteht durch den Fall an der Mallinckrodtstraße und auch dessen zeitliche Nähe zum Mord in Kassel ein Zusammenhang. Zwischen den Neonazi-Szenen beider Städte bestanden in der Vergangenheit Verbindungen.
Mehmet Kubaşık Ehefrau Elif und seine Tochter Gamze haben sich in Stellungnahmen über verschiedene Kanäle zum veröffentlichen Bericht geäußert.
Gamze Kubaşık sagt: „Seit 2011 wurde mir und meiner Familie Aufklärung versprochen. Ich will immer noch wissen, warum mein Vater von Neonazis ermordet wurde. Wie wurde er ausgewählt? Wer war noch beteiligt? Hätte dieser Mord verhindert werden können? Was wussten die Verfassungsschutzämter?“
Kritik am Verfassungsschutz
Gamze Kubaşık äußert die Überzeugung: „Ich glaube nicht, dass der Verfassungsschutz nicht wusste, dass es den NSU gibt und dass er sich bewaffnet als Terrorgruppe in Deutschland bewegt.“
Sie schließt mit den Worten: „Die versprochene Aufklärung sieht anders aus.“
Witwe Elif Kubaşık sagt: „Das macht mir nur ein weiteres Mal klar, dass für Verfassungsschutz und Politik die Vertuschung eigener Umtriebe wichtiger ist als die Aufklärung der Morde an meinem Mann und den anderen Ermordeten.“
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