Die Anwohner der Straße Am Lohbach protestieren gegen die Straßenreinigungsgebühr.

© Susanne Riese

Streit um Straßenreinigung: Anlieger müssen nach über 30 Jahren zahlen

rnStädtische Gebühr

Viel Geld für nichts: So sehen die Anwohner einer kleinen Straße im Dortmunder Süden die Gebühr für Straßenreinigung, die sie neuerdings bezahlen sollen. So könnte es vielen Bürgern gehen.

Berghofen

, 13.08.2021, 05:00 Uhr

Niemand vermutet hier an einem Zipfel Berghofens neben dem Busenberg noch eine Straße. Die kleine aufsteigende Sackgasse am Ende eines Feldwegs mutet an wie ein Spazierweg, der zum angrenzenden Lohbachtal gehört. Nur sechs Häuser reihen sich dort auf. Deren Bewohner streiten sich seit einiger Zeit mit der Stadt. Es geht um die Reinigungsgebühr für ihre kleine Straße.

Sabine Birkenfeld hat ihr 1890 erbautes Haus 1994 bezogen. „Straßenreinigung fiel hier nie an und wurde auch nie berechnet. Es gibt ja auch keinen Dreck bei sechs direkten Anrainern. Wenn es so wäre, hätte jeder vor seinem Haus kurz selbst gefegt“, sagt sie.

Dann habe die Stadt beschlossen, alle Anwohner müssten „zwangsbeglückt“ werden, „egal wie die Begebenheiten vor Ort sind“. Familie Birkenfeld und ihren Nachbarn wurde ab 2021 eine Straßenreinigungsgebühr berechnet – je nach Grundstück zwischen 120 und 600 Euro jährlich.

Das könnte noch viele Bürger ähnlich treffen. „Die Stadt Dortmund überprüft zurzeit alle im Dortmunder Stadtgebiet veranlagten Grundstücke“, teilt Stadt-Sprecher Christian Schön auf Anfrage mit. Geprüft werde, ob „die Veranlagungen noch rechtmäßig sind oder sich zwischenzeitlich Änderungen im Grundstückszuschnitt oder auch der rechtlichen Grundlagen ergeben haben“. Dann sei eine Anpassung notwendig.

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Geändert hat sich tatsächlich etwas Grundlegendes, und das trifft nicht allein die Anwohner Am Lohbach: Nach einem Ratsbeschluss ist es seit 2006 nicht mehr möglich, die Reinigungspflicht auf die Anlieger zu übertragen. Somit wurden alle Straßen in die städtische Reinigung durch die EDG aufgenommen, auch die, in denen die Anlieger stets selbst gefegt haben. Das Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen hat die Rechtmäßigkeit dieser Vorgehensweise bestätigt, ein Berufungsverfahren wurde abgelehnt.

Nach diesem Grundsatz wurde nun die Straße Am Lohbach 2021 neu in den Reinigungsplan aufgenommen. Die Gebühr werde laut Christian Schön nach dem „Äquivalenzprinzip“ festgesetzt: Die Leistung – also die Reinigung der gesamten Straße beziehungsweise aller Straßen in Dortmund – wird gegen die Gebühr als Gegenleistung festgesetzt.

Verfahren wurde bereits gerichtlich überprüft

Bei der Höhe wird das Grundstück so betrachtet, als sei es ein Anliegergrundstück, auch wenn es nicht direkt an der Straße liegt. Es wird der sogenannte qualifizierte Frontmetermaßstab zugrunde gelegt; das sei ein von der „höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannter Maßstab für die Veranlagung zu Straßenreinigungsgebühren“.

Christian Schön: „Die Gebühr ist somit nicht, wie vielfach angenommen, für die Reinigungsleistung vor dem Grundstück zu erheben, sondern für die Reinigung der gesamten Erschließungsanlage, also der Straße, und darüber hinaus für alle Straßen im Stadtgebiet.“

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Tatsächlich kommt in der Straße Am Lohbach nun einmal wöchentlich die städtische Reinigung angefahren. Die rotierenden Bürsten fegten Steine und Asphaltstücke aus den Schlaglöchern und Seitenrändern, erzählt Anwohnerin Ute Böhm. „Der Bürstenwagen hat mehr kaputt als heile gemacht, und so kamen sie fortan mit Besen und Schaufeln“, berichtet Sabine Birkenfeld.

Nach drei Pseudoversuchen hätten die EDG-Mitarbeiter ihr „Staatstheater Oldenburg“ eingestellt. Seitdem kämen sie nun wöchentlich vorbei, um zu wenden und gleich wieder von dannen zu fahren. Einen Vorwurf will Sabine Birkenfeld den Straßenreinigungskräften nicht machen. Sie könnten nichts für die Behördenwillkür, und es gäbe ja wirklich nichts zu tun in der Straße.

Sie und weitere Nachbarn haben Widerspruch eingelegt und sogar ein Telefonat mit Oberbürgermeister Thomas Westphal geführt. Der habe die Sache prüfen lassen, genützt habe das aber nichts. „Wider jeglicher Logik füllt man auf unsere Kosten weiter das Stadtsäckel und hat uns per Zustellungsurkunde über die Ablehnung informiert.“

Burkhard Treude (r.) sorgt gemeinsam mit den Bewohnern des "Haus am Lohbach" für eine saubere Umgebung.

Burkhard Treude (r.) sorgt gemeinsam mit den Bewohnern des „Haus am Lohbach" für eine saubere Umgebung. © Susanne Riese

Inhaltlich sei auf die Argumente nicht eingegangen worden. Die stereotype Ansage, der Rat habe das eben so beschlossen, ärgert die Lohbach-Anlieger. Burkhard Treude findet das absurd. Er gehört zu den ersten Abfallpaten in Dortmund und ist der Erfinder des nun offiziellen Begriffs „CleanKeeper“.

Regelmäßig säubert er mit den Bewohnern des Behinderten-Wohnheims „Haus am Lohbach“ Lohbachtal und Overgünne. Nun muss er 523 Euro jährlich für sein langgezogenes Grundstück zahlen. „Und das für eine Straße, bei der es nichts zu reinigen gibt.“

Aus Sicht der Stadt kommt es aber gar nicht darauf an, wie ordentlich und ob überhaupt gekehrt wird. Denn die Idee der städtischen Berechnungsgrundlage fußt auf dem Solidaritätsprinzip. In der Erläuterung des Stadt-Sprechers klingt das etwas abstrakt: „Es werden eben nicht die Kehrmeter, sondern die Veranlagungsmeter als Berechnungseinheit zugrunde gelegt. Diese bilden gegenüber den Kosten der Reinigung den Teiler.“ Das sei gerechter und die Kosten der Straßenreinigung würden auf mehr Schultern verteilt.

Die Straße ist sehr schmal, hat keinen Bürgersteig, dafür aber etliche Ausbesserungen und Schlaglöcher.

Die Straße ist sehr schmal, hat keinen Bürgersteig, dafür aber etliche Ausbesserungen und Schlaglöcher. © Susanne Riese

Die Lohbach-Anwohner tröstet das wenig. Sie bräuchten trotzdem einmal pro Woche das sprichwörtliche Beißholz: „Weil ein städtisches Reinigungsfahrzeug auf unsere Kosten hier angefahren kommt und tatenlos wieder fährt.“

Sie empfinden es als Willkür, Bürger nach 30 Jahren zur Kasse zu bitten ganz ohne Gegenleistung und fragen: „Wo sonst gibt es Geld für null Leistung?“

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