Der Hannibal in Dorstfeld steht seit September 2017 leer. Fast genauso lang tobt der Streit darüber, wer daran Schuld ist.

© Dieter Menne (Archivbild)

Streit um Hannibal-Räumung: Wichtige Unterlagen sind verschwunden

rnEndlos-Verfahren

Wer ist Schuld an der Hannibal-Räumung? Seit Jahren streiten sich Stadt Dortmund und Eigentümer darüber - es geht um Millionen Euro. Nun zieht eine Panne den Endlosstreit weiter in die Länge.

Dortmund

, 16.11.2020, 18:45 Uhr / Lesedauer: 2 min

Es war eine Nacht- und Nebel-Aktion, die 753 Dortmunder von jetzt auf gleich wohnungslos machte: Am 21. September 2017 ließ die Stadt die acht Hochhäuser des Hannibal II in Dorstfeld räumen. Im riesigen Wohnkomplex waren eklatante Brandschutzmängel entdeckt worden.

Doch war die Räumung die einzige Möglichkeit, um die Sicherheit der Bewohner zu garantieren, wie die Stadt sagt? Oder war sie übertrieben, wovon sich der Hannibal-Besitzer Lianeo (ehemals Intown) überzeugt zeigt?

Es geht um viel Geld: nicht nur um die 1,6 Millionen Euro, die die Räumung an sich kostete; sondern auch um die 5 bis 10 Millionen Euro an finanziellem Schaden, der nach Schätzungen des Mietervereins Dortmund den betroffenen Mietern entstanden ist, etwa durch Umzüge und teurere Anschluss-Wohnungen.

Gericht: „Wir warten seit halbem Jahr auf wichtige Unterlagen“

Dieser Streit, der schon unmittelbar nach der Räumung aufflammte, ist inzwischen Gegenstand eines Verfahrens, das vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen läuft. Wobei „laufen“ derzeit die falsche Zustands-Beschreibung für den Rechtsstreit ist. Denn der steht seit Monaten still.

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„Wir warten seit einem halben Jahr auf wichtige Unterlagen von der Stadt Dortmund“, sagte Gerichtssprecher Wolfgang Tewes am Montag (16.11.) auf Anfrage unserer Redaktion. „Die zuständige Kammer ist ratlos“. Die Unterlagen seien wichtig für die rechtliche Prüfung des Räumungsbeschlusses - ohne sie könne das Verfahren nicht beginnen.

Noch im August hatte Dortmunds Planungsdezernent Ludger Wilde unserer Redaktion gesagt, man werde die Unterlagen fristgerecht bis spätestens Ende September schicken. Doch irgendwo auf dem Weg nach Gelsenkirchen scheint etwas gewaltig schief gelaufen zu sein: Nach Angaben von Gerichtssprecher Tewes sind die Unterlagen zwar in Dortmund abgeschickt worden, aber nie in Gelsenkirchen angekommen – warum, wisse er nicht.

Stadt Dortmund wusste nicht vom Verschwinden der Unterlagen

Diese Nachricht löste im Planungsdezernat der Stadt Dortmund auf Nachfrage unserer Redaktion Erstaunen aus. Aus dem Bauordnungsamt hieß es, man habe alle angeforderten Unterlagen rechtzeitig an die Anwaltskanzlei übergeben, die im Rechtsstreit die Stadt vertritt. Dass Unterlagen verschwunden seien, habe man noch nicht gehört, man werde der Sache nun nachgehen.

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Die Verzögerung des langwierigen Rechtsstreits hatte zuletzt den Mieterverein Dortmund auf den Plan gerufen. Der Verein, der nach eigenen Angaben die Interessen von über 100 der betroffenen Hannibal-Mieter vertritt, sah zwischenzeitlich sogar die Gefahr, dass ein Teil der Schadensersatz-Ansprüche verfallen könnte.

Rechtlich müssen Schäden spätestens nach drei Jahren bei einem Gericht angezeigt werden - für durch die Räumung angefallene Kosten aus dem Jahr 2017 wäre das bis spätestens Ende 2020 der Fall. Davor warnten die Mieterschützer am Montagvormittag auf einer Pressekonferenz.

Hannibal-Eigentümer und Stadt verzichten auf Verjährung

Am Nachmittag war dieses Risiko dann ausgeräumt: Hannibal-Eigentümer Lianeo erklärte über seine Hausverwaltung, dass er auf die Verjährung verzichtet, bis der Rechtsstreit mit der Stadt Dortmund beendet ist - die Stadt hatte das schon vor einiger Zeit erklärt.

Jetzt können die Mieter erst einmal abwarten, wem die Gerichte die Schuld dafür geben, dass sie aus ihren Wohnungen mussten – und dann von demjenigen Schadensersatz fordern.

Wann das der Fall sein wird, steht noch in den Sternen. Ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest. Dafür müssen die wichtigen Unterlagen erst einmal das Verwaltungsgericht erreichen.

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