Wütender Protest in Dortmund „Fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker - wenn Sie noch einen finden“

Streik: Hunderte Apothekerinnen und Apotheker protestieren in Dortmund
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Es ist ein lauter Protest, er ist emotional und er ist in der Dortmunder Innenstadt deutlich bemerkbar: Mehr als 500 Menschen, die in Apotheken beschäftigt sind, stehen am Mittwoch (14.6.) auf dem Friedensplatz.

Die meisten sind in den charakteristischen weißen Kitteln gekommen, die in der der gleißenden Juni-Sonne in Dortmund grell reflektieren. Diese Berufsgruppe ist sonst eher selten bei politischen Protesten auf der Straße zu sehen.

Umso bemerkenswerter ist die Wucht, mit der die Anwesenden ihren Ärger über die aktuelle Situation hinausschreien, -rasseln, trillern oder -trommeln.

Eltern brauchen Fiebersaft

Viele der Schwierigkeiten dieses Berufsstands bekommen Menschen in dem Moment mit, in dem sie auf eine Apotheke angewiesen sind. Seit Monaten gibt es Schlagzeilen über Lieferengpässe bei vielen Medikamenten.

Eindrucksvoll schildert eine Apothekerin auf der Bühne eine Situation, die viele hier den Reaktionen nach zu kennen scheinen.

Ein besorgtes Elternpaar steht mit ihrem frisch aus dem Krankenhaus entlassenen Kleinkind in ihrem Geschäft und benötigt Fiebersaft.

Weil dieser aber nicht verfügbar ist, telefoniere sie Großhändler und umliegende Apotheken ab, um der Familie zu helfen und arbeite sich dabei noch durch viel Bürokratie. „Und was bekomme ich für diese zusätzliche Arbeit? Nichts.“ Es wird wieder laut auf dem Friedensplatz.

Angestaute Wut

„Man merkt die Wut, die sich bei vielen Teams angestaut hat, die sich nach den Jahren der Pandemie nicht wertgeschätzt fühlen“, sagt Michael Beckmann, Dortmunder Apotheker und Vorsitzender der Bezirksgruppe Dortmund im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL).

„Ich bin begeistert, dass so eine geschlossene Aktion war, die ein eindrucksvolles Zeichen an die Politik sendet“, sagt Dr. Felix Tenbieg, Sprecher der Dortmunder Betriebe.

Protest in der Dortmunder Innenstadt. Viele Beschäftigte der Apotheken kamen in weißen Kitteln.
Protest in der Dortmunder Innenstadt. Viele Beschäftigte der Apotheken kamen in weißen Kitteln. © Felix Guth

Ein häufiger Vorwurf, auch seitens der Politik, lautet: Apotheken hätten in der Pandemie profitiert und dürften sich deshalb jetzt nicht beschweren.

Apotheker Michael Mantell sagt dazu: „Wir leisten in der Pandemie wichtige Arbeit für die Gesellschaft und hinter unserem Rücken kürzt man uns die Spanne. Das ist unmöglich. Das würden niemand mitmachen.“

„Apothekensterben“ in Dortmund

„Das ist mein erster Streik“, sagt eine Frau Anfang 40, als sie auf den mehrere hundert Meter langen Protestzug blickt, der auf den Westenhellweg einbiegt. Das ist von mehreren hier zu hören.

Auf einem Schild einer Demonstrantin steht: „Bitte fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker – wenn sie dann noch einen finden“. Das nimmt Bezug auf das „Apothekensterben“, das auch vor Dortmund nicht Halt macht.

Zwar ist Versorgungslage in der Großstadt insgesamt noch ausreichend. „Aber wir haben in den vergangenen zehn Jahren 23 Prozent der Apotheken verloren“, sagt Dr. Felix Tenbieg, Branchen-Sprecher für Dortmund. 116 Apotheken gibt es in Dortmund, vor zehn Jahren waren es noch 152.

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