Stimmung im Handwerk im Keller "Absturz der Erwartungen, den wir so noch nie hatten"

Stimmung im Handwerk im Keller: Kammerpräsident macht Betrieben Mut
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An Aufträgen mangelt es in vielen Bereichen des Handwerks eigentlich nicht. Die Stimmung bei den Betrieben ist aber sehr schlecht. „Unsere Konjunkturumfrage in diesem Herbst zeigt einen Absturz der Erwartungen, den wir so noch nie hatten. Und wir machen die Umfragen seit den 70er-Jahren“, sagt Berthold Schröder, Präsident der Handwerkskammer Dortmund.

Steigende Energiepreise und Inflationsraten, teure, teils fehlende Baustoffe und die Frage, ob es nicht demnächst noch neue Probleme in den Beziehungen mit China gibt: Diese Gemengelage ist für ihn die Ursache für eine große Verunsicherung, die er „historisch“ nennt. Nur 58 Prozent der befragten Unternehmen im Kammerbezirk erwarten in den kommenden sechs Monaten eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage. Selbst zu Corona-Hochzeiten im Herbst 2020 sahen weniger Firmen so schwarz.

Konjunkturindikatoren wie Umsatz, Nachfrage oder Investitionen sind teils deutlich rückläufig. Auch die Zahl der Beschäftigten ist gesunken; während bei 18 Prozent der Handwerksunternehmen neue Mitarbeiter eingestellt wurden, gab es bei 23 Prozent der Betriebe Rückgänge. Besonders prägnant ist die Entwicklung der Verkaufspreise. „74 Prozent berichten, dass sie ihre Preise erhöhen mussten. Das ist auch ein historisches Ergebnis.“

Baugewerbe steht gut da

Unterscheidet man nach Gewerbegruppen, ergibt sich ein sehr unterschiedliches Bild. Im Bauhaupt- und im Ausbaugewerbe ist die aktuelle Stimmungslage trotz steigender Zinsen und Baukosten bei 95 bzw. 90 Prozent der Firmen gut. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt.

„Die weiterhin hohe Nachfrage nach Bauleistungen, zum Beispiel bei der energetischen Sanierung von Gebäuden, sorgt für eine noch gute Auftragslage im Bauhaupt- und Ausbaugewerbe.“ Getrübt werde die Situation jedoch durch gestörte Lieferketten und Materialknappheit. Diese Unsicherheiten führe in Verbindung mit dem hohen Materialpreisniveau zu vermehrten Stornierungen und Auftragsverschiebungen im Baubereich.

Ganz anders ist die Stimmung aktuell in den Nahrungsmittel- und Gesundheitshandwerken. Gerade einmal 62 bzw. 65 Prozent bewerten ihre aktuelle Lage als zumindest befriedigend. Es sind besonders die energieintensiven Betriebe wie Bäcker mit ihren Öfen oder Fleischer mit ihren Kühlhäusern, die unter den Energiekosten ächzen. Mit weiteren Preissteigerungen rechnen hier 87 Prozent, niemand erwartet Rückgänge. „Die nötigen Preiserhöhungen durchzusetzen“, so Berthold Schröder, „ist allerdings schwierig. Die Verbraucher kaufen irgendwann die Industrieprodukte in den Supermärkten.“

Olesja Mouelhi-Ort, Geschäftsführerin der Handwerkskammer Dortmund, sorgt sich um die Personallage in den Betrieben. „In fast jedem zweiten Betrieb bleiben Stellen derzeit unbesetzt“, sagt sie.
Olesja Mouelhi-Ort, Geschäftsführerin der Handwerkskammer Dortmund, sorgt sich um die Personallage in den Betrieben. „In fast jedem zweiten Betrieb bleiben Stellen derzeit unbesetzt“, sagt sie. © HWK Dortmund

Zur angespannten politisch-wirtschaftlichen Großwetterlage kommt für das Handwerk noch ein sich seit Jahren verschärfendes Problem hinzu: der Personalmangel. „In fast jedem zweiten Betrieb bleiben Stellen derzeit unbesetzt“, fasst Olesja Mouelhi-Ort das Ergebnis einer Sonderumfrage zur Fachkräftesicherung zusammen. Im Kammerbezirk fehlen rund 1200 Fachkräfte, 500 allein in den Bereichen Bauelektrik und Sanitär, Heizung, Klima. Nicht viel besser ist es um die Nachwuchsgewinnung bestellt. Mehr als ein Fünftel der Handwerksunternehmen im Kammerbezirk sucht Auszubildende.

1200 Fachkräfte fehlen

Eine schlechte Qualität der Bewerber, hohe Gehaltsforderungen der geeigneten Kräfte, fehlende Informationen und ein Imageproblem machen bei der Fachkräfte-Rekrutierung vor allem Probleme. „Es braucht unter anderem eine bessere Berufsorientierung an den Schulen, Werkunterricht in allen Schulformen und günstige Nahverkehrstickets“, sagt Olesja Mouelhi-Ort. „Und wir selbst“, ergänzt Präsident Schröder, „müssen im Handwerk familienfreundlicher sein, eine Elternzeit anbieten und die Samstagsarbeit weglassen. Das müssen wir auch kommunizieren.“

Energiekrise, Materialknappheit und Inflation treffen das Handwerk unterschiedlich. „Dem Bauhauptgewerbe geht es noch relativ gut“, sagt Kammerpräsident Berthold Schröder in Dortmund. Zu spüren sei allerdings, dass institutionelle Investoren - beispielsweise Wohnungsgesellschaften - derzeit zurückhaltend sind.
Energiekrise, Materialknappheit und Inflation treffen das Handwerk unterschiedlich. „Dem Bauhauptgewerbe geht es noch relativ gut“, sagt Kammerpräsident Berthold Schröder. Zu spüren sei allerdings, dass institutionelle Investoren - beispielsweise Wohnungsgesellschaften - derzeit zurückhaltend sind. © picture alliance/dpa

Es gebe also Perspektiven, meint Berthold Schröder. Und trotz einer „vielleicht auch überzogen schlechten Erwartungshaltung“, stehe das Handwerk immer noch stabil da. „Wir haben viele gute Jahre hinter uns“, sagt er. Und es gebe doch aktuell auch gute Nachrichten: „Die Gasspeicher sind voll, die Gaspreise fallen wieder und die Industrieproduktion steigt.“

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