Aus und vorbei: Der gesamte Gewinn, den DEW (Dortmunder Energie und Wasser) 2023 erwirtschaftet hatte, war auf einen Schlag futsch. Komplett aufgezehrt und vernichtet durch die betrügerischen Machenschaften, mit denen die eigene Tochter stadtenergie rund 70.000 Kunden mit überhöhten Abrechnungen hinters Licht geführt hat. Der Gesamtschaden beläuft sich auf rund 74 Millionen Euro, für die DEW eigens Rückstellungen bilden musste. Vom Jahresgewinn blieb nichts. Das schmerzt. Nicht nur DEW.

Das finanzielle Debakel schlägt wie in einer Kettenreaktion bis auf den Hauptgesellschafter Dortmunder Stadtwerke (DSW21) durch. DSW21, für die Finanzierung von Bus und Bahn auf nahezu jeden Cent angewiesen, verbuchte seinerseits einen Schaden von 44 Mio. Euro. Nicht nur, weil DSW21 keinen einzigen Euro von der Tochter erhielt. DSW21 musste für DEW sogar noch einspringen und 10 Millionen Euro an Westenergie abführen, den zweiten Gesellschafter von DEW. Eine Rendite, die üblicherweise DEW an Westenergie hätte überweisen müssen.
Auch 2024 wird zum Dürrejahr
Aktuell sieht die Lage in Dortmund nur wenig besser aus. Immerhin: DEW wird demnächst aller Voraussicht nach zumindest die Rendite an Westenergie wieder aus eigener Kraft zahlen können. Dafür könnten die Stadtwerke zum zweiten Mal hintereinander leer ausgehen. "Da wird kein nennenswerter Betrag von der Tochter erwartet", heißt es in politischen Kreisen. 35 Millionen Euro hatte DSW aus dem Jahr 2024 eingeplant. Auch die sind nun mit hoher Wahrscheinlichkeit verloren. Die Stadtwerke werden als Ausgleich erneut auf ihre Millionenerlöse aus dem Steag-Verkauf zurückgreifen müssen.
Und DEW? Wie geht’s weiter beim Dortmunder Energieversorger, der unter anderem sein Stromnetz ertüchtigen und den Fernwärme-Ausbau vorantreiben soll? Wie kolportiert wird, müsse DEW in den kommenden Jahren rund 600 Millionen Euro allein ins Stromnetz investieren. Das Problem: DEW benötigt Geld. Die Eigenkapitaldecke ist dünn und beeindruckt die Banken bei Kreditverhandlungen nur mäßig. DEW braucht die Hilfe seiner beiden Gesellschafter – und will im Gegenzug seinen eigenen Beitrag leisten.
Das gibt es nun auch schriftlich: DSW21, DEW und Westenergie haben eine so genannte „Transformationsvereinbarung“ beschlossen, die vom DEW-Betriebsrat per Unterschrift mitgetragen wird. Kernpunkte des insgesamt siebenseitigen Papiers: Die beiden Gesellschafter DSW21 und Westenergie ziehen eine insgesamt 100 Millionen Euro schwere Geldspritze für DEW auf. Dafür bekam Westenergie am Donnerstag (19.12) das Okay seiner Muttergesellschaft E.ON. Das Geld soll die Eigenkapitalquote von DEW stärken.
DEW braucht Einnahmequellen
Ob das reicht, darf aber bezweifelt werden. DEW hatte bereits vor Monaten einen Finanzierungsbedarf von 300 Mio. Euro in den Raum gestellt. Und gleich auch Ideen für mögliche Einnahmequellen geliefert. Ein Teil dieser Ideen findet sich nun in der schriftlichen Vereinbarung wieder, wenn auch teilweise noch wenig konkret. Das Papier öffnet beispielsweise die Tür für den Verkauf der rund 65 Windkraftanlagen von DEW. An wen, bleibt aber offen: DSW21-Vorstandssprecher Jörg Jacoby möchte die Unternehmenswerte („Assets“) möglichst innerhalb des DSW21-Stadtkonzerns zusammen halten.
Er strebt keinen Verkauf an Private an. Wenn, so sein Credo, komme DSW21 als Abnehmer in Betracht. Nur: Da die Anlagen noch nicht bewertet sind, kann aktuell niemand sagen, wieviel Geld sie bei einem Verkauf in die DEW-Kasse spülen.
Das Papier nennt weitere Einnahmequellen: DEW könnte sich von seinen Dokom-Anteilen trennen und sie an DSW21 weiterreichen. 11 Prozent hält der Energieversorger am kommunalen Telekommunikations-Unternehmen, weitere 84 Prozent liegen bei DSW21. Die Höhe des möglichen Ertrages? Ebenfalls nicht durchgerechnet. Selbst eine Beteiligung von Westnetz an den Leitungsnetzen von DEW ist nicht ausgeschlossen. Das ginge über einen Einstieg von Westenergie bei Donetz. Eine Variante, die für DSW21-Mann Jacoby aber eher nicht infrage kommen dürfte.
Potenzielle Geldquellen sind also erstmal gefunden, zumindest theoretisch. Wirklich konkret bleiben allein die 100 Millionen Euro von DSW21 und Westenergie.
Versorger hat ehrgeizigen Plan
Im Gegenzug soll nun auch DEW liefern:Dortmunds Energielieferant muss in den kommenden Jahren kräftig die Ausgabenbremse treten. Der Energieversorger will nun Jahr für Jahr so sparen, dass die Personal- und Sachkosten ab 2029 um 25 Millionen Euro sinken. Dabei sollen dann auch auch Stellen abgebaut werden, die Belegschaft ist darüber im Bilde.
DEW hat insgesamt 1050 Mitarbeiter. Um wieviel die Zahl reduziert werden soll, bleibt aktuell unklar. Betriebsbedingte Kündigungen sind kein Thema, der Stellenabbau soll sozialverträglich abgewickelt werden, etwa über Abfindungen und Altersteilzeit-Programme. „Das war für den DEW-Betriebsrat eine entscheidende Voraussetzung zur Mitunterzeichnung des Papiers“, sagt jemand, der mit den Vorgängen vertraut ist.

Die Marschrichtung ist ehrgeizig, die Ziele sind ambitioniert: Nach einem Ergebnis von „Null“ in 2023 und einer geringen Erwartung fürs aktuelle Geschäftsjahr will DEW schon 2025 wieder 39 Millionen Euro Plus schreiben. Der Gewinn soll in der Folge Jahr für Jahr gesteigert werden. 2030, so die Vereinbarung, soll DEW an alte Zeiten anknüpfen und satte 80 Millionen Euro Gewinn einfahren. Ist das Szenario realistisch? DEW-Chef Dr. Gerhard Holtmeier jedenfalls spricht von einem "klaren Plan."
Die Geister der Vergangenheit
Darauf habe man sich "verbindlich geeinigt", so Holtmeier. „Wir wissen unsere Gesellschafter als starke Partner an unserer Seite." Das gebe DEW echten Rückenwind. Mit einem „eindeutigen Focus auf Kundennähe, bessere Steuerung und Wirtschaftlichkeit“ sei DEW für die kommenden Jahre richtig aufgestellt, erklärt Holtmeier in einer offiziellen Verlautbarung.
Doch die Geister der Vergangenheit wird Dortmunds Grundversorger so schnell nicht los: Die umstrittene Einkaufspolitik aus dem Krisenjahr 2022, als DEW zu hohen Summen teure Energie beschaffte, wird dem Versorger noch 2025 auf die Füße fallen. DEW muss die für drei Jahre bestellten Mengen unter den damaligen Einkaufspreisen wieder los werden. Wirtschaftsberater hatten ausgerechnet, dadurch könne DEW ein Schaden von „bis zu 100 Millionen Euro entstehen“, mindestens aber Verluste in einem hohen, zweistelligen Millionenbereich. Ob DEW deshalb Schadenersatz gegen seine frühere Chefin Heike Heim geltend machten kann, werden die Juristen beantworten müssen.