Dirk Rojahn ist Leiter des Tierschutzzentrums Dortmund.

Dirk Rojahn ist Leiter des Tierschutzzentrums Dortmund. © Sabrina Fehring

Steigende Tierarztkosten ab Herbst - Landen dann mehr Haustiere im Tierheim?

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Ab November tritt eine neue Gebührenordnung für Tierärzte in Kraft. Tierschutzvereine befürchten eine steigende Anzahl an ausgesetzten Haustieren. So sieht das Tierschutzzentrum Dortmund die Vermutungen.

Dortmund

, 29.08.2022, 08:17 Uhr / Lesedauer: 3 min

Ein munteres Vogel Geschnatter übertönt beinahe das Gespräch zwischen Dirk Rojahn und seinem Arbeitskollegen. In der Ferne hört man ein Konzert aus Hundegebell. Ruhig ist es an Rojahns Arbeitsplatz nie. Er ist Leiter des Tierschutzzentrums in Dortmund-Dorstfeld.

Rund 1200 Tiere kommen über das Jahr verteilt in die Obhut des Tierschutzzentrums. Doch diese Zahl könnte bald drastisch steigen.

Im Tierschutzzentrum gibt es auch exotische Tiere, zum Beispiel Schlangen.

Im Tierschutzzentrum gibt es auch exotische Tiere, zum Beispiel Schlangen. © Sabrina Fehring

Ab Herbst steigen die Kosten für Tierarztbehandlungen. Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) tritt die neue Gebührenordnung für Tierärzte ab dem 22.11.2022 in Kraft.

Eine Anpassung der Gebührensätze war dringend nötig

Dr. Mechthild Lütke Kleimann, Hauptgeschäftsführerin der Tierärztekammer Westfalen-Lippe, erklärt, dass die neue Ordnung in den Augen der Tierärzte lange nötig war. „Die Kosten haben sich in den letzten Jahren so weiter entwickelt, dass die aktuellen Gebührensätze dringend anzupassen waren.“

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Eine pauschale Anpassung wie zuletzt die Preissteigerung von 12 Prozent im Jahr 2017 decke nicht umfassend alle Kostenfaktoren ab. Dies ergab auch eine Studie des BMEL, die die finanziellen und strukturellen Auswirkungen hinsichtlich der Angemessenheit der Gebührensätze der Gebührenordnung für Tierärzte prüfte.

Hexe wird nicht vermittelt - sie ist die eigene Hauskatze des Tierschutzzentrums.

Hexe wird nicht vermittelt - sie ist die eigene Hauskatze des Tierschutzzentrums. © Sabrina Fehring

Tierschutzzentrums Leiter Rojahn sieht die Anpassung der Gebührenordnung ebenfalls als angemessen. „Die Palette, wie man Tieren helfen kann, hat sich erweitert. Die neuen Möglichkeiten kommen den Tieren zugute, da manche Krankheiten besser erkannt und behandelt werden“, so Rojahn. „Der Fortschritt ist ein Fortschritt und das kostet natürlich auch Geld. Ich bin froh, dass es Behandlungen gibt, die es früher nicht gab.“

Doch die neue Gebührenordnung trifft nicht überall auf Zuspruch. Heike Beckmann von der Arche90 vermutet, dass viele Menschen irgendwann ihre Haustiere nicht mehr tierärztlich versorgen können, weil das Geld knapp wird.

„Habe ich am Monatsende noch etwas zu essen oder gehe ich zum Tierarzt?“

Beckmann erzählt, dass schon jetzt viele Leute berichten, dass das Geld für tierärztliche Behandlungen knapp wird. „Für Menschen, die ein kleines Einkommen oder eine kleine Rente haben, wird sich bald die Frage stellen, habe ich am Monatsende noch etwas zu essen oder gehe ich zum Tierarzt?“

Die Arche90 befürchtet, dass zukünftig immer mehr alte kranke Tiere ausgesetzt werden könnten und letztendlich in den Tierheimen landen. Dann bleiben die Kosten bei den Tierschutzvereinen oder der Stadt. „Die Frage ist, wie lange die Tierschutzvereine das noch stemmen können“, so Beckmann.

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Rojahn sieht allerdings noch keine steigende Zahl von Haustieren voraus, die in Tierheimen wieder abgegeben werden. „Wer sein Tier liebt, wird auch die steigenden Kosten zahlen“, vermutet er.

Gleichzeitig sieht er aber auch, dass es einige Menschen an den Rand des Machbaren bringen könnte. „Natürlich trifft es immer den, der nicht viel hat.“ Allerdings sollten Tierhalter immer vorab bedenken, dass bei Haustieren viele Kosten auf einen zukommen können. Schließlich würden die Kosten nicht erst jetzt steigen.

„Bei uns bleibt kein Tier unterversorgt“

Selbst machen sie sich keine Sorgen um die steigenden Preise der Behandlungskosten. Ein Vertragsarzt kommt dreimal wöchentlich ins Tierschutzzentrum, um die Schützlinge zu behandeln. An der Versorgung wird sich auch zukünftig nichts ändern. „Bei uns bleibt kein Tier unversorgt. Was gemacht werden muss, machen wir auch“, so der Zentrumsleiter.

Hier werden die Hunde im Tierschutzzentrum tierärztlich versorgt.

Hier werden die Hunde im Tierschutzzentrum tierärztlich versorgt. © Sabrina Fehring

Als städtischer Betrieb kann sich das Tierschutzzentrum auf die volle Unterstützung der Stadt Dortmund verlassen. Hin und wieder helfen aber auch Großspenden zusätzlich.

Mit einer Spende haben sie beispielsweise eine Industriespülmaschine finanziert. „Da werden die Näpfe so heiß gespült, die sind im Anschluss nicht nur sauber, sondern auch desinfiziert“, erklärt Rojahn.

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Das ist eine Maßnahme des Tierschutzzentrums, um das Erkrankungsrisiko unter den Tieren zu senken. Laut Rojahn gäbe es verschiedene Möglichkeiten, die Gesundheit des eigenen Tieres zu fördern, um damit viele Tierarztbesuche zu vermeiden.

Dirk Rojahn ist Leiter des Tierschutzzentrums Dortmund.

Dirk Rojahn ist Leiter des Tierschutzzentrums Dortmund. © Sabrina Fehring

Eine Option, hohe Tierarztkosten zu vermeiden, ist eine Krankenversicherung für Tiere. „Die Versicherungen sind noch nicht so verbreitet, wie sie es sein sollten“, so Rojahn.

Versicherungen nehmen nicht alle Tiere an

Das Problem ist allerdings, dass Versicherungen Tiere ab einem gewissen Alter oder mit bestimmten Erkrankungen nicht mehr annehmen, oder die Versicherung dann zu teuer wird, erklärt Alexander Borowski vom Finanzdienstleister Swiss Life Select. Er berät auch hin und wieder Kunden zu Tierkrankenversicherungen.

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Bei den Versicherungen gäbe es viele Unterschiede, zum Beispiel, ob eine Versicherung nur Operationen abdeckt oder alle Behandlungen, mit oder ohne Selbstbeteiligung. Insgesamt können auch dabei hohe Kosten auf Tierbesitzer zukommen. „Meistens wollen es die Leute nicht machen oder erst wenn es zu spät ist“, sagt Borowski.