
© Thomas Thiel
Stadt bemängelte Hygiene in Kana-Suppenküche – Ehrenamtliche sprechen von „Frechheit“
Lebensmittel-Kontrollen
Die Kana-Suppenküche füllt täglich kostenlos den Magen Hunderter Bedürftiger. Nach Ansicht der Stadt Dortmund ging es dabei lange Zeit nicht hygienisch genug zu. Die Ehrenamtler sind empört.
Die Kana-Suppenküche in der Nordstadt ist ein dicker Verbindungsknoten im sozialen Geflecht Dortmunds. Seit 1991 versorgt sie fünf Mal die Woche mittags all jene, die es sich nicht leisten können, für Essen zu bezahlen.
Durchschnittlich 300 Menschen essen an jedem Öffnungstag an den Tischen im hellen Speisesaal des Vereins an der Mallinckrodtstraße 114 Grünkohl, Linsensuppe oder Nudeln: Obdachlose und Hartz-IV-Bezieher, aber auch alleinerziehende Mütter und Alte, deren Rente nicht zum Leben reicht. „Wir kümmern uns um die Leute, die vom Staat abgehängt wurden“, sagt Bernd Büscher aus dem Leitungskreis des Vereins.
„Wir hatten noch nie eine Massenvergiftung“
Dieses Kümmern hat der Suppenküche und ihren rund 75 ehrenamtlichen Helfern in den vergangenen Monaten kostspieligen Ärger bereitet. Nach einer Kontrolle der Lebensmittelüberwachung musste der Verein für rund 8000 Euro seine Toiletten umbauen und seine internen Abläufe ändern. Der Grund: Den Kontrolleuren des Ordnungsamts war der Umgang der Suppenküche mit der Hygiene zu lax.
Dieser Befund brachte wiederum die Ehrenamtler auf den Baum. „Wir machen das seit 27 Jahren und hatten hier noch nie eine Massenvergiftung“, sagt etwa Sigrid Hefendehl. „Völlig überzogen“, nennt ihr Kollege Büscher die Vorgaben. „Wir kochen hier so, wie wir auch bei uns zuhause kochen.“
Gleiche Maßstäbe wie bei einer gewerblichen Küche
Und genau da liegt das Problem. Denn während die Mitglieder ihre Suppenküche als unbürokratische Bürgerhilfe aus Nächstenliebe verstehen, übt diese für die Lebensmittelüberwachung eine sogenannte „überwachungspflichtige lebensmittelunternehmerische Tätigkeit“ aus. Heißt: Aus Sicht des Ordnungsamtes gelten für die Kana-Suppenküche die gleichen Hygiene-Regeln wie für eine gewerbliche Großküche.
Die ehrenamtlichen Helfer aus der Nordstadt mussten deshalb in den vergangenen Monaten ein umfangreiches EU-Lebensmittelschutz-Konzept aufstellen, das von allen Lebensmittelunternehmen verlangt wird. Seitdem müssen die Suppenküchen-Helfer beispielsweise die Temperatur der Mahlzeiten messen und dokumentieren, um nachweisen zu können, dass sich keine Krankheitserreger in zu kaltem Essen breitmachen können.

„Das Jobcenter schickt die Leute zu uns“: Hella Steitz, Bernd Büscher und Sigrid Hefendehl vom Kana-Leitungskreis im Speisesaal der Suppenküche. © Thomas Thiel
Und so landet mehrmals pro Tag ein Thermometer in den Tellern, deren Inhalt unmittelbar vorher noch in den kochenden 60-Liter-Töpfen der Suppenküche geschwappt ist. „Wir machen das zähneknirschend“, sagt Büscher, „für uns Praktiker ist das Satire“. Auf der einen Seite verlasse sich der Staat auf die komplett von Spenden finanzierte Suppenküche („Das Jobcenter schickt die Leute zu uns“, sagt Hefendehl); auf der anderen Seite mache er dem Verein das Leben schwer.
Eine andere Vorgabe nennt Kana-Vereinsmitglied Hella Steitz sogar „menschenverachtend“. Es geht um die Vorgabe der Lebensmittelüberwachung, das Obst, das die Suppenküche an ihre Gäste ausgibt, als „ungewaschen“ zu kennzeichnen. Das sei ein Hohn angesichts der Lebensumstände einiger Suppenküchen-Gäste. „Das ist zynisch, wenn man sich vorstellt, dass sich einige unserer Gäste ihr Essen sonst aus dem Müll fischen“, sagt Steiz.
Stadt hat „höchste Achtung vor der Arbeit der Kana-Suppenküche“
Der Stadt ist das ganze Thema etwas unangenehm. „Die Stadt Dortmund hat höchste Achtung vor der Arbeit der Kana-Suppenküche“, heißt es auf Nachfrage der Redaktion. Doch in der Sache bleibt sie hart: „Jeder Gast hat es verdient, Speisen aus einer sauberen Küche zu erhalten, die unter Einhaltung der gängigen hygienischen Standards verarbeitet wurden“ – egal ob in einem Edel-Restaurant oder in einer Suppenküche.
Genau dabei habe die Kana-Suppenküche eben Nachholbedarf gehabt, schreibt die Stadt weiter. Fünfmal sei die Suppenküche seit 2010 kontrolliert worden, immer habe es Beanstandungen gegeben, besonders bei den letzten beiden Kontrollen: „Es war schlichtweg dreckig.“
Die Kontrolleure nennen als Beispiel Mettwürste, deren Mindesthaltbarkeitsdatum zum Zeitpunkt der geplanten Verarbeitung bereits abgelaufen gewesen sei, oder einen vollen Aschenbecher am Waschbecken. Kana-Mitglied Bernd Büscher nennt das Urteil des Ordnungsamts eine „ziemliche Frechheit“. Die beiden genannten Beispiele seien Einzelfälle.
Beide Seiten wollen Streit hinter sich lassen
Dennoch: Alle Seiten haben den Wunsch, den Streit rund um die eigentlich von allen gewollte gute Sache hinter sich zu lassen. Die Kana-Suppenküche hat die Liste der Mängel nach eigener Aussage abgearbeitet. Und die Stadt betont, dass sie den Ehrenamtlern glaubt und auf eine gebührenpflichtige Nachkontrolle verzichtet, ebenso wie auf ein Busgeldverfahren, das sie bei vergleichbaren Mängeln in einer gewerblichen Küche eingeleitet hätte.
Suppenküchen-Mitorganisatorin Sigrid Hefendehl hofft, dass damit der Regulierungseifer des Staates befriedigt ist: „Wir wollen nicht noch mehr Hindernisse und Sperren bei unserer Arbeit.“
Die Kana-Suppenküche
- Knapp 80.000 bedürftige Gäste versorgt die Suppenküche pro Jahr.
- Der Betrieb der Suppenküche kostet rund 10.000 Euro pro Monat, die komplett aus Spendengeldern stammen.
1984 geboren, schreibe ich mich seit 2009 durch die verschiedenen Redaktionen von Lensing Media. Seit 2013 bin ich in der Lokalredaktion Dortmund, was meiner Vorliebe zu Schwarzgelb entgegenkommt. Daneben pflege ich meine Schwächen für Stadtgeschichte (einmal Historiker, immer Historiker), schöne Texte und Tresengespräche.
