Sorge nach Messerangriff im Hauptbahnhof „Vor Kurzem wurden wir mit Steinen beworfen“

Angestellte im Hauptbahnhof nach Messerangriff auf DB-Mitarbeiter in Sorge
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Es ist einer der heftigsten Fälle in einer längeren Reihe an Gewaltdelikten am Dortmunder Hauptbahnhof, laut Statistiken einer der gefährlichsten Bahnhöfe Deutschlands.

Ein 56-jähriger Mitarbeiter der Deutschen Bahn schwebt nach einem Messerangriff in einem Ticketshop in Lebensgefahr. Mutmaßlicher Täter ist ein 22 Jahre alter Mann, mit dem es zuvor einen Streit um die Verlängerung einer Monatskarte gegeben haben soll.

Sichtschutz vor Ticketshop

Die Umstände des Falls sind bestürzend. Offenbar kam der Täter nach dem Streit zurück und stach dann mehrfach auf den Mitarbeiter ein.

Der Zugang zu dem Ticketshop ist am Donnerstag mit einem Sichtschutz verklebt. Bundespolizisten sichern den Eingang, während drinnen die Spurensicherung arbeitet. Rund um das Geschäft, das kurz hinter dem Eingang in die Haupthalle liegt, läuft der Betrieb weiter, als wäre nichts geschehen.

Viele arbeiten im Hauptbahnhof

Reisende hetzen an den Geschäften im Bahnhof vorbei. Dönerbude, Asia-Imbiss, Supermärkte, Bäckereien, ein Donut-Laden und mehr: Hinter dem Haupteingang beginnt eine eigene kleine Geschäftswelt. Das bedeutet auch, dass es Menschen gibt, die täglich an einen der statistisch gefährlichsten Orte Dortmunds kommen. Sie müssen, weil das ihr Arbeitsplatz ist.

Wie fühlt sich das an? Die meisten, die am Tag der schockierenden Tat arbeiten, haben darauf eine klare Antwort. Aihan (26) arbeitet in dem Imbiss direkt neben dem Ticketshop. „Es gibt keinen Tag, an dem es keinen Ärger gibt. Das ist alles nicht mehr normal hier“, sagt er.

Er habe das Opfer flüchtig gekannt. „Der geht hier immer Kaffee trinken“, erzählt er und ist dabei noch sichtlich bewegt von der Aufregung am Mittag.

Roberta (43) und I-Chu (30) arbeiten in der Kaffeebar „Haferkater“, die am Eingang zur Stadtbahn-Station liegt. „Wir haben jeden Tag zu kämpfen“, sagt Roberta. Sie schildert mehrere Szenen aus der jüngeren Vergangenheit. „Vor Kurzem wurden wir im Vorbeigehen mit einem Stein beworfen. Es gab jemanden, der mir heißen Kaffee ins Gesicht schütten wollte. Es gibt keine Sicherheit.“

Diesen Eindruck bestätigen auch weitere Angestellte und Ladenbetreiber. Im Asia-Imbiss sorgen aggressive Bettler häufiger für Probleme. Im Donut-Laden nebenan sieht man eher die Aggressionen der Menschen im Bahnhof untereinander als Problem. Hier ist eine Reaktion darauf: Für die Schichten bis in den späten Abend wird nach Möglichkeit kein weibliches Personal eingesetzt.

Schlafsäcke und Decken von wohnungslosen Menschen liegen vor dem Eingang zum "Rewe to go" am Hauptbahnhof Dortmund.
Ein Schlaflager von wohnungslosen Menschen direkt vor dem Eingang zum "Rewe to go" am Hauptbahnhof Dortmund. © Felix Guth

Viele Aggressionen im Supermarkt

Außerhalb der Bahnhofshalle liegt der „Rewe to go“-Supermarkt, 24 Stunden geöffnet und immer stark frequentiert, auch an diesem Donnerstag, an dem eine sonderbare Stimmung in der Luft liegt.

„Ich war schon schockiert, als ich das gehört habe, bevor ich zur Arbeit gekommen bin“, sagt Mitarbeiterin Anna. Dabei gehört für sie und ihrer Kolleginnen und Kollegen die Konfrontation mit Gewalt und Aggression zum Alltag.

Drogen und Alkohol seien ein Problem, sagt Anna. Personal sei „bepöbelt, geschubst und bespuckt“ worden. Nachts ist am Rewe ein Sicherheitsdienst eingesetzt, tagsüber sind die Angestellten oft sich selbst überlassen.

„Letztes Jahr kam ein junger Mann mit Messer rein und hat gerufen ‚Ich töte euch alle´ und gesagt, dass er ein Messer dabeihat“, sagt Anna, die hier neben ihrem Studium arbeitet. „Manchmal habe ich Angst.“

Wunsch nach mehr Polizei

Es ist durchaus erstaunlich, mit welcher Abgeklärtheit die Menschen hier mit dem rauen Alltag am Hauptbahnhof umgehen. „Man denkt nicht an die Gefahr. Sonst würde man es nicht zur Arbeit schaffen“, sagt eine Mitarbeiterin von „Yormas“.

Es gibt noch etwas, was viele hier äußern: den Wunsch nach einem konsequenteren Vorgehen der Polizei. „Sie kommen immer erst, wenn etwas passiert ist“, sagt Rewe-Mitarbeiterin Anna. Und Dönerverkäufer Aihan findet, dass Maßnahmen der Polizei oft „nicht weitreichend genug“ seien. „Die Polizei muss hier mehr machen“, sagt auch Roberta von „Haferkater“.