Es klingelt an der Haustür des Mehrfamilienhauses. Die Frau in der zweiten Etage öffnet und hört von unten die Stimme: „Hier ist der Energieversorger, ich will nur einmal im Keller was nachgucken.“
Das bereits könnte der Beginn eines untergeschobenen Energievertrags sein – ein Fall, wie er zurzeit immer wieder bei der Dortmunder Verbraucherberatung landet.
„Die Beratungszahlen zum Energierecht haben sich in Dortmund mehr als verdoppelt“, sagt die Leiterin der Dortmunder Beratungsstelle Alexandra Kopetzki.
Fragwürdige Methoden
Der vermeintliche Mann vom Energieversorger notiert sich im Keller des Mehrfamilienhauses die Zählernummern und die Namen auf den Türschildern. Kurze Zeit später bekommen die Bewohner des Hauses Post mit der Nachricht, dass sie einen Versorgungsvertrag abgeschlossen haben; denn mit der Zählernummer, mit Namen und Adresse, so Kopetzki, kann der Anbieter auch ohne Vertragsschluss ungewollt einen Lieferantenwechsel einleiten. Eine Kundenvollmacht muss nur im Ausnahmefall vorlegen.
Nicht nur an der Haustür werden Dortmundern ungewollte Energieverträge untergeschoben, sondern auch am Telefon, warnt die Verbraucherberaterin: „Da wird man angerufen und jemand meldet sich mit den Worten ,Hallo, hier ist ihr Energieversorger. Wir haben ein Angebot für Sie.‘ Und die Leute glauben, es sei DEW21.“
Auf diese Weise kämen Verträge zustande, berichtet Alexandra Kopetzi, deren Laufzeit erst Monate später beginnen würden. Erst dann bemerke der Kunde, dass ihm etwas untergeschoben wurde. Mit diesen fragwürdigen Methode wird die Energiekrise ausgenutzt. Die Folgen landen zurzeit zugespitzt bei der Verbraucherberatung.
Ausfüllhilfen im Internet
Ähnliches wie bei den Energieverträgen passiere auch bei Telekommunikationsverträgen, so Kopetzki: „Da gehen Drückerkolonnen ganze Straßenzüge durch und versuchen, an der Haustür unbemerkt Verträge abzuschließen. Viele der Geschädigten, die Hilfe bei der Verbraucherberatung suchten, hätten Sprachbarrieren. „Das wird bewusst ausgenutzt.“
Eine andere Masche sind Ausfüllhilfen im Internet, etwa wenn Eltern Kindergeld beantragen wollen. „Sie haben nur nach Formularen gesucht, sind im Internet auf eine kostenpflichtige Seite gestoßen, die aber als solche nicht klar ersichtlich ist, und bekommen dann eine Dienstleistungsrechnung“, erläutert Alexandra Kopetzki.
Inkasso-Forderungen
Von Gesetzes wegen müsste klar auf der Seite erkennbar sein, dass ihre Nutzung Geld kostet oder dass sich daraus ein Abo ergibt. Allerdings änderten sich diese Seiten nach Beobachtung der Verbraucherschützerin häufig und schnell. Dann sei nicht mehr klar, wie die Seite bei Eingabe der Daten ausgesehen habe. Solche Fälle tauchten vermehrt bei der Rechtsberatung der Dortmunder Verbraucherberatung auf.
Kopetzki rät deshalb, immer nur über die Internetseiten der Institutionen zu gehen, an die man Anträge stellt, zumal man auf diesen Ausfüllhilfen seine Daten preisgibt. Und wenn man dann nicht zahlt, kommen Inkasso-Forderungen. Kopetzki: „Das wäre das nächste Problem. Da hat man zwei, mit denen man sich auseinandersetzen muss.“
- Massenhafte Preiserhöhungsschreiben der Energieversorger auf der einen Seite und Entlastungspakete auf der anderen – die oft nicht vorhersehbaren Entwicklungen sorgten für einen nicht gekannten Ansturm auf die Dortmunder Verbraucherberatung.
- Rund 10.400 Menschen wandten sich 2022 mit ihren Anliegen an die Verbraucherschützer. Dafür sorgten neben den hohen Energiepreisen auch die gestiegene Inflation.
- Bei rund 3150 Rechtsberatungen und -vertretungen haben sich die Verbraucherschützerinnen zumeist erfolgreich für die berechtigten
Ansprüche von Ratsuchenden eingesetzt. - Um Wartezeiten auf eine individuelle Beratung zu vermeiden, wurden mit Online-Gruppensprechstunden und Videochat-Beratungen Kräfte gebündelt. Informationen Rechentools und interaktive Musterbriefe werden auf auf der Internetseite der Verbraucherzentrale NRW laufend aktualisiert.
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