Still, leise und fast ein bisschen heimlich hat der Rat der Stadt die „Einrichtung einer Planstelle für die Maßnahme Hoesch Spundwand (HSP)“ beschlossen. Der Beschluss ist mit zwei gravierenden Problemen verbunden: Erstens ist die Entwicklung der 52 Hektar-Brache in der Innenstadt seit dem Aus für das dort geplante Smart Rhino-Projekt nicht absehbar - die Stelle soll aber zum dritten Quartal 2023 besetzt werden. Zweitens: Die Beschlussfassung fand - ob absichtlich oder nicht ist unklar - weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Anfang Juli hatte Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) zusammen mit Wissenschaftsministerin Ina Brandes (CDU) das Aus für Smart Rhino verkündet - bemäntelt mit der Aussage, die Standorte der Fachhochschule würden künftig im Hafen gebündelt. Bis Ende 2022 hatte die Landesregierung noch Lösungen für eine Ansiedlung der FH auf dem ehemaligen HSP-Gelände gesucht - „aus haushaltsrechtlichen Gründen wurde diese Alternative im Laufe der Prüfung verworfen“, hatte ein Ministeriumssprecher unserer Redaktion erklärt.
Am 9. Februar 2023 - also als das Land die Alternativen schon verworfen hatte, das Aus aber noch nicht verkündet worden war - beschloss der Rat der Stadt die „Einrichtung von einer Planstelle für die Maßnahme Hoesch Spundwand“.
Das sogenannte HSP-Areal hatte die Essener Thelen Gruppe 2016 gekauft, hier sollte Smart Rhino entstehen. Der Bedarf für die Stelle ergibt sich auch aus eben diesem Projekt, wie die Beschlussvorlage ausführt. Darin heißt es: Die Zeitschiene sei „maßgeblich abhängig von der Realisierung der Maßnahmen Smart Rhino sowie der IGA 2027, die sich außerordentlich dynamisch entwickeln“. Diese Dynamik lässt aber seit Anfang Juli 2023 deutlich nach.
Die Argumentation des Planungsdezernats: „Aus der Aufgabenanlyse ergibt sich in der Stadterneuerung/HSP/Dorstfeld eine erforderliche Ausweitung von einer vollzeitverrechneten Planstelle.“ Diese ist unter dem Punkt „Finanzielle Auswirkungen“ mit 84.700 Euro im Jahr 2024 (62.000 Euro Entgelt, zzgl. Sonderleistung, Versorgungskasse und Sozialversicherungsbeiträge) berücksichtigt. Für 2023 sind 40.000 Euro vorgesehen - denn: „Um der Dimension und Dynamik der zukünftigen Gesamtmaßnahme Rechnung zu tragen, ist es erforderlich, das Bearbeitungsteam ab spätestens Mitte 2023 um mindestens 1,0 Planstellen zu ergänzen“.
Eine gut dotierte Stelle
Mit 50.260 Euro (Besoldung A13, bzw. E13) ist die Stelle für den öffentlichen Dienst verhältnismäßig gut dotiert. Die letzte Verdiensterhebung des Statistischen Bundesamts bezifferte vor fünf Jahren das mittlere Jahresbrutto im Öffentlichen Dienst mit 46.092 Euro, der Vollzeit-Durchschnittsverdienst in Deutschland betrug im April 2022 49.260 Euro.
Der Stelleninhaber soll sich u.a. künftig um das Vorkaufsrecht der Stadt und Fördermittel kümmern - im Lichte der aktuellen Entwicklungen scheint es fraglich, ob dies zum jetzigen Zeitpunkt schon geboten ist: Denn Investor Christoph Thelen möchte die Uhr der Projektentwicklung „auf Null stellen“, während Oberbürgermeister Thomas Westphal hofft, an bereits vorliegende Entwürfe aus den Jahren 2017 und 2018 anknüpfen zu können. Beides würde bedeuten, dass das Projekt um Jahre zurückgeworfen würde.
Auch die Stadt denkt langfristig: Die Stelle sei „zunächst für den Zeitraum von zehn Jahren vorgesehen, eine Verlängerung ist aufgrund der Erfahrung mit anderen Sanierungsgebieten wahrscheinlich“. Zudem könnten diese Aufgaben im Amt für Stadterneuerung „nicht kompensiert werden“, da sonst u.a. bei „City-Management, Sanierung der Nordstadt inkl. Hafenentwicklung erhebliche Nachteile zu erwarten wären“.
Kein Protokoll verfügbar
Die Schaffung der Stelle hatte der damalige Planungsdezernent Ludger Wilde im Oktober 2022 angeregt. Da lag die skeptische Wirtschaftlichkeitsbetrachtung im Wissenschaftsministerium zwar bereits acht Monate vor, offiziell sah die Landesregierung aber „keine Gefährdung“ des Projekts.
Der Stellen-Antrag wird ordnungsgemäß in zwei Ausschüssen beraten. Dann kommt er am 10. November 2022 in den Stadtrat. Dort würden SPD, Linke und FDP die Stelle am liebsten sofort beschließen. Die Einrichtung dieser Stelle könnte wegen der Akquise von Fördergeldern „möglicherweise mehr Einnahmen erbringen als Kosten für diese Stelle entstehen“, argumentierte FDP-Fraktionschef Michael Kauch. SPD-Fraktionschefin Carla Neumann-Lieven signalisierte aus ähnlichen Gründen Zustimmung.
Aber auf Antrag der CDU wird der Antrag mit Stimmen der Grünen an den Finanzausschuss verwiesen - und hier verliert sich die Spur der Drucksache 24713-22: Zwar wird sie noch in den Tagesordnungen des Ausschusses am 8. Dezember 2022 und am 26. Januar 2023 genannt. Aber Ergebnis und Verlauf der Beratungen lassen sich im Gremieninformationssystem der Stadt nicht nachvollziehen. Auch die Beschlussvorlage selbst war dort zunächst nicht abrufbar - unserer Redaktion wurde sie auf Nachfrage durchs Presseamt zur Verfügung gestellt.
In der Tagesordnung und in der Niederschrift der Ratssitzung vom 9. Februar taucht die Drucksache erst gar nicht auf. Hier findet sich nur die Anmerkung, dass die Empfehlung des Ausschusses in den Haushaltsplan übernommen wird. Eine Niederschrift der Ausschusssitzung ist - obwohl diese öffentlich ist - nur für Mandatsträger zugänglich. Die Bitte an die Pressestelle der Stadt, uns ein Protokoll zur Verfügung zu stellen, blieb unbeantwortet. Mittlerweile liegt uns die Niederschrift vor.
Transparenzhinweis: In einer ersten Version dieses Artikels haben wir die Besoldung nicht korrekt angegeben. Wir haben die Angaben korrigiert.
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