
© Oliver Volmerich
Skelett, Stadtmauer, Silberling - Die spektakulärsten Funde in Dortmund 2020
Archäologie-Jahresrückblick
Ein unbekannter Wassergraben, ein rätselhaftes Skelett und ein 700 Jahre alter Sensationsfund: Archäologen entdeckten 2020 in Dortmunds Untergrund einiges Überraschendes. Ein Überblick.
Viele Dortmunder ärgern sich über Baustellen, weil sie oft Umwege bedeuten. Stadtarchäologe Ingmar Luther freut sich, wenn in der Innenstadt in der Erde gebuddelt wird. Denn die Chance, dass dabei spannende Relikte aus der Stadtgeschichte freigelegt werden, ist groß. 2020 gab es reichlich davon.
Liebster Partner der Archäologen und Denkmalpfleger ist zurzeit DEW21. Der Dortmunder Energieversorger buddelt sich für die Verlegung neuer Fernwärme-Leitungen quer durch die Innenstadt - und damit durch historischen Boden. Archäologie-Experten sind deshalb immer dabei und begleiten die Bauarbeiten mit wachsamen Augen.
Spuren quer durch die Innenstadt
Am Westentor wurden so in den vergangenen Jahren schon Überreste einer Bastion der mittelalterlichen Stadtbefestigung gefunden, in der Silberstraße Teile der alten Mauer, die einst das Dominikanerkloster - Vorgänger des Katholischen Centrums - umgab und auf der anderen Seite in der Schwarze-Brüder-Straße Reste eines alten Friedhofs.
Am Friedensplatz machte man mit Buntmetallfunden, Ziegelfragmenten und Schlackenresten überraschende Funde, die auf handwerkliche Tätigkeiten hindeuten, die in diesem Bereich der Stadt nicht vermutet wurden, berichtet Luther.
Überreste des Ostentors
Besonders reichhaltig und aufschlussreich waren aber die Funde im vergangenen Sommer an der Kreuzung Ostwall/Kaiserstraße. Denn hier wurde ein Teil des alten Ostentors freigelegt, das im Mittelalter und bis ins 19. Jahrhundert eines der mächtigsten Bauwerke der alten Stadtmauer war. Es war eine doppelt gesicherte Torburg, die mit einer Länge von rund 50 Metern über den gesamten heutigen Wallring - vom Anfang der Kaiserstraße bis zum Beginn des Ostenhellwegs - reichte.

Stadtarchäologe Ingmar Luther im Juli 2020 an der Ausgrabungsstelle am Ostentor. Hier wurden bei Bauarbeiten Überreste der alten Stadtbefestigung und des früheren Westenhellwegs freigelegt. © Oliver Volmerich
Die Funde in der Kaiserstraße zeigen, dass es neben Haupt- und Vormauer mit Graben noch einen dritten Befestigungsring mit einem weiteren Graben gab. „Er war fünf bis sechs Meter breit, bis zu zwei Meter tief und definitiv wasserführend“, erklärt Ingmar Luther. „Er wurde jetzt erstmals nachgewiesen.“
Der Grund, warum dieser äußere Ring auf der ersten Stadtzeichnung von Detmar Mulher von 1614 nicht auftaucht, ist, dass dieser Graben wohl schon Mitte des 16. Jahrhunderts verfüllt worden ist.

Die Stadtansicht von Detmar Mulher zeigt Dortmund im Jahr 1614 und damit im Wesentlichen das mittelalterliche Stadtbild mit Stadtmauer und Stadttoren. Ganz rechts ist das Ostentor zu sehen, von dem 2020 Überreste freigelegt wurden. © Stadtarchiv
Überreste der alten Stadtbefestigung sind aber nicht die einzige Funde, die den Historikern neue Erkenntnisse bescherten. In der Baugrube an der Kaiserstraße stießen die Archäologen auch auf Teile des alten Hellwegs, die bis ins Mittelalter zurückreichen. „Wir konnten drei Pflasterungen nachweisen“, berichtet Luther.
Wobei der damalige Belag nicht mit dem heutigen Hellweg-Pflaster zu vergleichen ist. Denn er bestand aus groben Kieseln, die für einen eher holprigen Untergrund gesorgt haben. Auch Hufeisen, Spanngürtel oder Töpferwaren aus alten Zeiten kamen bei den Ausgrabungen wieder ans Tageslicht - wertvolle Archivalien für das Magazin der Denkmalbehörde.

Auch alte Bierflaschen aus der Dortmunder Brauereigeschichte gehören zu den Fundstücken der Archäologen. © Oliver Volmerich
Mit besonderer Spannung blickt der Stadtarchäologe jetzt weiteren Bauarbeiten im Bereich der Nebenfahrbahn an der Innenseite des Ostwalls entgegen, die für dieses Jahr geplant sind. Ansatzweise stieß man schon auf Holzbohlen, die aus einer ganz frühe Phase des Hellwegs vor dem Bau der Stadtmauer im 13. Jahrhundert stammen könnten. „Das wäre der Hit“, sagt Luther.
Rätsel um Skelett-Fund
Noch Rätsel gibt ein besonderer Fund von der Baustelle am Heiligen Weg auf. Hier stießen Bauarbeiter und Archäologen auf ein Skelett, das nun in Kooperation mit der Polizei gerichtsmedizinisch untersucht wird.
Und es gab auch spektakuläre Funde außerhalb der Innenstadt. Bei einem Spaziergang mit einem Metalldetektor stieß ein Dortmunder auf einen Klumpen Lehm mit besonderem Inhalt - eine in Dortmund geprägte Silbermünze.

Mehr als 700 Jahre alt ist diese Münze aus Dortmunder Prägung, die 2020 durch Zufall gefunden wurde. © Oliver Volmerich
Dass sie aus Dortmund stammt, belegt das Symbol des Stadtpatrons St. Reinoldus, das eine Seite der Münze ziert. Die andere Seite zeigt Kaiser Rudolf von Habsburg und hilft bei der Datierung. Denn er regierte von 1273 bis 1291. Die Münze ist also mehr als 700 Jahre alt.
„Der Fund einer Dortmunder Münze auf Dortmunder Boden ist total selten“, freut sich Luther. Bekannt war bislang nur eine einzige weitere Münze dieser Prägung - und die ist verschollen. Umso mehr wird der jetzt gefundene Dortmunder Silberling im Archiv der Denkmalbehörde nun in Ehren gehalten.
Grabanlage der Familie von Romberg
Und dann gab es vor wenigen Wochen noch einen besonderen Fund. Auf dem Gelände des Pumpenherstellers Wilo wurden unter einer abgerissenen Fabrikhalle eine Grabkapelle und die Gruft der Grafenfamilie von Romberg freigelegt.

Stadtarchäologe Ingmar Luther beaufsichtigte die Ausgrabung und die Fundstücke der Rombergschen Grabanlage auf dem Wilo-Gelände. © Susanne Riese
Ganz überraschend war die Entdeckung in diesem Fall nicht. „Wir wussten, dass die Grabanlage da ist, wir wussten aber nicht, dass sie so gut erhalten ist“, berichtet Luther. Sie wurde ausgiebig erkundet und dokumentiert - um bald wieder unter der Erde zu verschwinden. „Es soll künftig eine digitale Rekonstruktion zu sehen sein“, kündigt der Stadtarchäologe an.
Auch wenn es Stimmen für einen dauerhaften Erhalt der historischen Relikte an der Oberfläche gab, kann der Archäologe mit diesem Plan gut leben. Unter konservatorischen Gesichtspunkten ist das Bodendenkmal unter der Erde am Besten aufgehoben, erklärt Luther.
Das gilt auch für die Überreste von Ostentor, altem Hellweg und anderen mittelalterlichen Zeugnissen im Stadtzentrum. Und davon hofft Luther auch 2021 noch viele Entdeckungen zu machen.
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
