Meine heutige Kolumne schreibe ich inspiriert durch eine meiner Klientinnen, nennen wir sie Barbara, die mir sagte, dass es ihr als alleinstehende Frau und Mutter (alleinerziehend mit drei Jungen) häufig schwerfällt, sich von der Gesellschaft mit ihrem derzeitigen Lebensentwurf wohl und anerkannt zu fühlen.
Barbara ist 50 Jahre alt und lebt mit ihren drei Kindern (zwischen zwölf und 16 Jahre alt) allein und hat, neben ihrem verantwortungsvollen und erfolgreichen Berufsleben, jede Menge mit und für ihre Kinder zu regeln, zu tun, zu begleiten und zu unterstützen.
Sie beschreibt, dass ihr förmlich die Energie und auch die Muße fehle, sich auf das Dating einzulassen. Hoffnung zu entwickeln, Enttäuschungen und „Flops“ zu erleben, und ja, auch Zeit zu investieren, da sie häufig am Ende des Tages einfach nur noch müde sei.
Und trotzdem verspürt sie manchmal den Wunsch nach partnerschaftlicher Verbindung.
Hier hat sie aber häufig das Gefühl, dass sie mit ihrer (Lebens-) Situation gar keine richtige Chance habe und dass sie als Single-Frau und dann noch über 50, nicht attraktiv „für den Markt“ sei und nicht mehr als Frau mit Bedürfnissen und Wünschen anerkannt werde.
Traurig, ungerecht und auch unfair
Ich weiß von vielen alleinstehenden und alleinerziehenden Frauen, dass sie sich so fühlen. Und das wird altersunabhängig so erlebt, dass gerade sie von der Gesellschaft anders wahrgenommen und bewertet werden. Alleinstehend und Mutter – zack, Schublade zu – uninteressant!
Das ist doch unfassbar traurig, ungerecht und auch unfair. Und doch zeigt sich hier sehr deutlich der Gender-Romance-Gap beim Dating!
Als hätten Frauen ein sexuelles Verfallsdatum und müssen nun Abstriche bei der Suche machen. Männer haben es da tatsächlich leichter. Sind sie alleinerziehend und Single, heißt es schnell: „Ach, wie toll! Er kümmert sich soviel um die Kinder, und ist im Umgang mit ihnen so liebevoll und empathisch und er bringt sie auch nachmittags noch überall hin.“ Zack, Anerkennung.
Und bitte, verstehen sie mich nicht falsch: Care-Arbeit MUSS anerkannt sein! Aber eben unbedingt gleichberechtigt und geschlechtsneutral.
Was würden Sie Ihrer Freundin raten?
Ich rate Frauen wie Barbara in dieser Situation immer dazu, gut auf sich und ihre Bedürfnisse zu achten und zu hören. Was will ich? Was will ich nicht? Wozu habe ich gerade Kapazität?
Bleiben Sie unbedingt bei sich und achten auf Ihre Energie. Seien Sie sie selbst. Lassen Sie sich nicht „auf Spielchen“ ein, für die Sie keine Zeit, keine Lust und keine Kapazität haben!
Werden Sie nicht auf Augenhöhe wahrgenommen, gehen Sie weiter. Es geht um offene Kommunikation und das Mitteilen von Grenzen, Wünschen und Bedürfnissen, und darum sich beim Dating nicht noch verstellen zu müssen!
Und ich nutze hier in der Begleitung auch häufig eine meiner liebsten Methoden, die des Perspektivwechsels: „Wären Sie sich selbst ihre beste Freundin, was würden Sie ihr denn in dieser Situation raten?“
Hier kommt in der Regel schnell ein wertvoller Impuls aus dem Verstand, der auch angemessen ist. Folgen Sie dem gerne! Nicht sofort wieder banalisieren oder abtun, im Sinne von: „Ja, für andere weiß ich das, aber das gilt für mich nicht!“ Warum denn bitte nicht? Unbedingt DOCH!
Danke, next!
Versuchen Sie, falls Ihnen das nicht gut oder oft genug gelingt, von Freunden und Freundinnen Hilfe und Unterstützung einzufordern im Alltag. „Nur“ weil Sie allein leben, heißt das nicht zwangsläufig, alles allein tun zu müssen.
Sorgen Sie gut für eigene Auszeiten, fragen nach Hilfe und Unterstützung und tun Sie, wann immer es geht, etwas Gutes für sich.
Und seien Sie vor allem immer wieder stolz auf sich und das, was Sie Tag für Tag leisten und tun! Das ist ARBEIT – und ohne Ausnahme anerkennenswert! Findet das jemand unattraktiv und belastend, haben Sie immerhin schnell etwas über die oder denjenigen gelernt. Danke, next.
Birthe Kottmann ist systemische Einzel,- Paar- und Familientherapeutin in freier Praxis in Dortmund. Der Schwerpunkt ihrer therapeutischen Arbeit liegt darin, Menschen dabei zu begleiten, ihre Muster und Prägungen zu verstehen, zu reflektieren und sich dann so entwickeln, dass sie erkennen, was ihre eigenen Bedürfnisse, Wünsche und vor allem ihre eigenen Grenzen sind.
Dabei zeigen sich häufig frühe Bindungs- und Entwicklungsthemen, die uns zu dem Menschen machen, der oder die wir heute sind. In ihrer Kolumne gibt sie Alleinstehenden und Singles Tipps, wie man mit Einsamkeit, Stress erzeugenden und übergriffigen Kommentaren und den Erwartungen der Gesellschaft, nun endlich doch den oder die Richtige zu finden, umgeht. Mehr Infos und Kontakt unter www.birthekottmann.de.
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