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Muttertagsbesuch hinter Plexiglas und mit Zeitlimit - Heime unter Druck
Seniorenheime und Corona
In NRW dürfen Angehörige ab Muttertag wieder Seniorenheim-Bewohner besuchen. Für die Träger kommt das überraschend. Sie müssen nun blitzschnell Konzepte entwickeln, um die Bewohner zu schützen.
Jens Schneider, Leiter des Fritz-Heuner-Heims (Diakonie) in Dortmund-Barop, hat am Dienstag (5.5.) NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann einen gepfefferten Brief geschrieben – seine erste Reaktion auf die angekündigte Teilöffnung der Senioren- und Pflegeheime am Muttertag (10. Mai), von der er zuerst aus der Presse erfahren hat.
Einen Tag später war die Wut bereits ein wenig der Tatkraft gewichen - doch die Probleme sind deshalb nicht kleiner geworden. „Die Kommunikation war unglücklich, und es gibt zu wenig Vorlaufzeit“, sagt Schneider. Bei ihm ließen am Mittwochmorgen Angehörige die Telefondrähte glühen.
Brief an den Gesundheitsminister
Im Fritz-Heuner-Heim leben 88 Bewohner, davon sind 70 Prozent demenziell verändert. „Ich freue mich, dass meine Bewohner endlich wieder Kontakt zu ihren Angehörigen haben können“, betont der Einrichtungsleiter in seinem Brief an den Gesundheitsminister, allerdings stelle er sich die Frage, warum der erste Kontakt nach monatelanger Pause auf einem Sonntag stattfinden müsse.
„Wir müssen Räumlichkeiten stellen, Personal zur Begleitung und Koordinierung der Besucher bereitstellen, ausreichend Schutzkleidung für die Besucher zur Verfügung haben und nach jedem Besuch die Flächen desinfizieren“, erläutert Schneider gegenüber dieser Redaktion. Alle Besucher sind verpflichtet, sich vorher anzumelden und werden namentlich registriert. „Dafür braucht man einen großen zeitlichen Vorlauf.“
Keine generelle Öffnung
Die gleichen Kritikpunkte hat auch Tobias Berghoff vom Vorstand des Caritasverbandes Dortmund. Die Kommunikation sei schlecht gelaufen. Bei vielen sei die Botschaft angekommen, die Seniorenheime seien wieder geöffnet, so Berghoff, doch tatsächlich sei das keine generelle Öffnung, sondern eine Schaffung von Begegnungsmöglichkeiten. „Wir müssen das jetzt wieder vor Ort einfangen. Wir wollen diese Begegnungsräume schaffen, aber wir wollen auch weiter ernsthaft den Schutz unserer Bewohner gewährleisten.“
„Das ist mit Blick auf die Kurzfristigkeit eine ganz schöne Herausforderung“, sagt auch Hans van Dormalen, Leiter des Awo-Seniorenzentrums Minna-Sattler-Heim in Brünninghausen mit 150 Bewohnern. Dort werden Besuche außerhalb des Heims organisiert. Hierfür hat der Awo-Bezirksverband wie bei anderen Heimen in seiner Trägerschaft auf dem Außengelände ein Pagoden-Zelt aufbauen lassen, Besucher und Bewohner können sich darin von einer Plexi-Glasscheibe getrennt gegenübersitzen.
Besuchsbedingungen diktiert
„Ich habe einen Brief an die Angehörigen geschickt, um die Besuchsbedingungen zu diktieren“, berichtet van Dormalen. So werden zum Beispiel die Besuche, die nur nach Anmeldung erfolgen dürfen, auf maximal 30 Minuten beschränkt.
Auch Martin Kaiser, Geschäftsführer der Städtische Seniorenheime Dortmund gGmbH, begrüßt die Aufhebung des Besuchsverbots - und ist gleichzeitig streng darauf bedacht, die Erfolge der letzten acht Wochen nicht zu gefährden. Oberste Maxime bleibe, die 1000 Bewohner in den städtischen Seniorenheimen zu schützen.
Man halte sich strikt an die Handlungsempfehlungen zur Exit-Strategie, so Kaiser. Danach müssen Besuche geplant und gesteuert und an die jeweilige Situation vor Ort angepasst werden. Das bedeutet für die Städtischen Seniorenheime, dass Besucher nach Anmeldung bis zum Eingangsbereich kommen und nur mit Blickkontakt durch die gläserne Eingangstür und über Gegensprechanlage – zeitlich begrenzt – mit ihrem Heimbewohner sprechen können. Auch ist es möglich, ein kleines Muttertagsgeschenk abzugeben.
Kein Corona-Muttertag
Kaiser: „Einen Muttertag, der im nächsten Jahr als Corona-Muttertag im Gedächtnis bleibt, weil sich viele infiziert haben, möchte ich nicht erleben.“ Im nächsten Schritt nach Muttertag werde man ein Besucherhygienekonzept erarbeiten, darauf aufgesetzt ein Outdoor-Besucherkonzept entwickeln und dies dann im Laufe der Wochen nach innen verlagern, kündigt Kaiser an.
Viele der 800 Pflegekräfte fragten sich nicht ohne Bitternis, so Kaiser, warum ausgerechnet mit dem Muttertag die Öffnung starte. „Unsere Pflegekräfte sind auch Mütter.“
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
