Blinde und Sehbehinderte in Dortmund
Selbstbewusstes Leben ist auch ohne Augenlicht möglich
Mit Anfang 30 ist Manuela Kürpick komplett erblindet. Dennoch steht sie voll im Leben, ist berufstätig, reist gerne. Und versucht, dieses Selbstbewusstsein anderen Blinden und Sehbehinderten in Dortmund zu vermitteln.
Wie selbstverständlich bewegt sich Manuela Kürpick durch die Dortmunder Innenstadt. Die Markierung auf dem Westenhellweg, die sich mit dem Blindenstock ertasten lässt, ist dabei ein Hilfsmittel zur Orientierung. © Dieter Menne
Selbstsicher bewegt sich Manuela Kürpick mit ihrem Stock durch die Dortmunder Innenstadt, besucht Freunde, geht arbeiten. Schon in ganz jungen Jahren haben die Eltern ihre sehbehindert geborene Tochter zu größtmöglicher Selbstständigkeit erzogen, die ihr heute ein „fast normales Leben“ ermöglicht.
Bereits Mitte der 1980er-Jahre ist sie dem Blinden- und Sehbehindertenverein Westfalen beigetreten, berät Menschen, die ein ähnliches Schicksal teilen. Eine bessere Unterstützung können diese kaum erhalten. Schließlich erteilt die heute 53-Jährige nicht nur hilfreiche Tipps für den Alltag – mit ihrer Fröhlichkeit versucht sie auch, den Menschen ein positives Lebensgefühl zu vermitteln.
Schleichender Prozess, endgültiger Verlauf
Manuela Kürpick ist mit einer Missbildung in den Augen geboren, die zu einem Glaukom, auch als „Grüner Star“ bezeichnet, geführt hat. „Schon als Kind war ich sehbehindert, mit ungefähr 20 setzte der schleichende Prozess ein, der mit Anfang 30 seinen endgültigen Verlauf nahm“, sagt sie im Gespräch. Ganz sachlich, ohne Emotionen. Dass sie schon sehr früh so sachlich mit ihrem Schicksal, das für die meisten Menschen unvorstellbar ist, umgegangen ist, hat sie vor allem ihren Eltern zu verdanken.
„Mein Vater hatte die gleiche Krankheit“, berichtet sie weiter. „Bei meiner Geburt hatte er noch einen Sehrest, später ist er auch voll erblindet. Dennoch hat er immer im Berufsleben gestanden.“ Die Krankheit hat sie von ihrem Vater geerbt, an ihrer Schwester ist sie vorbeigegangen.
Ob sie sich je Hoffnung gemacht hat, dass dieses Schicksal an ihr vorübergeht? „Nein, Hoffnung habe ich mir nie gemacht“, antwortet sie. Ohne Bitterkeit oder Trauer. „Ich habe einfach immer so gelebt, wie es gerade war.“ Trotz der Erfahrungen des Vaters haben die Eltern nie versucht, sie auf das vorzubereiten, was da wahrscheinlich auf sie zukommen würde. „Auch hat mich meine Mutter nie anders behandelt als meine Schwester. So hat sie meine Selbstständigkeit früh gefördert. Natürlich hat sie auf mich aufgepasst“, fügt sie lachend hinzu. „Aber das machen ja alle Mütter.“ Statt mit übertriebener Sorge zu reagieren, habe sie dafür gesorgt, „dass ich mich soviel austesten konnte, wie ich wollte“.
Sehbehindertenschule in Dortmund
Ab Anfang der 1970er-Jahre besuchte sie, damals noch im sauerländischen Menden lebend, die Sehbehindertenschule in Dortmund. Erst an der Essener Straße und nach dem Umzug an der Marsbruchstraße in Aplerbeck. Mitte der 1980er-Jahre trat sie in Soest, wo sie ihre Ausbildung absolvierte, als aktives Mitglied dem Blinden- und Sehbehindertenverein Westfalen bei.
1987 zog sie dann komplett hierher und arbeitete in der Telefonzentrale der Deutschen Bundespost, später bei der Telekom. „Die Arbeit im Verein habe ich dann in Dortmund weitergeführt“, sagt Kürpick. Schon damals war es ihr wichtig blinde und sehbehinderte Menschen zu unterstützen. „Wir beraten jeden, der zu uns kommt – nicht nur Mitglieder.“ Meist dreht es sich dabei um benötigte Hilfsmittel und Anträge für Kostenübernahmen.
„Man sucht den Dialog mit uns.“
Inzwischen reichen Engagement und Einfluss deutlich weiter. Selbstverständlich stehen Manuela Kürpick und andere ehrenamtliche Helfer im „Blickpunkt Auge“, dem Dortmunder Büro des Vereins an der Märkischen Straße 61-63, immer noch bereit. Aber: „Wir werden heute von den Behörden wahrgenommen, man sucht den Dialog mit uns.“ Auch zum Tiefbauamt und zur DSW21 habe man gute Kontakte. Und diese werden natürlich genutzt, um Blinden und Sehbehinderten den Weg zu ebnen. Es werde viel für Barrierefreiheit getan. „Natürlich haben wir viele Wünsche, müssen aber auch an die Kosten denken“, bleibt Kürpick engagiert, aber eben auch realistisch.
Manuela Kürpick lobt das wachsende Bewusstsein in der Öffentlichkeit und auch in den Medien. Immer häufiger würden ihr Passanten Hilfe anbieten. „Häufig brauche ich sie nicht“, verrät sie lächelnd. „Aber es gibt den Leuten ein gutes Gefühl. Und beim nächsten Mal helfen sie dann vielleicht jemandem, der es nötiger hat.“
Hotels für Blinde und Sehbehinderte
Hin und wieder ist auch sie auf Unterstützung angewiesen. Zum Beispiel bei ihren geliebten Reisen ans Meer. „Es gibt Hotels, die einen besonderen Service anbieten“, sagt sie. Aber eine Begleitung sei manchmal schon sehr hilfreich. „Aber mal ehrlich“, ergänzt sie sofort, „Reisen mit anderen macht doch auch viel mehr Spaß.“ Und das gilt eben nicht nur für Blinde und Sehbehinderte.
Etwas liegt ihr aber doch noch auf dem Herzen:: „Wenn ein Patient in der Praxis die Diagnose erhält, ist das ein Schlag ins Kontor. Ärzte sollten sie nicht einfach so rausdonnern und die Menschen dann damit allein lassen.“ Oft hätten ihr Betroffene davon berichtet. „Statt essen sollten sie berichten, wie man dieses Schicksal abmildern kann.“ Zum Beispiel durch die Kontaktaufnahme beim „Blickpunkt Auge“.