Ein Elterntaxi hält vor dem Schultor - mitten im absoluten Halteverbot. Polizist Hans-Jürgen Pannicke verhindert die Weiterfahrt. Verkehrsdetektive aus der 4. Klasse übergeben dem Fahrer Informationen zu seinem Fehlverhalten.

© Uwe von Schirp

Elterntaxi mit 180-Grad-Kehre: Kindern steht die Angst im Gesicht

rnSchulweg-Sicherung

Schuljahresbeginn – das heißt Obacht im Verkehr. Die Polizei ist vor allem an den Grundschulen vor Ort. Ein Fokus richtet sich auf die Elterntaxis. Und die haben auch Verkehrsdetektive im Blick.

Dorstfeld

, 24.08.2021, 18:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Dienstagmorgen (24.8.), gegen 7.30 Uhr: Grundschüler strömen auf den Schulhof. Vor dem eisernen Tor ziehen sich Mädchen und Jungen der Klassen 4a und 4b gelbe Westen an. Drei Polizisten sind vor Ort. Einige Eltern beziehen etwas abseits Beobachtungsposten.

Schuljahresbeginn. Das bedeutet besondere Obacht im Verkehr: für die Autofahrer, die Kinder – aber auch die Eltern. Und das ist hier auf der Arminiusstraße mitten in Dortmund-Dorstfeld nicht anders als im Umfeld aller Schulen landauf landab.

Langsam schiebt sich die Blechlawine aus Autos und Lastwagen durch den Berufsverkehr. Auch für die Linienbusse heißt es „Stop-and-go“. Allein oder in kleinen Gruppen treffen die Kinder an der Gutenberg-Grundschule ein. Manche sind in Begleitung ihrer Eltern – zu groß die Sorge, wenn sie die vielbefahrene Nord-Süd-Achse im Dorstfelder Zentrum überqueren müssen.

Die Verkehrsdetektive beobachten aufmerksam den Verkehr vor dem Tor der Gutenberg-Grundschule.

Die Verkehrsdetektive beobachten aufmerksam den Verkehr vor dem Tor der Gutenberg-Grundschule. © Uwe von Schirp

Obwohl die meisten Schüler in fußläufiger Entfernung wohnen, halten „Elterntaxis“: in den Seitenstraßen, auf dem letzten freien Parkplatz – oder direkt vor dem Schultor. Letzteres heißt: im absoluten Halteverbot.

Elterntaxis im Fokus

Hans-Jürgen Pannicke tritt auf die Fahrbahn, stellt sich vor die Motorhaube. Der Wachtmeister im Verkehrsdienst verhindert die Weiterfahrt. Drei Kinder in gelben Westen treten ans Beifahrerfenster. Sie reichen Informationsblätter hinein. Pannicke tritt an die Fahrerseite, klärt über das Vergehen auf.

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Die sogenannten Elterntaxis stehen bei der Schulwegsicherung an der Gutenberg-Grundschule im Fokus. „Aufgrund der Straßenführung ist es sehr eng hier“, erklärt Sascha Schlusemann. „Wir wollen Eltern und Großeltern für dieses Thema sensibilisieren. Alles steht unter dem Fokus, wir wollen null Schulweg-Unfälle.“

Schlusemann und sein Kollege Andreas Schlüter arbeiten in der Abteilung für Verkehrsunfall-Prävention und Verkehrs-Opferschutz der Dortmunder Polizei. Insgesamt 17 Polizeibeamte der Abteilung sind gemeinsam mit Kollegen aus dem Bezirks- und Verkehrsdienst in diesen Tagen im Umfeld der Grundschulen im Einsatz.

„Unsere Kids haben keinen Airbag“, lautet das Motto der Dortmunder Polizei zum Schuljahresbeginn 2021/22. „Vorsicht“, leuchtet es Gelb auf Rot von Plakaten, die im Umfeld der Schulen hängen. Auch an der Gutenberg-Grundschule.

Kinder fühlen sich von Limousine bedroht

Es ist 7.53 Uhr. Eine weiße Limousine rollt am Schultor vorbei. Der Fahrer macht eine 180-Grad-Kehre und fährt direkt diagonal in die Parklücke gegenüber. In beiden Richtungen stockt der Verkehr.

Ein Vater bringt seine kleine Tochter zur Schule. Er rangiert und kommt dabei den Verkehrsdetektiven in den gelben Westen mit seinem Auto immer näher. Den Viertklässlern steht die Angst in den Augen geschrieben. Ihre Klassenlehrerin gestikuliert. Keine Reaktion.

Hans-Jürgen Pannicke, Sascha Schlusemann und Andreas Schlüter (v.l.) ist die Aktion "Unsere Kids haben keine Airbags" eine Herzensangelegenheit.

Hans-Jürgen Pannicke, Sascha Schlusemann und Andreas Schlüter (v.l.) ist die Aktion "Unsere Kids haben keine Airbags" eine Herzensangelegenheit. © Uwe von Schirp

Hans-Jürgen Pannicke kommt über die Straße und klopft energisch an die Autoscheibe. Der Fahrer steigt aus. Pannicke erklärt die für die Kinder missliche Lage. Sie fühlen sich bedroht zwischen Motorhaube und Hauswand. Aufgrund ihrer Körpergröße und ihres Alters haben sie ein völlig anderes räumliches Sehen als Erwachsene.

Der Fahrer diskutiert, ringt um Erklärungen. Mehrere Minuten geht die Diskussion, bis der Vater seine Tochter bis vor das Schultor begleitet. Hans-Jürgen Pannicke schüttelt den Kopf. Kinder und Eltern schauen neugierig zu.

Kind steht auf der Straße

Es habe noch mehr brenzlige Situationen gegeben, erzählt Diamonde. Die Zehnjährige ist Sprecherin ihres Verkehrsdetektiv-Teams. Hinter dem Heck eines Pick-ups sind die Kids kaum zu sehen. Entsprechend gering ist aus ihrer Sicht der Überblick über den Verkehrsraum.

Diamonde ist froh, dass die Polizei sich an diesem Morgen um mehr Verkehrssicherheit vor der Schule kümmert.

Diamonde ist froh, dass die Polizei sich an diesem Morgen um mehr Verkehrssicherheit vor der Schule kümmert. © DBG

Der Pick-up steht mit anderen Autos auf einem Parkstreifen in Schrägaufstellung. Sein Heck ragt bis auf die Arminiusstraße. Ein schwarzer Kleinwagen hält wenige Schritte weiter. Ein Kind steigt aus. Diesmal sind die Verkehrsdetektive aus der 4b nicht schnell genug zur Stelle.

Gut 40 Meter vom Schultor entfernt ist hier das absolute Halteverbot zwar aufgehoben – die Situation indes nicht weniger gefährlich. Das Kind steht auf der Straße. Der vermeintlich sicherere Bürgersteig ist eine parkende Autolänge entfernt. Ein Laster mit Baustellenabsperrungen muss bremsen und warten. Die Verkehrssituation wird noch unübersichtlicher.

Eltern lassen ihr Kind in zweiter Reihe mitten auf der Straße aussteigen.

Eltern lassen ihr Kind in zweiter Reihe mitten auf der Straße aussteigen. © Uwe von Schirp

„Wenn hier Elterntaxen halten, blockieren sie Busspuren“, erklärt Sascha Schlusemann. „Sie halten in zweiter Reihe, sie rangieren. Kinder müssen auf die Fahrbahn treten. Das sind Situationen, die wollen wir absolut vermeiden.“

Präsenz zeigt Wirkung

Die Präsenz der Polizeibeamten und jungen Verkehrsdetektive in gelben Westen zeigt an diesem Morgen Wirkung. Andreas Schlüter beobachtet mit seinem dreiköpfigen Team von der gegenüberliegenden Straßenseite den Verkehr. Manche Fahrer bremsen. Andere schleichen. Eltern suchen ganz offenkundig nach Alternativen, um den Nachwuchs aus dem „Taxi“ zu lassen.

„Heute muss man schon besonders mutig sein, um sich hier verkehrswidrig hinzustellen“, sagt Schlüter ebenso amüsiert wie zufrieden. Er weiß, das ist nicht an allen Tagen so. Darum die Aufklärung.

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Joachim Gutt ist Klassenlehrer der 4b. Ihm ist es wichtig, dass die Kinder ein Bewusstsein für die Verkehrssituationen bekommen. In den nächsten Wochen steht die Radfahrprüfung auf dem Programm, nach den Herbstferien das richtige Verkehrsverhalten bei Dämmerung und Dunkelheit.

Sascha Schlusemann, Andreas Schlüter und Hans-Jürgen Pannicke werden dann wieder hier sein.