Schmiergeld-Skandal beim Entsorger EDG Angeklagter Whistleblower macht jetzt Karriere im Aufsichtsrat

Angeklagter Whistleblower macht Karriere im EDG-Aufsichtsrat
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Er soll mutmaßlicher Komplize gewesen sein und zugleich Hinweisgeber, zu neudeutsch: Whistleblower: Ein Mitarbeiter der Entsorgung Dortmund GmbH (EDG) lieferte den damaligen Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Marzouk Chargui ans Messer – und wurde dafür von seinen Kollegen mit einem lukrativen Posten belohnt.

Ex-Gesamtbetriebsratschef Chargui wird verdächtigt, Einfluss auf die Einstellung von Bewerbern bei der EDG genommen zu haben, indem er sie auf die Vorstellungsgespräche vorbereitete. Dafür soll Chargui zwischen 3000 und 5000 Euro als „Erfolgsprovision“, sprich: Schmiergeld, verlangt haben, so der Vorwurf.

Sein mutmaßlicher Komplize wiederum, der ihn bei der Polizei verpfiffen hat, soll ihm die Interessenten zugeführt haben. Chargui wurde den bisherigen Erkenntnissen zufolge bei wohl solch einem „Beratungsgespräch“ in flagranti von Zivilermittlern im Beisein der Bildzeitung erwischt, als in einer Nordstadt-Pizzeria 3000 Euro über den Tisch gegangen sein sollen. Der Tipp kam vom Hinweisgeber, der mit am Tisch saß.

Laut Staatsanwaltschaft sind nun beide angeklagt: Chargui wegen Bestechlichkeit in zwei Fällen in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Betrug, der Whistleblower wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit. Darüber hinaus müssen sich zwei weitere EDG-Mitarbeiter wegen Bestechlichkeit vor Gericht verantworten.

Gegen Kündigung gewehrt

Während Charguis Vertrag fristgemäß per Aufhebungsvertrag gekündigt wurde und er nach einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht noch bis Ende 2022 seine Bezüge einschließlich Weihnachtsgeld erhielt, wurde der Hinweisgeber fristlos gefeuert – dem Vernehmen nach, weil er nicht bei der Aufklärung der Vorgänge mit seinem Arbeitgeber kooperiert hatte. Er soll nichts dazu beigetragen haben, die Vorwürfe gegen ihn aufzuklären.

Der Whistleblower hatte den Angaben nach gegenüber der Polizei erklärt, er sei mit dem „System“ der Vermittlung von Jobs gegen Geld nicht mehr einverstanden gewesen. Er selbst habe dem Ex-Konzernbetriebsratschef zwar Bewerber zugeführt, will sich aber nach eigener Aussage nicht daran bereichert haben.

Gegen seine Kündigung hat sich der Informant erfolgreich gewehrt. Die EDG ging in Berufung – und unterlag. Sie musste den unliebsamen Mitarbeiter wieder einstellen. Und nicht nur das. Seine Kollegen schoben ihn die Karriereleiter hoch - und gleich ganz nach oben.

Jetzt sitzt er dort, wo das städtische Unternehmen kontrolliert wird: Die Arbeitnehmervertreter haben ihn in den Aufsichtsrat der EDG-Holding, also des Gesamtkonzerns gewählt, zu dem neben der EDG auch die gewerblichen Abfallwirtschaftstöchter Doga, Doreg, Domig, Dolog und Welge gehören, Das bestätigte auf Anfrage EDG-Sprecher Matthias Kienitz.

2800 Euro als Tantiemen

Der 18-köpfige Holding-Aufsichtsrat ist paritätisch besetzt. Als Mitglied dieses Kontrollorgans erhält der Whistleblower eine jährliche Aufwandsentschädigung von 2000 Euro plus je 200 Euro Sitzungsgeld für vier Sitzungen im Jahr. Er hatte auch für den eigentlichen Aufsichtsrat der EDG kandidiert - dort aber ohne Erfolg.

Ein EDG-Müllwerker leert eine Tonne in einem Müllwagen.
Ein EDG-Mitarbeiter beim Entleeren einer Mülltonne (Archivbild). © Frauke Schumann

Nun muss das Gericht klären, ob Charguis Helfer ein Mittäter oder nur Whistleblower und Zeuge war. Laut Staatsanwalt Henner Kruse ist die Hauptverhandlung für den 7. November terminiert. Sollte der Informant strafrechtlich belangt werden, stellt sich die Frage, wie der Rat der Stadt Dortmund und DSW21 als Gesellschafter damit umgehen würden, dass dann ein verurteilter Straftäter in dem Kontrollgremium säße.

Richtlinie der EU

Es gibt eine Whistleblowing-Richtlinie der EU, die jetzt mit dem Hinweisgeberschutzgesetz in deutsches Recht gegossen wurde. Darin geht es um solche Fragen wie die Wahlfreiheit für Hinweisgeber, sich zunächst an interne oder externe Stellen zu wenden. Soll heißen: ob der Hinweisgeber sich direkt an die Polizei wenden kann, ohne Nachteile befürchten zu müssen.

Auf eine Anfrage der FDP-Fraktion vom vergangenen März erfuhr der Finanzausschuss des Rates, dass die städtischen Töchter unterschiedlich weit mit der Umsetzung des Gesetzes sind.

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