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Schluss mit Kuschelwahlkampf: Harte Angriffe beim Endspurt um Dortmunds Rathaus
Letzte Diskussion vor OB-Stichwahl
Drei Tage vor der Stichwahl um das Oberbürgermeister-Amt luden Ruhr Nachrichten und Radio 91.2 zur Wahlarena mit Thomas Westphal (SPD) und Andreas Hollstein (CDU). Dabei ging es zur Sache.
Wochenlang war es vor der Kommunalwahl am 13. September eher ein Kuschelwahlkampf zwischen den Oberbürgermeister-Kandidaten der großen Parteien. Zu ähnlich waren die Themen, zu ähnlich die Ziele etwa zu Wohnungsbau oder Verkehr.
Doch damit war am Donnerstagabend Schluss: In der Wahlarena von Ruhr Nachrichten und Radio 91.2 mit den beiden verbliebenen OB-Kandidaten Thomas Westphal (SPD) und Dr. Andreas Holstein (CDU) flogen drei Tage vor der entscheidenden Stichwahl am Sonntag (27.9.) die Fetzen.
Die Empfehlung der Grünen für CDU-OB-Kandidat Dr. Andreas Hollstein, der im ersten Wahlgang am 13. September zehn Prozentpunkte hinter Thomas Westphal gelegen hatte, sorgte für Zündstoff.
Welche Kröte denn die CDU schlucken musste, um die Unterstützung der Grünen zu bekommen, wollten die Moderatoren Lukas Wittland und Helga Kretschmer von Andreas Hollstein wissen. Das größte Zugeständnis habe man sicherlich mit dem Planungsmoratorium für den Weiterbau der OWIIIa im Dortmunder Osten gemacht, gab der CDU-Kandidat zu.

Lukas Wittland (l.) und Helga Kretschmer moderierten die Wahlarena mit Thomas Westphal und Andreas Hollstein. © Schaper
Thomas Westphal nutzte dieses Eingeständnis für eine erste Attacke. „Das ist nicht eine Kröte, das ist eine ganze Krötenwanderung“, sagte er und ging gleich zum Generalangriff über.
Er zählte auf, was seiner Ansicht nach in der grün-schwarzen Vereinbarung fehlt – etwa die Themen Corona, Sicherheit, Sauberkeit oder Dortmund als Einzelhandelsstandort. „Sie haben nicht verstanden, was in dieser Stadt wichtig ist“, warf Westphal seinem Konkurrenten vor.
Streit um die Flughafen-Zukunft
Hauptstreitpunkt war der Flughafen. Ein weiterer Ausbau soll nach der Vereinbarung von CDU und Grünen kein Thema sein, stattdessen sollen Alternativkonzepte entwickelt werden.
„Herr Hollstein hat mit dieser Vereinbarung einen schweren Fehler gemacht. Sie haben alle Positionen der letzten sechs Jahre der CDU aufgegeben“, warf Westphal seinem Konkurrenten vor. „Sie hinterlassen schweren Schaden. Die Belegschaften sind schwer irritiert. Und sie haben dem alten und dem neuen Geschäftsführer des Flughafens den Boden unter den Füßen weggezogen. Damit haben Sie sich keinen Gefallen getan.“
„Legendenbildung“ hielt dagegen Hollstein dem SPD-Kandidaten vor. „Die CDU hat ihre Haltung zum Flughafen überhaupt nicht verändert“, konterte er die Vorwürfe und zitierte dazu aus dem CDU-Wahlprogramm. „Wir wollen keinen weiteren Ausbau. Das hat die CDU immer so gesagt.“
Grundsätzlich stellte Hollstein fest: „Ich möchte den Flughafen in Dortmund. Ich finde ihn richtig, wenn er schwarze Zahlen schreibt im operativen Geschäft. Das ist auch von der EU bis 2024 so vorgeschrieben.“ Der Flughafen habe bis zur Corona-Krise auch auf dem richtigen Kurs gelegen. „Ich bin überzeugt, dass er eine Zukunft haben kann“, sagte Hollstein.
Alternativen zu überlegen sei aber richtig, weil man die Entwicklung des Flugverkehrs allgemein nicht abschätzen könne, erklärte der CDU-Kandidat. Und natürlich mache man sich auch Sorgen um die Arbeitsplätze, die mit dem Flughafen verbunden sind.
Strittig war in der Wahlarena auch, wie langfristig die grün-schwarze Vereinbarung wirken wird. „Das ist kein Bündnis auf Dauer. Das ist am Sonntag wieder vorbei“, prophezeite Westphal. Und er verwies darauf, dass CDU und Grüne allein im Rat keine Mehrheit hätten.
Zusammenarbeit im Rat nötig
Zur Haltbarkeit der grün-schwarzen Vereinbarung widersprach Hollstein. „Die Zusammenarbeit steht, ob ich Oberbürgermeister werde oder nicht“, sagte er. Grundsätzlich hätten sich die Bürger bei der Kommunalwahl am 13. September „für einen sehr heterogen zusammengesetzten Rat entschieden“. „Damit müssen wir umgehen. Man muss möglichst viele Parteien für Sachentscheidungen ins Boot holen“, stellte Hollstein dazu fest.

Rund 80 Gäste konnten die Diskussion der OB-Kandidaten im LCC live verfolgen. © Schaper
Westphal wiederum schloss für die Alltagsarbeit weder die Zusammenarbeit mit der CDU noch mit den Grünen aus. Die Gespräche der SPD mit den Grünen seien nicht gescheitert, sie seien noch gar nicht beendet, erklärte er. „Und wir reden auch weiterhin mit der CDU. Aber die CDU hat sich nicht gemeldet.“
Grundsätzlich gab sich Westphal mit Blick auf die grüne Wahlempfehlung für Hollstein locker. Er habe keinen Grund für schlaflose Nächte, stellte er fest. Ob die Wahlempfehlung der Grünen ihm helfe, werde man am Sonntag sehen, sagte Hollstein selbst. „Ich habe immer Demut gezeigt. Damit bin ich immer gut gefahren. Aber die Zeit ist in dieser Stadt reif für einen politisch-kulturellen Wechsel.“
Verkehrswende und Szene-Förderung
Bei Fragen zu anderen Themen, die RN-Leser und Radio-91.2-Hörer eingesendet hatten, war dann wieder mehr Einigkeit zu spüren – etwa beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Dann sei auch ein 365-Euro-Jahresticket für das gesamte VRR-Gebiet denkbar, stellte Westphal fest. Andreas Hollstein verwies darauf, dass CDU und Grüne als ersten Schritt ein kostenloses Schoko-Ticket für Schüler und Auszubildende forderten.
Einigkeit auch in der Wohnungspolitik. „Wir brauchen 2000 neue Wohnungen pro Jahr. Das ist eine soziale Frage, die wichtig ist für diese Stadt“, sagte Westphal. Man brauche für jede Geldbörse die richtigen Wohnungsangebote, gerade für junge Familien, ergänzte Hollstein. „Und es muss Ersatz geschaffen werden, für Sozialwohnungen, die aus der Bindung herausfallen.“
Dass die Ausgeh-Qualität in Dortmund gesteigert werden muss, ist bei beiden OB-Kandidaten ebenfalls unstrittig. Westphal verwies auf das schon beschlossene Programm der Wirtschaftsförderung mit Hilfe für die Party-Szene und die Gastronomie. Man wolle gemeinsam neue Gastronomie-Konzepte entwickeln.
Hollstein verwies vor allem auf die Idee eines Nachtbürgermeisters oder eine Nachtbürgermeisterin. Als Szeneviertel könne sich die CDU das Unionviertel vorstellen. Grundsätzlich müssten sich Ausgeh-Angebote aber auch in der Stadt verteilen.
Westphal setzt dabei besonders auf die Entwicklung der Speicherstraße am Hafen, die sich schon jetzt als Szene-Ort herausbilde. „Das wird von selbst ein Magnet sein“, prophezeit Westphal. „Da will ich auch die Gastro-Akademie haben“. Und man müsse Investoren ermutigen, nicht nur auf Systemgastronomie zu setzen, sondern auch auf neue individuelle Konzepte zu vertrauen.
Rede an das Wahlvolk
In einer zweiminütigen Rede hatten am Ende beide Kandidaten noch einmal Gelegenheit, sich beim Dortmunder Wahlvolk zu bewerben. „Ich wohne mit meiner Familie in dieser Stadt, habe seit sieben Jahren hier gearbeitet. Wir haben diese Stadt gut entwickelt“, sagte Westphal, der aktuelle Chef der Wirtschaftsförderung. Es gehe um Wohlstand, Arbeit für alle, soziale Gerechtigkeit. Und die Pflege guter Nachbarschaft. „Wir müssen unsere Seele behalten“, sagte der 53-Jährige.

SPD-Kandidat Thomas Westphal bei seiner Bewerbungsrede. © Schaper
Er wolle als Oberbürgermeister überparteilich sein, versprach Andreas Hollstein, der seit 1999 Bürgermeister in Altena ist. „Ich habe als Bürgermeister 21 Jahre Brücken gebaut. Das will ich auch in Dortmund tun.“ Arbeitsplätze und soziale Entwicklung nannte er als wichtige Themen. Gleich zu Beginn wolle der dabei das Problem der Obdachlosigkeit angehen.
Angebot aus Dortmund
Die 80 Gäste im LCC und die Zuschauer, die die Diskussion im Livestream verfolgt hatten, konnten die Bewerber um die Nachfolge von Ullrich Sierau aber auch persönlich kennenlernen. Beide bekannten, Familienmenschen zu sein. „Das ist Herzensangelegenheit“, sagte Westphal.

CDU-Kandidat Andreas Hollstein bei seiner Bewerbungsrede. © Schaper
Warum zieht es Andreas Hollstein nach Dortmund, wollten die Moderatoren Helga Kretschmer und Lukas Wittland wissen. Er sei von der Dortmunder CDU gefragt worden, erzählte Andreas Hollstein. „Als Dortmund fragte, habe ich 15 Minuten überlegt. Das ist eine Super-Aufgabe, eine Super-Stadt. Das reizt mich. Es ist das richtige Angebot zur richtigen Zeit. Es gibt für mich nichts Größeres, als diese Aufgabe übernehmen zu dürfen“, sagte der 57-Jährige.
Und was passiert, wenn sie die Wahl am Sonntag verlieren? Er bleibe dann Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung, sagte Westphal. Hollstein wiederum steht dann auch der Aufgabe des Bürgermeister-Amtes in Altena erst einmal ohne Alternative da. „Es gibt keinen Plan B“, sagte er. „Ich bin volles Risiko gegangen.“

Karikaturist Michael Hüter dokumentiert die Wahlrede live. © Schaper
Bleibt die spannende Frage, wer am Sonntag zum Oberbürgermeister und damit zum Nachfolger von Ullrich Sierau (SPD) gewählt wird - und sich dann die Karikatur von Karikaturist Michael Hüter, die während der Wahlarena entstanden ist, als Wandschmuck in sein Amtszimmer hängen darf.

2020.09.24 Dortmund RN Kommunalwahl Dialog Foto Schaper © Schaper
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
