Im Prozess um knapp 600 Corona-Scheinimpfungen in einer Praxis im Paulusviertel hat nach dem Geständnis des Arztes (66) jetzt auch die mitangeklagte Sprechstundenhilfe (56) aus Herten Fehler eingeräumt.
Die Anzahl der vorgetäuschten Impfungen festzustellen, erweist sich am Bochumer Landgericht als großes Problem. Alleine bei 201 Patienten des zuletzt in Dortmund-Oespel lebenden Arztes scheint die Beweislage bislang eindeutig: Ihnen allen war auf gerichtliche Anordnung hin Blut zur Antikörper-Bestimmung abgenommen worden.
Nach der Razzia in der Praxis des Recklinghäuser Arztes im Januar 2022 waren bei der Bochumer Staatsanwaltschaft nicht nur gegen den Arzt, sondern auch gegen zahlreiche Patienten Ermittlungen als Beschuldigte angelaufen.
Wie jetzt bekannt worden ist, kam es dabei in 201 von 589 in der Anklage genannten Fällen zu körperlichen Untersuchungen bei Patienten.
Keine Antikörper gefunden
Legitimiert durch einen Gerichtsbeschluss wurde den Verdächtigen Blut abgenommen und danach in einem Dortmunder Labor reihenweise SARS-CoV-2-Antikörpertests durchgeführt.
In allen 201 Fällen sollen sich im Blut der Patienten keine Antikörper gefunden haben. Was nach medizinischen Erkenntnissen im Falle einer erfolgten Schutzimpfung allerdings sicher der Fall hätte sein müssen. Hinweise auf seltene Ausnahmefälle durch dafür möglicherweise verantwortliche Autoimmunerkrankungen oder Chemotherapien sollen sich nicht ergeben haben.
Während die Beweislage in diesen 201 Fällen erdrückend scheint, sehen die Richter der 12. Strafkammer in vielen anderen Fällen noch Aufklärungsbedarf. Auch nach den geständigen Angaben des Arztes.
„Nach vorläufiger Würdigung lassen sich die Angaben mit dem Akteninhalt nicht in Einklang bringen“, hieß es. Insofern sei noch „ein nicht unwesentliches Zeugenprogramm“ erforderlich. „Das betrifft aber nicht nur die Frage, in welchen einzelnen Fällen Scheinimpfungen attestiert worden sind, sondern auch die Frage der Beweggründe und Vorgehensweise“, erklärte Richterin Petra Breywisch-Lepping.
Prozess zieht sich in die Länge
Insbesondere für die Strafmaßfindung spiele das eine Rolle. Die nun noch bevorstehende Verhandlungsdauer sei „sicher keine Frage von wenigen Tagen“, hieß es.
Der Arzt hatte zuletzt unter Tränen Corona-Scheinimpfungen im großen Stil zugegeben. An genaue Zahlen könne er sich aber natürlich nicht erinnern.
Rückblickend hatte der seit Mai 2022 in U-Haft sitzende Mediziner sein Vorgehen „falsch und verantwortungslos“ genannt.
Panische Angst vor Nebenwirkungen durch Corona-Impfungen hätte viele seine Patienten damals in Aufregung versetzt. Er sei um falsche Impfbescheinigungen (ohne tatsächliche Impfung) regelrecht angefleht worden.
Dem Robert-Koch-Institut (RKI) waren im fraglichen Tatzeitraum insgesamt 3.976 Corona-Schutzimpfungen aus der Recklinghäuser Praxis gemeldet worden. Dass durchweg zum Schein geimpft worden ist, verneinte der Arzt.
Anfangs will er Patienten mit dem Einmal-Impfstoff von Johnson & Johnson korrekt geimpft haben. Etwa ab September 2021 habe er dann aber nur noch Pässe mit Original-Chargenaufklebern ausgegeben – und den Impfstoff weggeworfen.
Die Sprechstundenhilfe gab zu, in die illegalen Abläufe eingeweiht gewesen zu sein. „Natürlich hatte ich Angst, dass das auffliegt. Aber wir sind da einfach drüber gegangen. Sie hätten mal sehen müssen, wie die Leute hier geheult haben“, sagte die wegen Beihilfe mitangeklagte Hertenerin.
Dem Arzt drohen nach einer zuletzt erfolgten Verständigung maximal dreieinhalb Jahre Haft, zudem ein Berufsverbot.
Mit Blick auf die falschen Impfpässe waren auch gegen Hunderte Patienten des Mediziners Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Soweit diese inzwischen erledigt sind, könnten betroffene Ex-Patienten auch als Zeugen befragt werden.
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