Für Intown-Chef Sascha Hettrich war die Räumung des Hannibals überflüssig. Die Brandschutzmängel nennt er „nicht relevant“. Jetzt will sein Unternehmen Millionen in den Koloss investieren.
So etwas hatte das Land noch nicht gesehen: Im September 2017 wurde der Hannibal II in Dortmund-Dorstfeld innerhalb weniger Stunden geräumt, 753 Menschen verloren urplötzlich ihre Heimat. Inzwischen haben sich die Mieter zerstreut. Die Stadt, die die Räumung damals wegen gravierender Brandschutzmängel veranlasste, und Intown als Gebäudebesitzer streiten sich inzwischen über die Rechtmäßigkeit dieser Räumung. Der Großkomplex steht seit Monaten komplett leer und ist vom Netz genommen. Mit ihm fehlen Dortmund 412 Wohnungen im niedrigpreisigen und sehr begehrten Segment. Wie es mit dem Dorstfelder Wohnkoloss jetzt weitergeht, war lange unklar. Sascha Hettrich ist Deutschlandchef des von israelischen Institutionellen und Family-Offices finanzierten Unternehmens Intown, in dessen Hand sich auch der Hannibal befindet. Im Interview kündigt er die baldige Veröffentlichung von Sanierungsplänen an, streitet die Notwendigkeit der Räumung ab und sieht ein massives Sicherheitsproblem in der Dortmunder Nordstadt.
Herr Hettrich, wie würden Sie heute, mit etwas Abstand, die Vorgänge am Hannibal im September 2017 bewerten?
Die Brandschutzthemen, die damals dazu geführt haben, dass das Gebäude geräumt wurde, sind aus unserer Sicht alle nach wie vor nicht relevant. Wir haben diverse Gutachten machen lassen, die uns bestätigt haben: Die Schwierigkeiten, die dort angeführt werden und die zur Räumung des Gebäudes geführt haben, hätte man sozialverträglicher beheben können. Und viele Behauptungen, die aufgestellt wurden, haben sich als nicht gültig erwiesen. Es gab beispielsweise Aussagen über illegale bauliche Veränderungen, die so nicht bestätigt werden konnten; für alle Ausbauten und bauliche Veränderungen, die alle vor unserer Zeit als Eigentümer erfolgten, liegen Baugenehmigungen vor.

Sascha Hettrich ist Deutschlandchef des von israelischen Institutionellen und Family-Offices finanzierten Unternehmens Intown, das Inhaber des Hannibals in Dorstfeld ist. © Screenshot von https://hettrich-tomorrow.com/
Welche der aufgestellten Behauptungen waren in Ihren Augen nicht gültig?
Es hieß zum Beispiel: Die Entrauchung der Tiefgarage ist nicht gewährleistet. Laut Baugenehmigung ist die Entrauchung der Tiefgarage durch Fenster und Gebäudeöffnungen von der Tiefgarage nach draußen gewährleistet. So erfolgt eine Entrauchung und dies wurde damals so genehmigt. Die aufgestellte Behauptung der Bauaufsicht, dass die Tiefgarage über Schächte entraucht wird, die durch das Gebäude führen, ist falsch.
Sie gehen also optimistisch in die juristische Auseinandersetzung, die vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen läuft?
Wir sind guten Gewissens, dass wir einen vernünftigen Stand der Einschätzung der Situation zum Zeitpunkt der Räumung haben. Als Eigentümer müssen wir üblicherweise gehört werden, wenn unser Gebäude geräumt werden soll. Wir haben 16 Monate vor Räumung des Gebäudes eine Bestätigung der Stadt erhalten, dass es keine Beanstandungen im Gebäude gibt. Brandschutztechnische Mängel, die da waren, wurden beseitigt. Und in diesen 16 Monaten wurde nichts im Gebäude verändert. Und: Wir haben bis heute nur eine Begründung, warum geräumt wurde, aber kein Brandschau-Protokoll.
Schauen wir in die Zukunft. Wie soll der Hannibal aussehen?
Wir haben das Gebäude jetzt stillgelegt. Im Augenblick arbeiten ein Architekten- und ein Brandschutzteam am neuen Konzept. Mitte August wollen wir der Stadt das neue Konzept für das Gebäude vorstellen. Im Anschluss wollen wir an die Öffentlichkeit gehen und die Pläne für den Hannibal vorstellen.
Verraten Sie uns mehr.
Wir haben ein Belegungskonzept von Studentenwohnungen, Wohnungen für Familien, für ältere Leute und für Behinderte. Mit Eingangsbereichen, die attraktiver gestaltet sind als in der Vergangenheit. Die rund 100 Mieter, die Mietverträge haben, sollen ins Gebäude zurückkehren können. Ihre Mieten werden erst einmal nicht erhöht. Wir würden uns gern ein wenig Flexibilität von den Mietern im Zuge der Wiederherrichtung des Gebäudes wünschen, wenn wir ihnen beispielsweise in anderen Bereichen des Gebäudes eine Wohnung zur Verfügung stellen, um umfangreiche Baumaßnahmen, da, wo notwendig, durchführen zu können.
Die anderen Wohnungen werden teurer?
Neuvermietungen erfolgen – wie üblich – zur Marktmiete, wie immer sich diese am Standort darstellt. Aber es handelt sich nicht um Luxussanierungen. Wir werden die Wohnungen mit einem vernünftigen Ausbau-Standard herrichten.
Das klingt alles sehr teuer. Haben Sie eine Vorstellung, was das Ganze kosten soll?
Ja, die haben wir natürlich. Wir veröffentlichen aber keine Zahlen zu Investitionen.
Also unter zehn Millionen?
Wie gesagt, wir möchten keine Zahlen veröffentlichen. Ein Betrag von unter zehn Millionen Euro wird nicht reichen, um das Gebäude wieder herzurichten. Wir sind Bestandshalter. Das heißt, wir schauen uns Gebäude an, um sie langfristig zu halten.
Intown ist also ein Bestandshalter. Vor einigen Wochen haben Sie uns noch etwas anderes erzählt, da war der Verkauf der Wohnimmobiliensparte im Gespräch.
Man überlegt immer mal wieder: Was macht man strategisch, wie stellt man sich auf. Es ist in der Tat schwierig, im Wohnungsbereich neue Objekte zu erwerben, weil die Preise enorm gestiegen sind. Wir haben aber hier keine Entscheidung für einen Verkauf getroffen. Wir sprechen in der Tat auch über Zukäufe im Wohnungsbereich, damit dort eine größere Effizienz in der Verwaltung möglich ist.
Mit welchem Zeitrahmen rechnen Sie, bis Menschen wieder in den Hannibal zurückkehren können?
Das kann ich Ihnen sagen, wenn wir mit der Stadt gesprochen haben. Üblicherweise gehen wir von 6 bis 12 Monaten für eine Baugenehmigung aus. Und zwischen 9 und 15 Monaten für die Bauzeit. Das ist allerdings nur ein ganz grober Rahmen, und es kommt auch auf den Willen der Stadt an, zügig Baugenehmigungen zu erteilen.
Wenn man Dortmund und Intown in Verbindung bringt, dann denkt man an den Hannibal. Sie haben hier aber noch mehr Immobilien. Kleinere Wohnimmobilien in der Nordstadt und auch die Alte Post und das Westfalenforum in der City. Im Westfalenforum befinden Sie sich in juristischen Auseinandersetzungen wegen nicht bezahlter Rechnungen. Was können Sie uns dazu sagen?
Als Unternehmen betrachten wir permanent unsere Prozesse wie beispielsweise die Rechnungsprüfung, damit diese zügig vonstattengehen kann. In den letzten zwölf Monaten haben wir durch eine digitale Umstellung bspw. des Rechnungslaufes viel optimiert, um eine zügige Rechnungsprüfung zu gewährleisten.
Ihre Immobilien in der Nordstadt befinden sich in einem sehr kritischen Zustand, viele von ihnen findet man auf der Liste der Problem-Immobilien der Stadt Dortmund.
Die Nordstadt ist ein kritischer Bereich. Wir haben Gebäude, die quasi besetzt sind. Zudem führen einige Mieter illegale Bauten durch, die wir unterbinden müssen, auch mithilfe der Polizei. Die uns dann manchmal sagt: „Nein, da gehen wir nicht hin, da können wir nichts ausrichten.“ Dementsprechend ist eine Klärung hier schwierig, da Mieter oder Hausbesetzer nicht zu identifizieren sind. Noch ein weiteres Beispiel: Wir haben in der Nordstadt Gebäude, in denen wir auch Brandschutzmaßnahmen umsetzen und z.B. neue Brandschutztüren einbauen oder Feuerlöscher ersetzen. Diese sind manchmal nach nur wenigen Stunden ausgebaut bzw. gestohlen. Oder wir reparieren Türanlagen, Briefkästen oder Klingelanlagen, die dann nach nur wenigen Tagen mit Graffiti besprüht oder zerstört sind. Die Stadt kennt dieses Problem und möchte dies auch gerne ändern.
Wir haben uns auch in einigen anderen Städten umgehört, in denen Sie Gebäude haben: In Wuppertal, in Hannover, in Schwerin. Überall gibt es Ankündigungen von Intown, dann passiert lange nichts. Verkürzt gesagt: Überall gibt es Ärger. Woran liegt das?
Wenn Sie das Ihme-Zentrum in Hannover ansprechen: Das Ihme-Zentrum haben wir als eine notleidende Immobilie aus der Zwangsverwaltung erworben. Hier handelt es sich um Gewerbeeinheiten im Teileigentum sowie um Wohnungen. Bis die Eigentumsumschiebung in den Grundbüchern durchgeführt wird, können bis zu 12 Monate vergehen. Deswegen kann man hier nicht von heute auf morgen agieren.
Zu Schwerin: Dort haben wir von der Stadt Wohnungsbestände erworben, die in einem sehr schlechten Zustand waren. Dort sind 30 bis 40 Jahre keine oder nur wenig Investitionen durchgeführt worden. Wir haben uns verpflichtet, in einem Zeitraum von zehn Jahren Investitionen durchzuführen. Hintergrund ist, dass die Sanierung sozial verträglich durchgeführt wird, also Mieter nicht zu stark belastet werden.
Ein Blick noch nach Wuppertal: Auch dort wurde ein Hochhaus geräumt wegen Brandschutzmängeln. Auch dort haben Sie die Stadt wegen der Räumung verklagt. Wie ist da der Stand der Dinge?
In Wuppertal hatten wir die Räumung des Gebäudes wegen einer Fassade, die nach Aussage der Stadt brennbar bzw. leicht entflammbar gewesen sein soll. Das hat sich im Nachhinein als nicht richtig herausgestellt. Die Fassade ist zwar nur „schwer entflammbar“, entspricht aber dem, was zum Zeitpunkt der Errichtung zulässig war. Die Mieter waren aber nach wenigen Wochen wieder zurück im Gebäude.
Wir würden gerne mit Ihnen über das Logo von Intown sprechen. Wofür stehen die drei Türme in dem Logo?
Es ist nur ein Logo. Es gibt keinen konkreten Hintergrund für diese drei Türme.
Es soll für Intown, Aroundtown und Grand City Properties stehen – zusammen ein Schwergewicht im Immobilienmarkt, besonders für Gewerbeimmobilien.
Nein, das ist nicht der Fall. Aroundtown und Grand City sind unterschiedliche Unternehmen. Wir haben Objekte, bei denen es sich um Joint-Venture-Projekte, die zu 50 Prozent Intown und zu 50 Prozent Aroundtown gehören, handelt. Die Aroundtown ist ein börsennotiertes Unternehmen, wir sind ein Family Office.
Zu Grand City Properties haben Sie aber doch engere Verpflichtungen.
Nein. Bei Grand City ist es das Gleiche. Grand City hat mit der Intown nichts zu tun. Das sind, wie gesagt, unterschiedliche Unternehmen.
Plant Intown einen Börsengang?
Nein. Der Hintergrund ist: Die Intown Property Management GmbH ist die Verwaltungsgesellschaft, die als Asset-, Property-, und Facility-Dienstleister den eigenen Bestand verwaltet. Diese Gesellschaft hält keine Immobilienobjekte.
Warum hat Intown mit seinen vielen Verflechtungen eigentlich so ein Problem mit Transparenz? Sie sind noch nicht einmal im Transparenzregister eingetragen.
Hintergrund sind oft gesetzliche Bestimmungen. Dort, wo Eintragungen rechtlich erfolgen müssen, kommen wir dem nach. Wir verhalten uns gesetzeskonform und sind als Privatinvestor natürlich auch darauf bedacht, zurückhaltend zu agieren.
Das heißt, wer der wirtschaftlich Berechtigte hinter Intown ist, verraten Sie uns nicht?
Wie gesagt: Wir sind keine börsennotierte Gesellschaft, wir sind keine publizitätspflichtige Gesellschaft, sondern ein Privatinvestor.
Ich wurde 1973 geboren und schreibe seit über 10 Jahren als Redakteur an verschiedenen Positionen bei Lensing Media. Als problematisch sehen viele meiner Kollegen oft die Länge meiner Texte an. Aber ich schreibe am liebsten das auf, was ich selber bevorzugt lesen würde – und das darf auch gerne etwas länger sein.
