
© Thomas Thiel
Knapp 1000 Kurden demonstrieren gegen türkischen Einmarsch – Dortmunder Wall war dicht
Demonstrations-Zug
Knapp 1000 meist kurdische Menschen haben am Freitagnachmittag in Dortmund gegen die türkische Offensive in Nordsyrien demonstriert. Kurzzeitig kam der Verkehr auf dem Wall zum Erliegen.
Es ist ein gelb-rot-grünes Fahnenmeer, das sich gegen 17 Uhr vom Cinestar am Nordeingang des Hauptbahnhofs in Bewegung setzt. Etwa 800 Menschen, schätzt die Polizei, nehmen an der Demonstration Teil. Es sieht aber nach mehr aus. Sie sind gekommen, um gegen den Einmarsch der türkischen Armee in den Norden Syriens zu demonstrieren. Dort kämpft die Türkei vor allem gegen die kurdische YPG-Miliz.
Die Türkei sieht diese als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und als Terrororganisation. Die Menschen im Demonstrationszug sehen das ganz anders. Für sie ist die Offensive der Türkei eine Invasion des jungen kurdischen Staates in Syrien, den sie die „demokratische Föderation Nord- und Ostsyrien“ oder einfach nur „Rojava“ nennen.
Seit zwei Tagen kein Lebenszeichen aus Nordsyrien
Die allermeisten Demonstranten sind Kurden, es sind viele Frauen und Kinder dabei. Eine in eine Kurdistan-Fahne gehüllte Frau erzählt, dass ihre Familie im umkämpften Gebiet lebt. Sie wisse nicht, wie es ihr geht: Seit zwei Tagen sind alle Telefone tot. „Kein Strom, kein Netz“, sagt sie.
Ihrer Wut und ihrer Verzweiflung machen sie und die anderen Demonstranten mit ohrenbetäubenden Parolen Luft. Sie fordern ein Ende der deutschen Rüstungsgeschäfte mit der Türkei und einen Rückzug der türkischen Armee. Viele haben Karikaturen dabei, ausgedruckt auf A3. Die meisten zeigen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, mal als Diktator, mal als geheimen Unterstützer des IS.
Autofahrer hupen, teils aus Ärger, teils aus Unterstützung
Angeführt von einem klapprigen weißen Transporter, dessen Lautsprecher oft fürchterlich quietschen, schiebt sich der Demo-Zug durch die südliche Nordstadt. der Feierabendverkehr auf der Stein- und der Leopoldstraße kommt zum Erliegen. Die Autofahrer stehen neben ihren Wagen, viele hupen, teils aus Ärger über den Stau, andere aus Unterstützung. Das gleiche wiederholt sich auf dem Königswall, dessen Außenring 20 Minuten komplett dicht ist.
Begleitet wird der Demo-Zug von einem Großaufgebot von Polizisten, es sind jedoch bei Weitem nicht so viele wie bei einer Nazi-Kundgebung. Sie erleben einen ruhigen Einsatz: Laut Polizei bleibt alles friedlich, die Zusammenarbeit mit den Demo-Organisatoren sei reibungslos, so der Einsatzleiter. Gegen 18 Uhr erreicht die Demo ihr Ziel, die Kreuzung Kamp-/Katharinenstraße im Schatten der Petrikirche.
„Für mich sind das alles Terroristen!“
Etwas abseits steht ein Passant. Seine Augen funkeln, die Gesichtszüge sind voller Wut: „Für mich sind das alles Terroristen!“, sagt er, er spuckt die Worte voller Verachtung aus. Er hat türkische Wurzeln.
Geboren in Dortmund. Als Journalist gearbeitet in Köln, Hamburg und Brüssel - und jetzt wieder in Dortmund. Immer mit dem Ziel, Zusammenhänge verständlich zu machen, aus der Überzeugung heraus, dass die Welt nicht einfacher wird, wenn man sie einfacher darstellt.

1984 geboren, schreibe ich mich seit 2009 durch die verschiedenen Redaktionen von Lensing Media. Seit 2013 bin ich in der Lokalredaktion Dortmund, was meiner Vorliebe zu Schwarzgelb entgegenkommt. Daneben pflege ich meine Schwächen für Stadtgeschichte (einmal Historiker, immer Historiker), schöne Texte und Tresengespräche.
