Lars (43) reanimierte Senior nach schwerem Unfall in Dortmund Für Sohn Mats (9) ist er ein Held

Lars (43) reanimierte Senior nach Unfall: Für Sohn Mats (9) ist er ein Held
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Dieser Tag im August 2023 ist ein ganz besonderer für Mats: Zusammen mit seinem Vater Lars Teschinsky ist der nunmehr Neunjährige aus Südkirchen zum ersten Mal in Dortmund im Stadion und schaut ein Spiel seiner geliebten Borussia.

Der BVB siegt. Mats bejubelt seine Fußballhelden. Diesen Tag werde er bestimmt niemals vergessen, sagt er glücklich zu seinem Papa Lars, als die beiden nach Spielende ins Auto steigen, weil sie nach Hause fahren wollen. Wie recht er damit hat, wird der Grundschüler kurze Zeit später erleben. Denn: Auf dem Nachhauseweg wird Mats sehen, dass nicht nur Fußballer Helden sein können, sondern auch sein Vater. Der wird kurze Zeit später auf der Rheinischen Straße einen Menschen reanimieren und dem 78-Jährigen so das Leben retten.

Die Route „war Zufall“

„Es war Zufall, dass wir hier überhaupt lang gefahren sind“, sagt Lars, als wir uns ein knappes halbes Jahr später vor der alten Hoesch-Zentrale treffen. Hier, an der Straßenbahn-Haltestelle Ottostraße, fährt der 43-Jährige damals nur lang, weil sein Navi ihm verspricht, so schneller heim zu kommen.

Doch an der Ampel der Joachimstraße, wo er hinter lediglich einem weiteren Auto wartet, geht es plötzlich nicht mehr weiter. „Warum fährt der denn nicht?“, denkt Lars sich da. Er will sich schon darüber ärgern, als der Wagen plötzlich doch losrollt.

Ohne jede Regung

„Da war schon etwas komisch“, erinnert Lars sich zurück. Denn: Mittlerweile zeigt die Anlage längst wieder Rot an. Trotzdem rollt das Auto weiter – von der Joachim- und auf die Rheinische Straße, wo nunmehr grün ist. Der Wagen biegt aber weder links noch rechts ab, sondern knallt frontal gegen einen Betonblock an der Treppe vor der alten Hoesch-Zentrale.

Das Foto zeigt die T-Kreuzung von Rheinischer Straße und Joachimstraße in Dortmund, über die gerade ein dunkles kleines Auto fährt. Links ist die alte Hoesch-Zentrale zu sehen.
Die alte Hoesch-Zentrale steht an der Rheinischen Straße 173 in Dortmund. © Anna Katharina Wrobel

Lars schaltet schnell. Er stellt sein Auto und den Motor unweit der Unfallstelle ab. Bittet Sohn Mats, im Wagen zu warten. Steigt aus und sprintet zu dem Wagen, in dem neben dem Fahrer eine Beifahrerin und zwei Kinder auf der Rückbank sitzen. Drei der Insassen seien sehr aufgeregt gewesen, erinnert sich der Berufssoldat. Sie hätten geschrien und nicht gewusst, was sie tun sollen. Der Fahrer hingegen habe sich nicht bewegt.

Mann war dem Tod nah

„Ich habe sofort gesehen, dass der Mann sich bereits eingenässt hatte“, sagt Lars. Mithilfe anderer Passanten hebt er den regungslosen Senior aus dem Auto. Sie legen ihn auf eine Jacke, Lars fühlt seinen Puls, stellt fest, er hat keinen mehr. Außerdem habe er gejapst, sein Atem habe gerasselt.

Lars weiß, dass das - ebenso wie das Einnässen - ein Zeichen dafür ist, dass der Tod nah ist. Sofort beginnt er mit einer Herzdruckmassage. „Damals dachte ich: Lieber etwas falsch machen, als gar nichts machen. Und zum Glück konnte ich mich – auch, weil ich wegen meines Berufs einmal im Jahr den Erste-Hilfe-Kurs auffrische – daran erinnern, wie die Herzdruckmassage funktioniert.“

Er habe in dem Moment „einfach irgendwie funktioniert“, sagt Lars. „Aber ich bin in solchen Situation auch eher der unaufgeregte Typ. Denn: Wenn du selbst aufgeregt bist, hilft das ja nicht.“ Wie lange es gedauert habe, bis Polizei, Notarzt und Rettungssanitäter schließlich eingetroffen seien und übernommen hätten, weiß er nicht mehr genau. „Sie waren recht schnell da, glaube ich. Aber ich hatte gar kein Zeitgefühl, dafür stand ich viel zu sehr unter Adrenalin.“

„Es sollte selbstverständlich sein“

Am Ende geht alles gut aus für den 78-Jährigen, er überlebt. Lars wird damit zum Lebensretter, Mitte Dezember 2023 dann sogar ganz offiziell: Da wird der Berufssoldat zusammen mit neun weiteren Menschen im Polizeipräsidium Dortmund von Behördenleiter Gregor Lange für besondere Zivilcourage geehrt. Er findet das gar nicht so besonders, sagt bloß: „Eigentlich sollte es doch selbstverständlich sein zu helfen.“

Im vollen Bewusstsein, dass das aber nicht jede und jeder tut: Auch als er vor der alten Hoesch-Zentrale am Boden kniete und den Senioren reanimierte, seien ihm andere Menschen aufgefallen, die sich lieber über die Verkehrsbeeinträchtigungen geärgert oder aber das Ganze einfach gefilmt hätten. „Das ist ein Unding“, findet Lars.

„Es war wirklich aufregend“

Seinem Sohn Mats will der 43-Jährige deshalb ein Vorbild sein. Als sie ihre Nachhausefahrt an dem Tag schließlich fortsetzen können, sprechen beide über das eben Geschehene. Den Neunjährigen lässt der Vorfall noch eine Zeit lang nicht los. „Es war wirklich aufregend, meine Beine haben im Auto die ganze Zeit über gezittert“, erinnert sich Mats. „Und ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, weil ich immer wieder daran denken musste.“

Aber er sei natürlich auch stolz auf seinen Papa. Und eifert ihm nunmehr sogar nach, weil er sich mittlerweile beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Nordkirchen engagiert.

Lars (l.) zeigt mit seinem Finger auf den Betonblock, gegen den der 78-Jährige damals mit seinem Auto knallte. Sein Vater Lars Teschinsky steht neben ihm und hält einen Regenschirm fest. Er hat den Mann damals reanimiert und ihm so das Leben gerettet.
Lars (l.) zeigt mit seinem Finger auf den Betonblock, gegen den der 78-Jährige damals mit seinem Auto knallte. Sein Vater Lars Teschinsky steht neben ihm und hält einen Regenschirm fest. Er hat den Mann damals reanimiert und ihm so das Leben gerettet. © Anna Katharina Wrobel