Mittagessen in der OGS - ein Angebot, das mit Blick auf den nötigen Ausbau der OGS-Plätze besondere Probleme bereitet. © dpa (Symbolbild)
Kinderbetreuung
Rechtsanspruch auf OGS-Platz: Noch jede Menge Baustellen in Dortmund
Die Ankündigung gibt es seit Jahren, jetzt auch die Gewissheit: Ab 2026 gilt ein Rechtsanspruch auf OGS-Betreuung an Schulen. In Dortmund gibt es bis dahin noch viel zu tun - in mehrfacher Hinsicht.
Wie lassen sich Familie und Beruf für Eltern von Grundschulkindern unter einen Hut bringen? Offene Ganztagsbetreuung (OGS) ist das Zauberwort. Nach Schulschluss werden die Kinder in oder an der Schule weiter betreut, können Hausaufgaben machen und gemeinsam zu Mittag essen.
An fast allen Grundschulen und vielen Förderschulen in Dortmund ist die OGS inzwischen Standard. „Wir haben aktuell 11.852 OGS-Plätze an 81 von 88 Grundschulen und sechs Förderschulen“, bilanziert Dortmunds Schuldezernentin Daniela Schneckenburger.
Weiter lange Wartelisten
Doch der Bedarf in Dortmund ist weiterhin größer als das Angebot und wächst schnell weiter. 290 Kinder stehen an verschiedenen Schulen auf der Warteliste, wobei die Lücken sehr unterschiedlich verteilt sind, berichtet Daniela Schneckenburger. Während an vielen Schulen das Angebot passt, gibt es an anderen Schulen eine zweistellige Zahl an Kindern, die auf einen OGS-Platz warten.
Das Problem gibt es schon seit Jahren. Als im Jahr 2019 200 Kinder auf den Wartelisten standen, kündigte die Stadt ein Ausbauprogramm an. Bis 2023 sollten pro Jahr weitere 900 Plätze geschaffen werden. Doch diesem Ziel hinkt man aktuell weit hinterher. Seit 2019 - damals gab es 10.950 Plätze - sind gerade einmal 902 Plätze dazugekommen - in zwei Jahren statt in einem Jahr.
Der Bedarf sei aktuell zu 55,21 Prozent gedeckt, berichtet die Schuldezernentin. Wie hoch er tatsächlich ist, ist freilich unklar. Daniela Schneckenburger geht davon aus, dass man eine Bedarfsdeckung von 80 Prozent erreichen muss, um den von Bund und Ländern beschlossenen Rechtsanspruch erfüllen zu können.
Immerhin soll es schrittweise vorangehen: Ab 2026 gilt der Rechtsanspruch für alle neu eingeschulten Kinder. Erst in vier Jahren Grundschulzeit müssten dann alle Jahrgänge voll versorgt sein - also 2029.
Kommender Rechtsanspruch wird zum Problem
Ein bisschen Zeit bleibt Stadt und Trägern also noch, die Lücken zu stopfen. Doch es wird eng. „Die Umsetzung des Rechtsanspruchs wird problematisch“, fürchtet Jörg Loose, Bereichsleiter für Kinder, Jugend und Familie bei der Awo, die über die Tochter Dobeq mit 17 Einrichtungen der zweitgrößte OGS-Träger in Dortmund ist. Loose spricht von einer „absoluten Mammutaufgabe“.
Baustellen gibt es auf mehreren Feldern. Eines davon ist der Raumbedarf. „Engstelle ist die Übermittag-Betreuung mit Mittagsverpflegung“, sagt Daniela Schneckenburger. Dafür müsse es An- oder Umbauten geben.
Ansonsten geht sie davon aus, dass die Betreuung in den vorhandenen Schulräumen stattfinden kann. Neubauten speziell für die OGS-Betreuung hält man bei der Stadt nicht für nötig. „Grundaufenthaltsort ist das Schulgebäude“, sagt Daniela Schneckenburger.
Die Meinungen darüber gehen allerdings weit auseinander. „Wir brauchen ein Ausbauprogramm nicht nur für Essensangebote“, sagt Jochen Schade-Homann vom Evangelischen Kirchenkreis, dem größten OGS-Anbieter in Dortmund. Für die OGS-Betreuung sei ein differenziertes Raumangebot nötig.
Jörg Loose sieht es genauso. „Das geht gar nicht“, kommentiert er die Haltung der Stadt, in erster Linie die Klassenräume für die OGS-Betreuung zu nutzen. „Inhaltlich und fachlich ist das völlig daneben“, sagt er. Die Räume für Arbeit und Freizeit müssten getrennt sein. Im Zweifel seien Container-Lösungen für die OGS angebracht.
Viele offene Fragen
Klärungsbedarf gibt es aber nicht nur bei der räumlichen Unterbringung der OGS. Gemeinsam sehen Stadt und Träger noch viele offenen Fragen zur Ausgestaltung des Rechtsanspruchs, die Land und Bund beantworten müssten. Das fängt mit der Finanzausstattung an. „Wir hoffen, dass die Folgekosten nicht auf die Kommunen abgewälzt werden“, sagt Daniela Schneckenburger.
Kämmerer Jörg Stüdemann ist da skeptisch. Mit den bislang angekündigten Bundesmitteln für Investitionen und Betrieb sei der Bereich bislang unterfinanziert. „Da wird es möglicherweise auch Klagen von Kommunen geben“, prophezeit Stüdemann.
Standards fehlen
Ein weiteres Problem: „Wir brauchen räumliche, personelle und inhaltliche Standards“, erklärt Jörg Loose. „Wir fordern seit Jahren feste Qualitätsstandards und einen verbindlichen Personalschlüssel“, stimmt ihm Jochen Schade-Homann zu. Bislang seien keine Fachkräfte, also ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher, in der OGS gefordert.
Ob sich das mit dem Rechtsanspruch ändert? Man warte noch auf die Ausgestaltung des Landes, erklärt die Schuldezernentin. „Das Gesetz der Landesregierung ist da entscheidend.“ Ihre Forderung ist klar: „Ich wünsche mir möglichst viel pädagogische und fachliche Qualität“, sagt Daniela Schneckenburger.
Die entscheidende Frage ist, ob es dann genug Fachpersonal für den wachsenden Betreuungsbedarf gibt. Nicht nur Daniela Schneckenburger fürchtet hier einen Engpass bei der Erfüllung des Rechtsanspruchs. Die kommunalen Verbände hätten vor allem wegen des Personalmangels Zweifel, ob das Ziel erreichbar sei, berichtet die Dezernentin. Ihr Gegenrezept: mehr Ausbildung.
Auch da stimmen die Experten auf Trägerseite zu. „Erzieherinnen und Erzieher liegen nicht auf der Straße“, sagt Jochen Schade-Homann. Man gehe deshalb verstärkt über Ausbildung. Noch gebe es dafür mehr Bewerber als Plätze. Doch Ausbildung brauche Zeit. Jörg Loose hält es außerdem für nötig, den Weg in den Beruf attraktiver zu machen - etwa über praxisbegleitende Ausbildung mit entsprechender Vergütung.
Sein genereller Wunsch: Länder, Kommunen und Verbände als Träger müssten sich möglichst bald an einen Tisch setzen, um Verabredungen zu treffen. „Es gibt noch eine Menge Hausaufgaben auf allen Seiten“, bilanziert Jochen Schade-Homann. „Und dazu muss es ein gemeinsames Konzept geben.“
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