Ralf Schmidt mi dem Nest, das er kurz zuvor aus dem Kasten gehoben hatte. © Bastian Pietsch
Gefahr für Donetz-Mitarbeiter
Ralf Schmidt ist der Mann, der ins Hornissennest greift
An einer Gasdruckregelmessanlage haben sich in einem großen Nest mehr als 200 Hornissen angesiedelt. Das ist gefährlich für die Donetz-Mitarbeiter, also musste der Bau weg. Nur wie?
Es gibt Situationen, vor denen hat selbst ein erfahrener Imker wie Ralf Schmidt den größten Respekt. 40 Jahre lang arbeitet er schon in seinem Beruf, hat sich in Dortmund einen Namen gemacht als Hersteller von Honigprodukten. Mit Insekten kennt er sich aus. Doch: Hornissennester umzusiedeln, das kommt eher selten vor.
Als ein Anwohner der Oberfeldstraße bei der Donetz anrief und das Hornissennest meldete, war schnell klar, dass zeitnah etwas passieren muss: „Die Gasdruckregelmessanlagen warten wir mindestens ein Mal pro Jahr“, sagt Pressesprecherin Jana-Larissa Marx. „Außerdem müssen wir jederzeit an die Anlagen können, wenn kurzfristig etwas repariert werden muss.“
Der Kasten schien zu vibrieren
Die Mitarbeiter kommen dabei nicht umhin den Kasten zu öffnen, in dem sich das rund fünf bis sechs Kilogramm schwere Hornissennest noch am Dienstag befand. Baumstammartig aus einem Material wie Pappmaché, hing es rechts oben unter der Abdeckung. Pausenlos flogen zwei bis drei Zentimeter lange Riesenwespen in den kleinen Lüftungsschlitz hinein und krabbelten aus ihm heraus. Der ganze khakigrüne Kasten summte unheilvoll, schien von innen zu vibrieren.
Ohne Schutzanzug, wie Ralf Schmidt ihn bei seiner Operation am Mittag trug, kann das Öffnen der Klappe mindestens schmerzhaft und in Einzelfällen wirklich gefährlich werden.
„Eigentlich“, sagt Schmidt, „verhalten sich die Tiere, anders als Wespen, überhaupt nicht aufdringlich, sie stechen seltener, gehen nicht ans Essen.“ Doch wenn jemand ihrem Nest zu nahe kommt, dann gnade ihm Gott. Die Hornissen schwärmen augenblicklich aus und umzingeln den „Angreifer“, stechen und bespritzen ihn mit stark riechendem Gift. So erkennen sie ihn auch wieder, wenn er sich längst wieder vom Nest entfernt hat.
Imposant vor allem durch die Größe
Der geflügelte Spruch „Sieben Hornissenstiche töten ein Pferd, drei einen Menschen“ sei zwar falsch, sagt Schmidt. Doch bei Allergikern kann das Gift Schockreaktionen bis hin zur Atemnot auslösen. Ob die Stiche bei Nicht-Allergikern schmerzhafter sind als Wespenstiche, ist jedoch von Mensch zu Mensch unterschiedlich – Schmidt beispielsweise empfindet letztere als unangenehmer. Vor allem imponierten Hornissen Angreifern eben durch ihre Größe, „und dass das in der Regel auch klappt, wissen sie.“
Bevor Ralf Schmidt langsam Klappe und Türen des Kastens öffnete, sicherte er sich doppelt ab: mit einem weißen Ganzkörperanzug und einem zusätzlichen Imkerschleier darüber. Auf den Kopf, wo der Schleier dicht aufliegt, legte er zusätzlich einen Waschlappen, dass die Stachel nicht bis zur Kopfhaut durchdringen können. Die blauen Plastikhandschuhe klebte er an den Handgelenken mit Gaffatape ab: „Solche Stellen finden die natürlich sofort“, sagt er.
Rund 200 Tiere befinden sich in dem Nest
Die Aktion dauerte insgesamt etwa zwanzig Minuten: Klappe auf, Tür auf, und erst einmal abwarten. Ertragen, dass sich überall auf den Anzug die Hornissen setzen, um einen herumschwirren mit dem Stachel im Anschlag, Gift spritzen, das man richtig durch die Luft fliegen sieht. „Ein großes Nest“, ruft Schmidt den Donetz-Mitarbeitern zu, die hinter einem Absperrband warten und zuschauen. „Bestimmt 200 Tiere, wie ich es erwartet hatte.“
Was Schmidt ebenfalls vorausgesagt hatte: So ein Hornissennest stinkt. Und zwar nicht nach modrigem Wald oder abgestandenem See, sondern nach verwesten Innereien und gammeligem Fleisch. Hornissen sind Aasfresser. Einerseits ernähren sie sich als natürliche Fressfeinde von der nervigen Wespe auf dem Marmeladenbrot, andererseits bevorzugen sie tatsächlich totes Säugetier.
„Ein Teller Hackfleisch auf dem Tisch könnte sie also schon interessieren“, sagt Schmidt. Die Ausscheidungen der Hornissen, die aus einer Öffnung aus dem Nest einfach nach unten fallen, gären und faulen als „Aasbrühe“ über Wochen und Monate vor sich hin.
Abends dann der Umzug
Zusammen mit seinem Auszubildenden Michael Plaas machte Schmidt sich dann an die Herauslösung des Nestes: Plaas trennte die Verbindung mit einer Schüppe ab, und Schmidt griff den Bau mit beiden Hände. Er hob ihn vorsichtig in eine mitgebrachte Kiste, wo er ihn auf sechs heraus ragende Drähte steckte, die ihn fixierten. Dann klebte er die Lüftungsschlitze des Kastens ab, durch die die Hornissen vorher hinein- und herausgeflogen waren.
Wichtig: Die Königin des Stamms befand sich in dem Nest und nicht mehr im Kasten. Noch bis zum Abend musste das Nest im Freien stehen bleiben, damit alle Tiere den Ortswechsel verstehen und sich an ihn gewöhnen konnten, die Lage sich also deutlich beruhigte. Danach brachte Schmidt es an einen anderen Ort, „am Besten in ein Naturschutzgebiet“ – welcher es genau wird, wollte er spontan entscheiden.
„Im September sterben sie sowieso“
Solange ein Hornissennest sich nicht an einem Ort befindet, den man selbst regelmäßig nutzt, sollte man laut Schmidt die Tiere „einfach in Ruhe lassen. Im September sterben sie sowieso.“ Solange man sie nicht bedrängt oder sich an ihrem Nest zu Schaffen macht, kümmern sie sich auch nicht weiter um den Menschen. Und sonst – falls es doch mal zu unangenehm wird – gibt es ja Imker, die helfen können, wie Ralf Schmidt.
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