Im Garten lesen statt am Strand zu liegen. Lisa Baum und ihre beiden Töchter müssen auf den Urlaub verzichten. © Privat
Urlaub im Corona-Sommer
Quarantäne statt Küste: Anruf lässt den Traum vom Familienurlaub platzen
Nach stressigen Corona-Wochen wollten Lisa Baum und ihre Töchter endlich Urlaub machen. Doch ein Anruf des Gesundheitsamtes begräbt die Pläne. Was bleibt, ist Wut über die Schulöffnung.
Freitagmittag vor Ferienbeginn: Lisa Baum* schiebt einen Einkaufswagen durch den Supermarkt. Kein Wochenendeinkauf, nur ein wenig Proviant für die Reise, Naschereien für sich und ihre beiden sechs- und achtjährigen Mädchen. Samstagmorgen soll es los gehen: zwei Wochen Strand und Radfahren in den Niederlanden. Endlich.
Lisa Baum sehnt den Urlaub herbei. Die vergangenen Monate waren für die alleinerziehende Mutter und ihre beiden Töchter hart. Die Angestellte arbeitet im Homeoffice. Nebenbei beschult sie ihre Kinder. Doppelschichten quasi. „Ich habe teilweise morgens um sechs Uhr angefangen zu arbeiten“, erzählt sie.
Nach der Schulöffnung lässt der Stress nicht nach
Als Lisa Baum einen Arzttermin hat, verbringen die Kinder den Tag bei ihrem Vater. „Der hat gesagt, beim Homeschooling kann man doch nicht arbeiten“, schildert sie die Bilanz ihres Ex-Mannes. Die Mutter bewältigt die schwere Zeit allein. Stress. Schlafmangel. Kinder, die Schule und Freunde vermissen.
Zwei Wochen vor den Ferien dann die Öffnung der Schule. Kaum weniger Stress: versetzter Unterricht, das Zeitfenster für den Job ist nicht sonderlich groß. Aber die Ferien nahen ja. Und dann kommt alles anders.
Während Lisa Baum am Freitag im Supermarkt einkauft, klingelt ihr Handy. Es meldet sich das Gesundheitsamt. Die Anweisung ist präzise und klingt wie die Ereigniskarte aus dem Monopoly-Spiel: „Gehen Sie ins Gefängnis. Begeben Sie sich direkt dorthin...“ Das Gesundheitsamt ordnet für Lisa Baum und ihre Töchter Quarantäne bis zum 8. Juli an. Nächste Woche Mittwoch. Die Mutter macht spontan einen Großeinkauf.
Ein Corona-Test kann die Quarantäne nicht aufheben
In Quarantäne soll sie, weil ein Klassenkamerad oder eine Klassenkameradin der älteren Tochter an der Mörike-Grundschule in Somborn positiv auf das Coronavirus getestet worden ist.
Baums Tochter hat zu diesem Zeitpunkt schon seit zwei Tagen Ferien. Weil ein Elternteil des Kindes bereits am Mittwoch ein positives Test-Ergebnis erhalten hatte, beendete die Mörike-Grundschule das Schuljahr der Klasse vorzeitig.
Zwei Tage des Wartens und Bangens: Wäre nur das Elternteil infiziert gewesen, das Kind aber nicht, wäre die Infektion für die Mitschüler folgenlos geblieben.
Schon kurz vor dem Anruf des Gesundheitsamtes informiert die Mutter der Familie Lisa Baum – ein fürsorglicher Hinweis unter Frauen. „Ich bin schwanger, aber ich mache mir keine Panik“, sagt Lisa Baum.
Der Anruf des Amtes bringt die endgültige Gewissheit. „Ich habe gefragt, ob wir uns testen lassen und bei einem negativen Befund in Urlaub fahren können“, berichtet die 40-Jährige. Die Antwort des Gesundheitsamts war eindeutig: „Ja, wir können uns auf eigene Kosten auf Corona testen lassen, die Quarantäne besteht aber auf jeden Fall“, erzählt Lisa Baum.
Zuhause fließen Tränen
Per E-Mail informiert das Gesundheitsamt sie über die Regeln der nächsten Tage. Morgens und abends solle sie die Temperatur bei ihrer älteren Tochter messen und in eine App zur Quarantäne-Überwachung eintragen. „Ich messe bei uns allen dreien die Temperatur, wir sind topfit“, sagt Lisa Baum.
An der Mörike-Grundschule in Somborn ist ein Kind positiv auf Corona getestet worden. Die Lehrerin sowie die anderen Kinder der Klasse und ihre Familien sind deswegen bis zum 8. Juli in Quarantäne. © Stephan Schütze
Der ersehnte Urlaub platzt binnen Minuten. Zu Hause fließen Tränen. Lisa Baum ist emotional aufgewühlt, als sie vom Freitagnachmittag erzählt. „Meine Kleine will von Corona nichts mehr hören und sehen“, sagt sie. „Wie soll man das Kindern auch erklären? Sie sind die ersten, die darunter leiden.“
Nachmittags habe die Schule die Eltern über den positiven Test informiert und schöne Ferien gewünscht. Abends habe die Klassenlehrerin noch einmal angerufen und sich versichert, ob die Nachricht alle Eltern erreicht habe.
„Zum Glück haben wir einen Garten“
Kein Spielen am Strand, keine Radtouren, kein Eis am Meer. Stattdessen: spielen, basteln, ein bisschen Fernsehen. „Zum Glück haben wir einen Garten“, erzählt die Alleinerziehende. Ihr Arbeitgeber zeigt sich verständnisvoll. Lisa Baum kann seit diesem Dienstag wieder im Homeoffice arbeiten und den Urlaub auf die letzten beiden Ferienwochen verschieben.
Dankbar ist sie der Vermieterin des Ferienhauses. „Sie konnte für die zweite Woche das Haus anderweitig vermieten“, erzählt Baum. „Für die erste Woche habe ich den Verlust. Eine Versicherung zahlt da ja nix.“
Das Gesundheitsamt habe am Montag noch einmal angerufen und sie mit Blick auf ihre Schwangerschaft zu besonderer Sensibilität gemahnt. Weitere Unterstützung? Fehlanzeige. „Ich fühle mich allein gelassen.“
Mutter ärgert sich über Schulöffnung
Pure Frustration. „Ich weiß, ich bin mit der Quarantäne nicht allein“, sagt Baum. Das treffe andere auch. Aber: Warum kein Test? „Es heißt, Quarantäne ist Quarantäne, da können Sie noch so viele Tests machen. – Danke.“ Richtig sauer ist Lisa Baum über die Schulöffnung. „Das war der größte Scheiß, den man sich einfallen lassen konnte“, schimpft sie.
„Warum zwei Wochen vor Schuljahresende? Und in den Kitas lassen sie die kleinen Geschwister ohne Mundschutz herumlaufen.“ Die alleinerziehende Mutter hat Zweifel, dass es nach den Ferien normal weiterläuft. Schulen öffnen, Schulen oder Klassen wieder schließen: „Dieses Hin und Her ist doch kein Zustand.“
Das Jahr 2020 könne man abhaken, sagt sie konsterniert. Nach allem Stress jetzt der geplatzte Urlaub. Sollte es die Situation zulassen, will sie mit ihren Töchtern die letzten zwei Wochen verreisen. „Dann aber“, sagt Lisa Baum, „buche ich ‚Last Minute‘“.
*Die Redaktion hat den Namen geändert.
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