Der bekannte Psychotherapeut Dr. Christian Lüdke äußert sich im Interview zur Kellerbrand-Serie in Dortmund. Eines seiner Spezialgebiete ist die Psychologie von Täterverhalten. © privat

Kellerbrände in Dortmund

Psychotherapeut zur Brandserie: „Serientäter haben ein irres Drehbuch“

Wer steckt hinter den mittlerweile elf Kellerbränden in Dortmund? Ein Serientäter, der extrem aggressiv ist und Versager-Gefühle hat, sagt der bekannte Psychotherapeut Dr. Christian Lüdke.

Huckarde, Mengede, Westerfilde

, 27.07.2020 / Lesedauer: 3 min

Eine Kellerbrand-Serie beunruhigt die Menschen im Dortmunder Westen und mittlerweile auch im Dortmunder Nordosten. Über das Täterprofil und das Tatmotiv sprachen wir mit dem bekannten Psychotherapeuten Dr. Christian Lüdke. Eines seiner Spezialgebiete ist die Psychologie von Täterverhalten.

Hallo Herr Dr. Lüdke, bei mittlerweile elf Kellerbränden kann man ja durchaus von einem Serientäter sprechen. Was treibt einen Serientäter an?Das Kernproblem der Serientäter ist, dass sie sich wie klassische Versager fühlen, im Beruf, in der Schule, in der Partnerschaft, in der Sexualität. Es sind sehr häufig Männer zwischen 25 und 45 Jahren. Sie haben den Wunsch, das Gefühl von Ohnmacht in ein Erlebnis von Allmacht umzuwandeln. Im aktuellen Fall legt der Täter ein Feuer und richtet mit geringem Aufwand größtmöglichen Schaden an. Die Brandstiftung ist, so paradox wie es klingt, eine Eigentherapie für Serientäter, mit der sie sich selber behandeln wollen.

Häufig werden solche Taten mit einer schlechten Kindheit begründet ...Tatsächlich sind 62 Prozent der Serientäter Schulabbrecher, sie kennen also schon recht früh Versager-Erlebnisse. In der Ursprungsfamilie werden sie als Person nicht wahrgenommen, das kann zu Essstörungen, Lügen, Klauen, Abhauen und zu weiteren drastischen Maßnahmen führen. Serientäter haben ein irres Drehbuch: Wenn ich schon nicht geliebt werde, dann will ich wenigstens gehasst werden. Beziehungsstörungen, Rache oder Sozialneid können das Versager-Gefühl verstärken und weitere Auslöser sein.Aber die Rechnung geht nicht auf. Denn die erhoffte Aufmerksamkeit bekommt ein Serientäter ja nicht, weil er anonym bleiben will.Genau, er darf nicht in Erscheinung treten, aber trotzdem verschafft ihm seine Tat befriedigende Gedanken: „Das war ich, ich bin Herr über Leben und Tod.“

In allen Fällen wurde das Feuer früh morgens in den Kellern von Mehrfamilienhäusern gelegt, mit der Folge, dass die Treppenhäuser stark verraucht waren. Was sagt das über den Dortmunder Brandstifter aus?Es zeigt, wie perfide und gefährlich er ist, er nimmt in Kauf, dass Menschen, die schlafend im Bett liegen, durch seine Tat sterben können. Es ist ein extrem aggressiver Mensch, seine Tat schwere Brandstiftung. Dafür bucht er eine fünfjährige Haftstrafe, erst jüngst hatte ich dazu ein Gespräch mit einem Vorsitzenden Richter.

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Ist zeitnah mit weiteren Taten nach ähnlichem Muster zu rechnen?Serientäter sind im Rausch, die die Dosis ihrer Droge schnell steigern. Um noch mehr Effekte zu erzielen, machen sie immer mehr und werden unvorsichtiger. Sie werden von Größenwahn geleitet, von ihrer eigenen Grandiosität. Sie spielen Katz und Maus mit der Polizei, um ihr Allmachtsgefühl zu steigern. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass der Brandstifter die Anzahl seiner Tat zeitnah erhöhen wird.

Dass es sich um mehrere Täter handelt, halten Sie für ausgeschlossen?Ich vermute einen Einzeltäter. Banden haben eine andere Vorgehensweise. Sie legen mehrere Brände zeitgleich, um Menschen einzuschüchtern und zu demonstrieren: „Wir kontrollieren euch.“ Ihre Taten haben oft einen menschenfeindlichen oder rassistischen Hintergrund.

Wer steckt hinter den mittlerweile elf Kellerbränden in Dortmund? Dr. Christian Lüdke vermutet einen männlichen, extrem aggressiven Einzeltäter mit Versasger-Gefühlen. © Helmut Kaczmarek

Wie können Laien Serientäter erkennen?Das ist sicherlich sehr schwierig. Aggression drückt sich oft über Sprache aus. Ironie, Sarkasmus und Zynismus sind indirekte Formen der Aggression. Auffällig ist auch, wenn ein Mensch plötzlich verstummt, alles abbricht und vereinzelt. Natürlich denkt da niemand sofort in eine solche Richtung, aber man kriegt ein Gefühl dafür, wenn man den Menschen kennt.

Wie können Bürger der Polizei helfen?Man muss aufpassen, nicht über das Ziel hinauszuschießen. Aber man sollte mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen. Wenn einem etwas verdächtig vorkommt, lieber einmal mehr die Polizei anrufen.

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