
© Verena Hasken (Grafik)
Protest gegen Nazi-Demos? Nein, lasst die Rechten ins Leere laufen – wortwörtlich!
Klare Kante
Wenn Dortmunds Nazis mal wieder etwas Aufmerksamkeit haben wollen, machen sie eine Demo – die aufgeregte Öffentlichkeit erledigt dann den Rest. Dabei wäre Desinteresse der bessere Gegenprotest.
Jüngst berichtete ich mal wieder über eine Nazi-Demo, dieses Mal im Kreuzviertel. Ich lungerte wie immer am Rande der Kundgebung herum und hörte schlechten Rednern dabei zu, wie sie fremdenfeindliche Dinge in Mikrofone keiften. Um die kleine Nazi-Reisegruppe mit rund 40 Teilnehmern hatte die Polizei einen Kokon der Staatsgewalt gebildet, an dessen Außenwand rund 300 Gegendemonstranten Anti-Nazi-Parolen schrien.
Neben mir stand eine Gruppe Polizisten. Immer das Gleiche, sagte einer von ihnen sinngemäß und schaute in Richtung der Nazi-Gegner: Wenn die hier nicht so einen Terz machen würden, wären die Rechten gar nicht erst gekommen!
Die Demo ist das Dschungelcamp der Nazis
Das war nicht nur der Spruch eines genervten Polizisten, der an einem Samstag lieber frei gehabt hätte. Das ist ein großer Teil der Erklärung dafür, warum es in Dortmund so viele Nazi-Demos gibt.
Wie reagiert Dortmund am besten auf Nazi-Demos?
Bis Weihnachten wollen Nazis jeden Montag in Dortmund demonstrieren. Wie reagiert die Stadtgesellschaft am besten darauf? In einem Pro und Contra setzen sich unsere Autoren mit dieser Frage auseinander. Die Gegenposition lesen sie hier.Aufmerksamkeit ist in der Welt von heute die wichtigste Währung, das gilt für D-Promis wie für Extremisten. Und was für das alternde Fernseh-Sternchen das Dschungelcamp ist, ist für den Dortmunder Nazi eine Demo: der schnellste Weg, sich wieder ins Gespräch zu bringen.
Seit einem guten Jahrzehnt gibt es quasi jedes Jahr eine große Nazi-Demo in Dortmund. Dazu kamen allein letztes Jahr noch über 100 kleinere rechte Kundgebungen. Zuletzt reagierten die Nazis mit wöchentlichen Demos auf tatsächliche und eingebildete Repressalien durch die Behörden.
Nazi-Partei ist präsenter als manch größere Partei
Die Abläufe um diese Demos wiederholen sich: Es gibt aufgeregte Aufrufe zum Gegenprotest in den sozialen Medien, die Presse (soviel Selbstkritik muss sein) berichten fleißig, bei den größeren Demos riegeln hunderte Polizisten ganze Stadtteile ab. Am Ende sind die Nazis, deren politischer Arm – die Kleinstpartei „die Rechte“ – die bei den letzten Kommunalwahlen in Dortmund gerade einmal 2100 von 202.000 gültigen Stimmen bekommen hat, im öffentlichen Bewusstsein der Stadt präsenter als manche etablierte, deutlich größere Partei.
So ist es den Nazis in Dortmund in den vergangenen Jahren gelungen, zu einem Scheinriesen zu werden, und zwar mit nationaler Strahlkraft. Wenn ich jemandem von außerhalb erzähle, dass ich in Dortmund lebe, werde ich meist auf zwei Sachen angesprochen: entweder den BVB und die Nazis.
Frierende Nazis, leere Straßen
Das wird sich erst ändern, wenn wir aufhören, den Scheinriesen weiter aufzublasen. Warum lassen wir die Nazis mit ihrem billigen Demo-Trick nicht ins Leere laufen, und zwar wortwörtlich?
Stellen Sie sich einen regnerischen Novembertag vor: Ein Häuflein frierender Nazis schleppt schlaffe Reichskriegsflaggen durch leere Nordstadt-Straßenzüge. Ihre Hassparolen verhallen ungehört. Also mir gefällt der Gedanke.
1984 geboren, schreibe ich mich seit 2009 durch die verschiedenen Redaktionen von Lensing Media. Seit 2013 bin ich in der Lokalredaktion Dortmund, was meiner Vorliebe zu Schwarzgelb entgegenkommt. Daneben pflege ich meine Schwächen für Stadtgeschichte (einmal Historiker, immer Historiker), schöne Texte und Tresengespräche.
