
© Verena Hasken
Überlasst den Neonazis nicht Dortmunds Straßen!
Klare Kante
Rechtsextremismus verbreitet sich schleichend. Und Aufmerksamkeit ist das Gegengift. Öffentlicher Widerstand gegen Neonazis ist nötig, um sie zu outen – als Feinde unserer Gesellschaft.
Der Rechtsextremismus hat in Deutschland eine lange Tradition. Sein Aufstieg war immer ein schleichender. Wie jeder Extremismus bildet und verfestigt er sich zunächst an den äußersten Rändern der Gesellschaft, um von dort aus das, was als gerade noch akzeptabel angesehen wird, immer weiter in Richtung des Extrems zu verschieben oder auszudehnen. Dieser Prozess basiert auf einem Balanceakt zwischen zu viel und zu wenig Aufmerksamkeit.
Zu wenig Aufmerksamkeit würde bedeuten, dass die extreme Ideologie in der Bedeutungslosigkeit des gänzlich Abseitigen verhallen würde. Da alle sozialen Medien emotionale Erregung belohnen und jeder beinahe alles ins Internet streamen kann, ist zu wenig Aufmerksamkeit heute für keinen Extremisten ein Problem.
Wie reagiert Dortmund am besten auf Nazi-Demos?
Bis Weihnachten wollen Nazis jeden Montag in Dortmund demonstrieren. Wie reagiert die Stadtgesellschaft am besten darauf? In einem Pro und Contra setzen sich unsere Autoren mit dieser Frage auseinander. Die Gegenposition lesen sie hier.Zu viel Aufmerksamkeit auf die noch nicht in die Sphäre der Akzeptanz gerückten Aussagen oder Taten würde eine von Extremisten unerwünschte Abwehrreaktion der Mehrheit der Gesellschaft hervorrufen. Genau hier muss ansetzen, wer den Anfängen wehren will.
Machtdemonstrationen verhindern
Wenn in Dortmund montags Neonazis durch die Nordstadt ziehen, dient das nicht vornehmlich dazu, Inhalte zu transportieren. Es ist eine Machtdemonstration, ein Greifen nach Raum in der Öffentlichkeit. Ihr Hauptprodukt sind Bilder. Diese dienen zuerst der Radikalisierung moderater Rechter und der Selbstbestätigung.
Die Dortmunder Neonazis sind allesamt Scheinriesen: Sie sind wenige, denoch ist es ihnen gelungen, Dortmund zu einem nationalen Symbol für Rechtsextremismus zu machen.
Dass die Mehrheit der Dortmunder sich das nicht gefallen lässt, ist wichtig. Meist vielfach größere Gegendemonstrationen verhindern, dass der Eindruck aufkommt, Rechtsextreme hätten die Meinungsmehrheit oder gar Handlungsfreiheit. Wichtiger noch: Sie übernehmen die Deutungshoheit und zeigen, dass hinter der flaggentragenden Selbstinszenierung eine extreme und gefährliche Ideologie steckt.
Widerstand realisieren
Beim Umgang mit Rechtsextremismus gibt es zwei große Irrglauben. Der eine ist, dass er nicht extrem sei. Das Ergebnis ist eine Normalisierung dessen, was unsere Gesellschaft einst nie wieder zulassen wollte. Der andere ist, er erledige sich schon von selbst, lasse sich totschweigen.
Beide Irrglauben spielen der Strategie von Rechtsextremen in die Karten, in dem sie ihnen ermöglichen, ihren intellektuellen Einflussbereich auszudehnen und Moderate zu radikalisieren.
Es ist gut, das auch Rechtsextreme demonstrieren dürfen. Die Mehrheitsgesellschaft sollte ihnen aber so wenig Freiraum lassen, wie es der Rechtsstaat gerade noch zulässt.
169 Todesopfer
Seit der deutschen Wiedervereinigung wurden laut Recherchen von Zeit Online und Tagesspiegel mindestens 169 Menschen von extrem Rechten getötet. Fünf davon in Dortmund.Geboren in Dortmund. Als Journalist gearbeitet in Köln, Hamburg und Brüssel - und jetzt wieder in Dortmund. Immer mit dem Ziel, Zusammenhänge verständlich zu machen, aus der Überzeugung heraus, dass die Welt nicht einfacher wird, wenn man sie einfacher darstellt.
