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Dortmunder Prostituierte senden Botschaft an Putin
Linienstraße
Die Prostituierten in der Dortmunder Bordellstraße sind nicht nur Expertinnen in Sachen Liebe und Sex. Sie empfangen ihre Gäste an der Haustür zurzeit mit einer klaren Botschaft.
Die Idee ist beim gemeinsamen Essen in der Küche von Haus 8 in der Linienstraße geboren. In dem Haus in der Dortmunder Bordellstraße arbeiten sechs Frauen, die meisten kommen aus Osteuropa: Russland, Ukraine, Lettland, Polen und Rumänien.
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine ist auch unter den Frauen der Linienstraße immer wieder ein Thema. „Keiner hat es für möglich gehalten, dass der Krieg ausbricht. Das hat uns böse überrascht“, sagt Kiki, eine gebürtige Polin. Und: „Wir sind ein Bordell, und wir sind für Frieden.“
Kiki, Alex, Nicole, Natalie und ihre Kolleginnen wollten ein Zeichen setzen, ein Zeichen für den Frieden. Deshalb kamen sie auf die Idee, eine Fahne mit Friedenstaube über der Haustür wehen zu lassen – als Zeichen der Solidarität für alle, darunter auch Russen, die unter diesem schrecklichen Krieg leiden.
Warten auf die Friedensfahnen
Doch Friedensfahnen sind zurzeit offensichtlich sehr begehrt. Ulla, die Wirtschafterin in Haus 8, gab die Bestellung auch für drei weitere Häuser bei Amazon auf. „Wir mussten vier Wochen warten, und warten noch immer auf eine Fahne“, erzählt sie.
Als die ersten Fahnen hingen, war das Interesse der Frauen in den anderen Häusern ebenfalls geweckt. Auch sie wollen nun Friedenstauben über ihren Haustüren wehen lassen.

Auch über Haus 24 weht eine Friedenstaube. © Geißler-Hehlke
„Wir wollen zeigen, dass wir nicht weggucken“, betont Kiki. Viele Gäste quittierten die Fahnen mit Zustimmung, sagt sie. Alex berichtet, dass Gäste ihrerseits davon erzählten, dass sie Flüchtlingen aus der Ukraine helfen: „Viele sammeln auch selbst Spenden.“
Gefühl der Hilflosigkeit
Hin und wieder reagieren die Freier auch erstaunt. Kiki: „Das hätten sie nicht gedacht von einem Amüsierbetrieb. Man traut uns nicht zu, dass wir politisch interessiert sind. Doch der Wunsch nach Frieden ist das, was uns vereint. Auch hier sitzen Menschen, die genauso fühlen wie alle anderen, unabhängig von der Nation, auch Menschen aus Russland.“
Die Frauen, die an der ukrainischen Grenze ihr Zuhause haben, sind in Sorge. Nicole aus Rumänien hat Angst um ihre Eltern. Auch in Polen, erzählt Kiki, „sind sie unheimlich nervös.“ Die Russin Natalie hat Angst, in Deutschland an den Pranger gestellt zu werden. Alle Frauen beschleiche das Gefühl der Hilflosigkeit und der Ohnmacht. Da helfe es, wenigstens ein Zeichen zu setzen, sagt Kiki.
Die Friedenstaube ist nicht das erste weithin sichtbare Zeichen der Frauen aus der Linienstraße. Vor fünf Jahren hängten sie ein großes, viel beachtetes Plakat an den Straßeneingang, auf dem sie Zwangsprostitution, Kinderprostitution und Menschenhandel eine klare Absage erteilen.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
